Innerhalb weniger Stunden legte Donald Trump eine 180-Grad-Kehrtwende bei seiner Zoll-Orgie hin. Selbst sein Handelsbeauftragter wurde kalt erwischt. Die Demokraten wittern einen kriminellen Skandal von Insiderhandel.
Krimineller Insiderhandel?Donald Trump drückt den Panikknopf

Die Demokraten wittern einen kriminellen Skandal von Insiderhandel nach Donald Trumps Zoll-Volte. (Archivbild)
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Am Ende war alles natürlich ein genialer Plan. „Er ist fast 3000 Punkte gestiegen“, brüstete sich Donald Trump im Oval Office mit dem steilen Anstieg des Dow-Jones-Börsenbarometers: „Niemand hat so etwas je erlebt.“ Der Präsident wirkte mit sich sehr zufrieden. „Ich denke, das ist ein Rekord?“, forderte er seinen Wirtschaftsminister Howard Lutnick zum Lob heraus. „Definitiv“, bestätigte dieser brav. „Alles hat sich genau wie geplant entwickelt“, jubelte Trumps Zoll-Berater Peter Navarro.
Tatsächlich spielten sich am Mittwoch in Washington die wohl chaotischsten Szenen seit Jahren ab. Noch am Vorabend hatte Trump geschwärmt, seine Zoll-Offensive gegen den Rest der Welt laufe großartig: „Jeder will mir den Arsch küssen.“ Am Mittwochmorgen waren die Glücksgefühle des Präsidenten nicht mehr ganz so groß. „Bleibt cool! Alles wird gut werden“, postete er um 9.33 Uhr auf seinem Propagandakanal Truth Social. Knapp vier Stunden später kam die 180-Grad-Wende: Der Imperator im Weißen Haus setzte einen beträchtlichen Teil der Zölle für alle Länder außer China aus.
Trumps Handelsbeauftragter eiert minutenlang herum
„Das hat Donald Trump brilliant ausgeführt“, schwärmte der milliardenschwere Hedgefonds-Manager Bill Ackman: „Das ist wie aus dem Lehrbuch ‚The Art of the Deal‘“ – einem Ratgeber, den Trump 1987 von einem Ghostwriter schreiben ließ. Doch tatsächlich war nichts geplant an der jüngsten Volte des Dealmakers. Als er die Nachricht um 13.18 Uhr über Truth Social verbreitete, saß sein Handelsbeauftragter Jamieson Greer gerade in einer Anhörung des Kongresses. Die Wende traf den zuständigen Regierungsvertreter vor laufenden Kameras komplett unvorbereitet. Minutenlang eierte er herum und wusste keinerlei Details.
Im Hintergrund hatte es in der US-Regierung schon länger Diskussionen über die Zoll-Orgie gegeben, die Märkte und Unternehmen rund um den Globus seit Tagen auf einen aberwitzigen Schleuderkurs schicken. Vor allem Finanzminister Scott Bessent hatte nach Medienberichten intern für ein strukturierteres Herangehen geworben. Nach dem Absturz der Börsen am Dienstag waren die Klagen lauter geworden. Tesla-Eigner Elon Musk hatte dem Zoll-Fanatiker Navarro bescheinigt, „dümmer als ein Sack Backsteine“ zu sein. Der vom Demokraten-Unterstützer zum Trump-Fanboy mutierte Ackman hatte vor einem „ökonomischen nuklearen Winter“ gewarnt.
„Einigen Leuten wurde etwas mulmig“
Vor seinem Durchhaltetweet („Bleibt cool!“) dürfte Trump wie jeden Morgen Fox-News geschaut haben. Dort war um kurz nach acht Uhr Jamie Dimon, der Chef der Investmentbank J.P. Morgan, zu Gast: „Es ist ernst“, warnte der Finanzmanager. Inzwischen halte er eine Rezession für „den wahrscheinlichen Ausgang“ der aktuellen Turbulenzen. Extrem besorgt zeigten sich andere Experten vor allem über die bedrohliche Entwicklung am Anleihemarkt, die auf Panik der Anleger hindeutete. „Ich habe mir den Anleihemarkt angeschaut“, erklärte Trump Stunden später offen: „Einigen Leuten wurde etwas mulmig“.
Also zog Trump am Mittag die Notbremse und setzte die über den neuen zehnprozentigen Basiszoll hinausgehenden Abgaben für 90 Tage aus. Natürlich verkaufte er sein Einknicken als Erfolg: Angeblich reagierte er darauf, dass ihn inzwischen Vertreter von 75 Ländern angerufen und um Verhandlungen angebettelt hätten. Doch der größte Deal-Maker aller Zeiten wäre nicht er selbst, wenn er an der abrupten Kehrtwende nicht auch noch verdient hätte.
Demokraten attackieren Trump: „Das ist Betrug in Reinkultur“
„Dies ist eine großartige Zeit, um zu kaufen“, gab er – scheinbar unvermittelt – um 9.37 Uhr am Mittwochmorgen bei „Truth Social“ einen Anlagetipp, der mit „DJT“ gezeichnet war – dem Börsenkürzel für seine Social-Media-Firma. Tatsächlich hätte es sich gelohnt, Trumps Rat zu folgen: Der Kurs seiner Aktie stieg um 21 Prozent. Damit erhöhte sich der Unternehmenswert innerhalb weniger Stunden um 415 Millionen Dollar.
Mutmaßlich haben verdeckt noch andere Personen viel mehr an der Volte kräftig verdient. Minuten vor der Ankündigung der Zollpause schossen die Umsätze an den Börsen nämlich mysteriös nach oben. Führende Demokraten sind überzeugt, dass Mitwisser so illegal in kurzer Zeit kräftig Kasse gemacht haben. „Das ist Betrug in Reinkultur. Dieses skrupellose Regieren zielt ganz klar darauf ab, Milliardäre reicher zu machen, während der Rest von uns den Preis dafür zahlt“, empörte sich der Abgeordnete Steven Horsford. „Ein Insider-Skandal zeichnet sich ab“, ist der demokratische Senator Chris Murphy überzeugt. „Ich habe interessante Gerüchte im Kongress gehört“, deutete die linke Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez an.
In einem fünfseitigen Brief an das Weiße Haus verlangt Senator Adam Schiff nun Aufklärung über den genauen Ablauf der Entscheidung und die mögliche Beteiligung von Mitgliedern der Trump-Familie. Gleichzeitig ruft der einstige Chefankläger im ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump mögliche Whistleblower auf, sich vertraulich an die Demokraten im Kongress zu wenden. Schiff ist überzeugt: „Wir werden herausfinden, ob irgendjemand davon profitiert hat.“