Schrille Töne gehören zum Geschäft der Opposition – aber es kommt auf die richtige Lautstärke zur rechten Zeit an, meint unser Kolumnist.
DJ Merz und seine PartyDie CDU hat die Musik gerade sehr laut aufgedreht
Dreh die Musik runter! Diese Aufforderung der Eltern kennen viele bestimmt noch aus ihrer pubertären Jugendzeit. Nichts war mit 14 schöner, als die Eltern mit schrillen Tönen zur Weißglut zu bringen. Auch in der Politik macht laute Musik durchaus Spaß. Man provoziert den Gegner, bringt ihn zur Weißglut und streckt innerlich die Zunge raus. Genau das passiert gerade rund um Robert Habeck. Friedrich Merz und seine CDU haben die Musik sehr laut aufgedreht.
Immer schriller werden die Töne, wenn es um das Heizungsgesetz des grünen Wirtschaftsministers und um seine Staatssekretäre geht. Die Umfragen geben dieser Intonation recht. Habeck stürzt ab, und die CDU liegt in allen Umfragen wieder deutlich vor jeder Konkurrenz. Der Kanzler Merz ist laut Datenlage heute eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich. Nur: So einfach ist das alles nicht. Wer die Musik früh am Abend schon ganz laut macht, der sorgt gerne mal dafür, dass die Party gar nicht erst in Gang kommt.
Denn für jede gute Party gilt, dass sie sich steigern muss. Erst Gespräche, dann die ersten zaghaften Schritte auf die Tanzfläche und schließlich die absolute Eskalation kurz in der Nacht auf dem Höhepunkt. Wir befinden uns gerade anderthalb Jahre nach der Bundestagswahl. Eigentlich sollte man erwarten, dass gerade noch viel freundlich miteinander geredet wird und nur Einzelne ab und an auf die Tanzfläche treten.
Klassisch wäre das gerade die große Zeit der Hinterbänkler, die ab und an mal einen quietschenden Vorschlag machen dürfen und dann wieder in Vergessenheit geraten. Aber Friedrich Merz ist kein Hinterbänkler. Er ist Oppositionsführer, und er hat sich für ein neues Partykonzept entschieden: Laute Musik schon früh am Abend. Jeden Tag ein neuer Angriff. Jeden Tag eine neue Eskalation, eine Verschärfung der Vorwürfe. Den Grünen wirft die CDU zur Zeit so aggressiv Vetternwirtschaft vor, dass selbst die Transparenz-Organisation „Lobbycontrol“ dem Bundeswirtschaftsminister verteidigend zur Seite springt.
Lobbycontrol kommentiert die CDU-Angriffe mit harschen Worten wie „völlig unangemessen“, und ihr Vertreter Timo Lange schreibt in der „tageszeitung“ (taz), es handele sich um „eine Verdrehung der Tatsachen“, und es würde durch die CDU „aufgebauscht und skandalisiert“. Nun kann man aus Sicht der CDU sagen: Klappern gehört zum Oppositionsgeschäft. Ganz falsch ist das nicht. Schließlich beweisen Habecks sinkende Umfragewerte, dass an der Kritik der Opposition durchaus etwas verfängt.
Alles richtig gemacht. Sollte man also meinen, aber das stimmt nicht ganz. Es ist nämlich schlicht zu früh für so viel Lärm, und das bringt Merz in die unangenehme Position, in Richtung Wahl die Musik nochmal deutlich hochdrehen zu müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Ton dann übersteuert, ist enorm hoch. Und damit könnte am Wahlabend mal wieder Olaf Scholz der lachende Dritte sein, der gegen das merzsche Getöse gerade mit seiner sonst oft so schlecht gelittenen Ruhe punkten konnte.
Erik Flügge ist Geschäftsführer der Beratungsfirma „Squirrel & Nuts“ in Köln und Bestsellerautor. In den sozialen Medien folgen Zehntausende seinen politischen Analysen.