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Bunker-Plan für DeutschlandWo finde ich den nächsten Schutzraum? – Apps aus Asien als Vorbild

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Waschen mit Seife und kaltem Wasser: Sanitärräume im ehemaligen Bunker Hachmannplatz in Hamburg. JONAS DENGLER

Waschen mit Seife und kaltem Wasser: Sanitärräume im ehemaligen Bunker Hachmannplatz in Hamburg.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz will an einer App arbeiten, die Bürgern im Ernstfall den nächsten Schutzraum zeigt. Ähnliche Angebote sind in mehreren ostasiatischen Ländern schon Standard.

In Südkorea brummt das Smartphone ständig mit irgendeiner Warnung. Eingerahmt in fette Ausrufezeichen blinkt dann plötzlich eine Nachricht auf wie: „Bitte seien Sie vorsichtig. Ein Taifun nähert sich und es wird stark regnen.“ Es könnte sich auch um etwas noch Ernsteres handeln, zum Beispiel einen Raketentest im verfeindeten Nordkorea. Man weiß jedenfalls immer Bescheid, wenn die Regierung der Meinung ist, dass man Bescheid wissen muss.

Seit vergangenem Jahr findet die südkoreanische Regierung aber offenbar, all das reicht nicht mehr. Schließlich befindet sich Südkorea nicht nur seit 1950 – als der Koreakrieg ausbrach, der drei Jahre und Millionen Tote später nur mit einem Waffenstillstand beigelegt wurde – bis heute formal im Kriegszustand. Derzeit sind die Beziehungen zum Norden so angespannt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Nordkorea führt immer wieder Raketentests durch. Beide Seiten drohen sich gegenseitig mit Krieg.

Apps verraten: Wo ist der nächste Schutzraum?

Damit sich die Bevölkerung in Südkorea schnell in Sicherheit bringen kann, sollen die Menschen nicht mehr nur schnell davon erfahren, sondern auch sofort wissen, wohin sie sich in Sicherheit bringen können. Seit Sommer vergangenen Jahres bieten die weit verbreiteten Apps Naver und Kakao eine Suchfunktion, die die nächste sichere Unterkunft anzeigt. Dies könnte die nächste U-Bahn-Station sein, der Keller eines Shoppingcenters oder ein Parkhaus. Im konflikterprobten Südkorea ist man insofern vorbereitet.

So könnten Beamte aus Deutschland gerade neidisch auf das ostasiatische Land blicken. Diese Woche machte die Notiz die Runde, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BBK) gemeinsam mit den Ländern an einer App oder einem anderen digitalen Kartendienst arbeiten will, die für den Katastrophenfall auf dem Handy den schnellsten Weg zum nächsten Bunker ausspucken. Das dürfte schon deshalb eine Herausforderung sein, da es in Deutschland kaum noch funktionstüchtige Bunker gibt. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz arbeitet aber auch an einem Plan, bestehende Gebäude entsprechend aufzurüsten sowie an der Erfassung von Gebäuden, die im Ernstfall Schutz bieten könnten.

Die Behörde bestätigte dieser Zeitung, es solle auf „eines auf diesen Daten aufbauendes IT-Verzeichnis, das es Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen würde, über Warn- und Kartendienste die für sie nächstgelegenen Schutzorte über das Handy zu ermitteln“, geprüft werden.

Die Sicherheitslage in Deutschland ist nach dem neuerlichen Angriff Russlands auf die Ukraine ab Februar 2022 umfassend neu bewertet worden. Ebenso in Polen, das sich eine Landgrenze mit der Ukraine teilt, wird derzeit für einen Ernstfall vorgesorgt. Es werden neue Bunker und Zufluchtsorte geplant.

Vorbild Asien – Karten werden täglich aktualisiert

Als Vorbild für eine Bunker-App könnten die Demokratien aus Ostasien dienen. Neben Südkorea gibt es auch in Japan längst Apps, die über Zufluchtsorte informieren. Hinanjyo etwa, eine Entwicklung des Unternehmens 1st Media, greift mit GPS-Nutzung auf eine Landkarte zu, die mehr als 150.000 Notunterkünfte enthält – von Sporthallen bis zu Parks. Die Zahl und Orte der Notunterkünfte wird täglich aktualisiert, heißt es seitens des Herstellers.

Mit einem „Evakuierungskompass“ gibt Hinanjyo – was ins Deutsche übersetzt so viel wie „Evakuationsort“ bedeutet – Anweisungen zu Verhalten und Routen. Die App fokussiert sich allerdings weniger auf sicherheitspolitische Fragen wie militärische Angriffe als vielmehr auf Naturkatastrophen. Für den Fall von Tsunamis, Taifunen und Erdbeben ist die Gesellschaft zudem geschult. Evakuierungsübungen werden regelmäßig durch Arbeitgeber und Schulen durchgeführt. Sicherheitspolitik stand bisher im Hintergrund.

Auch in Taiwan, das sich wiederum seit Jahrzehnten in seiner Existenz bedroht sieht, da das von Peking aus regierte Festland-China den Inselstaat Taiwan als sein eigenes Territorium betrachtet, gibt es entsprechende Angebote. Hier ist es eine App der Polizei, die Userinnen und User darüber informiert, wo sie schnellstmöglich vor Bomben Schutz finden könnten. Mehr als 100.000 Zufluchtsorte im ganzen Land sind darin aufgelistet.

Pflicht ist der Download der Polizei-App zwar nicht. Im Jahr 2022, als die Zahl der chinesischen Militärmanöver rund um Taiwan stark zunahm, zählte sie aber zu den meisten heruntergeladenen Applikationen. Ähnlich wie in Südkorea befinden sich Notunterkünfte in Taiwan oft in Shoppingzentren, Parkhäusern oder anderen kommerziell genutzten Gebäuden, häufig aber auch in Wohnhäusern, deren Zugang im Katastrophenfall für die Allgemeinheit geöffnet wird. Die App gibt hier Auskunft.

Zu viele Warnungen sind schädlich

Die ostasiatischen Demokratien sind zwar katastrophenerprobt, dienen aber nicht nur als positives Vorbild. Gerade in Südkorea, wo neben den privat bereitgestellten Apps der sehr weit verbreiteten Anbieter Naver und Kakao mit deren Notunterkunftsplänen auch regelmäßig Warnmeldungen auf die Handys schießen, setzt Warnungsmüdigkeit ein. Ein 2022 im Forschungsmagazin „International Journal of Disaster Risk Reduction“ veröffentlichter Artikel deutet an, dass manchmal weniger mehr ist.

Seit 2005 schickt die südkoreanische Regierung ihre Notfallwarnungen an Mobilgeräte. Der „Korean Public Alert Service“ (KPAS) genannte Dienst habe folgenden zweischneidigen Effekt: „KPAS trug zu erfolgreichen Abwehrmaßnahmen gegen Katastrophenschäden bei. Mit der zunehmenden Anzahl von KPAS-Warnungen wurden die Menschen Berichten zufolge immer genervter und unempfindlicher gegenüber den Warnungen.“ Viele User klickten die Funktionen immer gleich weg.