Berlin – Trotz zunehmender Spannungen mit China plant der Menschenrechtsausschuss des Bundestags für Ende Oktober eine Reise nach Taiwan. Der Besuch soll spätestens Anfang September offiziell beim Parlamentspräsidium beantragt werden, wie die Deutsche Presse-Agentur von mehreren Ausschussmitgliedern erfuhr. Bis zu acht Abgeordnete aller Fraktionen sollen teilnehmen, ein genaues Programm gibt es noch nicht. Daneben plant auch der Parlamentarische Freundeskreis Berlin-Taipeh für Anfang Oktober eine Reise mit sechs Abgeordneten nach Taiwan.
Der Taiwan-Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hatte diese Woche zu einer Eskalation der Spannungen mit China geführt. Die Volksbefreiungsarmee Chinas will als Reaktion bis Sonntag Manöver mit Schießübungen rund um die Insel und nahe der Küste durchführen. Am Freitag verhängte Peking Sanktionen gegen Pelosi, von denen auch Familienangehörige betroffen sind. Außerdem setzte sie den Dialog mit den USA zum Klimaschutz sowie andere Kooperationen aus.
CDU-Politiker will sich nicht beugen
Der CDU-Politiker Michael Brand sieht im Agieren Chinas keinen Grund, von den schon seit längerem bestehenden Reiseplänen des Menschenrechtsausschusses Abstand zu nehmen. „Die chinesische Führung muss achtgeben, dass sie auf der internationalen Bühne nicht nur noch zum Drohungen speienden Drachen wird. Etwas mehr asiatische Disziplin wäre angebracht”, sagt er.
Auch der FDP-Politiker Peter Heidt, der ebenfalls mit nach Taipeh reisen will, lässt sich nicht einschüchtern: „Es gibt in Asien nicht mehr viele Demokratien. Gerade deshalb müssen wir diese unterstützen und dürfen uns nicht von China seine Spielregeln aufzwingen lassen.”
Chinesische Botschaft warnt vor Provokationen
Die chinesische Botschaft in Berlin kritisierte unterdessen den Taiwan-Besuch Pelosis und verband damit auch eine Warnung an die Europäer. Sie sollten abwägen, ob sie „die gefährlichen und provokativen Aktionen der USA” weiterhin unterstützen und „die Welt damit in einen Sumpf der Konfrontationen” ziehen wollten, hieß es in einer Erklärung.
Die kommunistische Führung in Peking lehnt offizielle Kontakte anderer Staaten zu Taiwan grundsätzlich ab, weil sie die demokratisch regierte Insel für sich beansprucht. Sie fasst das als Einmischung in innere Angelegenheiten auf. Die 23 Millionen Taiwaner hingegen verstehen sich als unabhängig.
Letzte Abgeordneten-Reise nach Taiwan 2019
Reisen von Bundestagsabgeordneten nach Taiwan hat es auch in der Vergangenheit schon gegeben. Zuletzt war 2019 der deutsch-taiwanische Parlamentarierkreis unter Leitung des CDU-Politikers Klaus-Peter Willsch dort, der für Oktober nun wieder eine Reise organisiert, die schon vom Bundestagspräsidium genehmigt ist. Sie werde „vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse natürlich noch einmal an Bedeutung gewinnen”, sagt er.
Der Menschenrechtsausschuss hatte 2020 einen Besuch in Taipeh geplant, der allerdings wegen Corona abgesagt und nun nachgeholt werden soll. Die Reise soll zwischen dem 22. und 30. Oktober stattfinden und neben Taiwan auch nach Japan gehen. Auch ein Zwischenstopp in Hongkong ist angedacht, dafür wäre aber eine Einreisegenehmigung Pekings erforderlich.
Bundestagspräsidentin Bas hat keine Reisepläne
Zu der vom Repräsentanten Taiwans in Berlin, Jhy-Wey Shieh, angeregten Taiwan-Reise von Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) wird es aber zunächst nicht kommen. Shieh hatte dem „Tagesspiegel” gesagt: „Die Hemmungen, nach Taiwan zu reisen, müssen fallen.”
Die Bundestagsverwaltung hat allerdings bereits abgewunken. Nach ihren Angaben gibt es eine Vereinbarung der sieben „souveränitätsrelevanten Ämter”, keinen persönlichen Umgang mit dem jeweiligen Amtskollegen in Taiwan zu pflegen. Gemeint sind der Bundespräsident und die Spitzen der vier anderen Verfassungsorgane (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundesverfassungsgericht) sowie der Ministerien für Außen- und Verteidigung.
Chinas Botschafter hat bereits gewarnt
Der Pelosi-Besuch war übrigens nicht die erste Parlamentarier-Reise nach Taiwan, die für Aufsehen gesorgt hat. Vor zwei Jahren hatte der chinesische Außenminister Wang Yi eine Reise des tschechischen Parlamentariers Milos Vystrcil mit Drohungen quittiert. Vystrcil werde für sein „kurzsichtiges Verhalten” einen „hohen Preis” zahlen müssen, sagte er. Der chinesische Botschafter in Deutschland, Wu Ken, sagte damals in einem Interview zu der Frage, wie er auf eine Reise deutscher Parlamentarier nach Taipeh reagieren würde: „Wir lehnen jeden offiziellen Kontakt mit Taiwan ab.”
Der CDU-Politiker Brand meint, wenn man sich durch solche Drohungen beeindrucken lasse, dürfte man als Abgeordneter auch keine Interviews mehr geben. „Selbst dagegen protestiert China inzwischen”, sagt er. „Wenn wir uns selbst ernst nehmen, dann müssen wir China endlich ernst nehmen und die Bedrohung zurückweisen.”
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