Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder zeigt sich neuerdings mit Bart. Das Modell heißt „Henriquatre“ und ist natürlich royalen Ursprungs. Welche Rolle spielt die Frisur in der Politik?
Die Rolle der Frisur in der PolitikSöder hat so‘n Bart! Eine kleine Stilkritik
Mit Haaren an alternden Männerkörpern ist es wie mit Baumarktmitarbeitern: Sie sind nie da, wo man sie braucht. Statt auf dem Kopf lässt es die irrlichternde Evolution sinnlos an Orten sprießen, an denen jedes Haarwachstum dem hominiden Weibchen deutlich signalisiert: Der Gipfel der sexuellen Leistungsfähigkeit ist überschritten. Wie sagt der Volksmund? „Hast du Haare in der Nase / Hast du Schwäche in der Blase / Hörst du Knacken im Gebälk / Weißt du: Langsam wirst du welk.“
Tendenz zur Urlaubsverwahrlosung
Noch dazu hat der deutsche Mann eine Tendenz zur Ferienverwahrlosung: Sobald er mehrere Tage am Stück dem Müßiggang frönen darf, sinkt der Anspruch ans eigene Spiegelbild. Unvergessen ist Harald Schmidt, der einst mit einem Rauschebartmodell von einer einjährigen Weltreise zurückkehrte, für den der US-Komiker Zach Galafianakis den Begriff „Chrystal Meth Santa Claus“ geprägt hat.
Nun also hat Markus Söder sich in den Sommerferien einen sogenannten „Henriquatre“ (gesprochen: Ongriehkattre) stehen lassen, ein Bartmodell, das – selbstverständlich – royalen Ursprungs ist, darunter macht es ein Söder nicht. Als Namensgeber fungiert der französische König Heinrich IV. (1553–1610). Weitere prominente Träger: Kanye West, Leonardo di Caprio und Bart Pitt, Verzeihung: Brad Pitt. Der „Henriquatre“ ist ein Frisur gewordener Bilderrahmen für den Mund. Er legt das Augenmerk damit direkt auf das gesprochene Wort, was Söder zweifellos entgegenkommt. Der neue Bart verleiht dem CSU-Chef eine halb verlotterte Waldschratigkeit, die ihn wirken lässt wie einen Heimwerker mit gehobenen Ansprüchen aus der Hornbach-Werbung.
Je höher das Amt, desto höher die Stirn
In der Politik gilt vielerorts: Je höher das Amt, desto höher die Stirn (siehe auch: Kanzler). Das ist praktisch, denn wer keine Haare hat, kann sich weder graue wachsen lassen noch die Wahrheit frisieren. „Der beste Schutz gegen Haarausfall ist eine Glatze“, hat Telly Savalas mal gesagt. Doch auch Vielhaarigkeit ist im Bundestag verbreitet. Seit dem Auftauchen von Wolfgang Thierse und Anton Hofreiter ist man in frisurellen Fragen nachsichtiger, erst recht nach der wundersamen Haarvermehrung bei Jürgen Klopp.
Christian Lindner ließ sich einst die Geheimratsecken auffüllen, und auch zu Gerhard Schröders überraschend ungrauem Haupthaar gab es allerhand Haarspaltereien zu lesen. Soll man Politiker überhaupt nach ihrem Äußeren beurteilen? Gewiss. Denn es spielt bei Wahlentscheidungen eine Rolle. „Attraktive Kandidaten haben gegenüber ihrer weniger ansehnlichen Konkurrenz einen systematischen Vorteil“, sagte Ulrich Rosar, Professor für Soziologie an der Universität Düsseldorf, dem Deutschlandfunk. Warum Söder trotzdem gewählt wurde, sagte er nicht.
Die nächste Eskalationsstufe im Frisurfall Söder wäre eine spitz zulaufende Außenverzwirbelung der Bartrandbereiche links und rechts. Dann sähe Söder endgültig aus wie der Mann, dem er inhaltlich und in Fragen des Nachruhms nacheifert: König Ludwig II. von Bayern, der „Märchenkönig“. Es kann nicht mehr lange dauern. Schönes Wochenende!