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Dekra: Unfallopfer oft jung und männlich

Lesezeit 4 Minuten

Berlin – Manchmal ist es nur ein unachtsamer Augenblick, eine falsche Einschätzung - doch die Folgen eines Verkehrsunfalls können verheerend sein. Tausende Menschen auf der Welt sterben jährlich bei Unfällen im Straßenverkehr, andere werden schwer verletzt. Oft sind die Betroffenen jung.

Im am Donnerstag veröffentlichten Verkehrssicherheitsreport 2022 der Prüfgesellschaft Dekra „Mobilität junger Menschen” stellen die Experten die Gefahren im Straßenverkehr mit Blick auf diese Altersgruppe heraus - und zeigen auf, an welchen Stellschrauben für mehr Sicherheit gedreht werden kann.

Für den Report analysieren die Autoren Statistiken aus verschiedenen Ländern sowie Forschungsergebnisse und tragen die Einschätzungen internationaler Experten zusammen. Inhaltlich stehen zunächst Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Fokus: Demnach sterben schon seit Jahren jedes Jahr mehr Menschen zwischen 15 und 29 Jahren bei Verkehrsunfällen als durch HIV/Aids, Malaria oder Tuberkulose.

Vier zentrale Risikofaktoren

Vier Faktoren spielen laut Dekra eine besondere Rolle beim Unfallgeschehen junger Menschen in vielen Ländern: Sie sind mehrheitlich männlich, mit dem Auto oder Motorrad unterwegs, zu schnell und möglicherweise alkoholisiert. Zwar ist den Daten nach die Zahl der bei Unfällen Getöteten oder Schwerverletzten zwischen 15 und 24 in den vergangenen zehn Jahren teils deutlich gesunken. In dieser Altersgruppe sind im Schnitt aber noch deutlich mehr Menschen bei Unfällen gestorben oder schwer verletzt worden als in allen anderen.

175.000 Menschen in diesem Alter starben 2019 weltweit im Verkehr, wie aus Angaben des Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) der Uni Washington hervorgeht, auf die sich die Dekra stützt. Vier von fünf Verkehrstoten in dem Alter waren demnach Männer. Weltweit machte die Altersgruppe 2019 - jüngere Daten gebe es noch nicht - rund 15 Prozent aller Verkehrstoten aus.

Fast viermal so viele junge Männer wie Frauen unter Verkehrstoten

In Deutschland, wo 2019 insgesamt nach Zahlen des Statistischen Bundesamts 429 junge Menschen zwischen 15 und 24 bei Verkehrsunfällen starben, ergibt sich ein ganz ähnliches Bild. Bei den Verkehrstoten dieser Altersgruppe fanden sich fast viermal so viele Männer wie Frauen.

Mangelnde Fahrerfahrung, Selbstüberschätzung oder Fahrzeugbeherrschung - die großen Risikofaktoren für Fahranfänger benennen die Dekra-Experten klar. Auch auf eingeschränkte Gefahrenwahrnehmung, Ablenkung vom Verkehr etwa durch Handynutzung oder Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss weisen sie hin. „Allesamt Problembereiche, die nicht zuletzt auch im Rahmen der Fahrausbildung noch stärker in den Fokus rücken sollten”, sagt Jann Fehlauer, Geschäftsführer der Dekra Automobil.

„Die Kombination aus geringer Fahrpraxis und Jugendlichkeit stellt einen gefährlichen Risiko-Mix für Fahranfängerinnen und Fahranfänger dar: Sie sind überdurchschnittlich häufig Hauptverursachende von Pkw-Unfällen”, sagt auch Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR), der dpa. Um dieses Risiko zu senken, sei 2011 das begleitete Fahren ab 17 dauerhaft eingeführt worden. „Und es wirkt: Jugendliche, die daran teilnehmen, sind im ersten Jahr ihres selbstständigen Fahrens 23 Prozent seltener an Verkehrsunfällen beteiligt als Jugendliche, die nicht daran teilgenommen haben.”

Experten: Handlungsbedarf in diversen Bereichen

Fehlhauer fordert, dass neben dem Umgang mit dem Fahrzeug und den Verkehrsregeln auch Kompetenzen wie Selbstkontrolle und -Beobachtung und die Akzeptanz von Verkehrsregeln in Fahrschulen stärker vermittelt werden müssten. Als Führerscheinneuling sei man nicht automatisch schon ein guter Fahrer und habe ausgelernt. Wissen, Trainingspraxis und bestimmte Abläufe müssten sich verbinden - „durch kontinuierliche Übung im realen Straßenverkehr”.

Handlungsbedarf gebe es aber nicht nur in Sachen Verkehrserziehung, Fahrausbildung und Übungspraxis bei jungen Fahrern. „Um effizient und langfristig nachhaltig gegenzusteuern, sind große Anstrengungen aller Beteiligten notwendig”, sagt Fehlauer. Ansatzpunkte für mehr Sicherheit sind demnach auch Fahrzeugtechnik, Straßeninfrastruktur, Gesetzgebung und Verkehrsüberwachung.

Weil viele Junge vor allem aus Kostengründen ältere Autos führen, bleibe die regelmäßige Fahrzeugüberwachung für die Verkehrssicherheit zentral, analysiert die Dekra. Zum Strauß der im Report gestellten Forderungen gehören unter anderem auch die konsequente Kontrolle und Ahndung gefährlicher Verhaltensweisen am Steuer sowie ein absolutes, überall geltendes Alkoholverbot für Fahranfänger.

Alter auf 16 absenken?

In seinem Beitrag für den Report schreibt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), bis 2030 solle die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland insgesamt um 40 Prozent sinken. Dabei gelte auch, das Unfallrisiko für junge Menschen zu reduzieren. Dazu solle das geplante begleitete Fahren schon ab 16 beitragen. „Deshalb haben wir die Europäische Kommission gebeten, das Führerscheinalter in einem Modellvorhaben auf 16 Jahre absenken zu dürfen.”

Auch Eichendorf stellt klar: „Da nicht alle Jugendlichen das begleitete Fahren ab 17 vollständig ausnutzen, hat sich der DVR dafür ausgesprochen, durch die Einführung des begleiteten Fahrens ab 16 die Lernzeit noch weiter zu verlängern - eine Forderung, die auch in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung aufgenommen wurde.”

© dpa-infocom, dpa:220512-99-263262/2 (dpa)