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„Zoll-Amoklauf“Wie Trump einen Handelskrieg als Reality-TV-Show inszeniert

Lesezeit 4 Minuten
US-Präsident Donald Trump gibt einen Daumen hoch

US-Präsident Donald Trump gibt einen Daumen hoch

Erst werden sie angekündigt, dann verschoben und plötzlich verhängt: Mit seiner erratischen Zollpolitik verursacht Präsident Donald Trump maximales Chaos.

Die Frage ist naheliegend, aber das Weiße Haus behandelt sie wie eine Majestätsbeleidigung. Nicht einmal 20 Kilogramm Fentanyl sind im vergangenen Jahr an der US-Grenze zu Kanada sichergestellt worden. „Das ist ein winziger Bruchteil dessen, was aus Mexiko kommt. Was also muss Kanada noch tun?“, wollte ein Journalist am Mittwoch im Regierungs-Briefing wissen. „Sie fragen nach der Rechtfertigung des Präsidenten?“, pampte Karoline Leavitt, die Sprecherin von Donald Trump, zurück: „Das steht Ihnen nicht zu. Sie sind nicht der Präsident. Und es ist respektlos gegenüber den Familien, die Angehörige durch dieses tödliche Gift verloren haben.“

So richtig überzeugend klang die Antwort nicht. Minuten zuvor hatte Leavitt bekanntgegeben, dass Trump seine Zölle gegen Einfuhren aus Kanada und Mexiko für Auto-Importe bis zum April aussetzt. Für alle anderen Güter aus den beiden Nachbarländern aber sollten die 25-prozentigen Strafzahlungen bestehen bleiben, die Trump erst am Dienstag verhängte, nachdem er sie zuvor um einen Monat verschoben hatte. Am Donnerstag dann folgte überraschend die nächste Wendung: Alle Einfuhren aus Mexiko sollen nun für einen Monat ausgenommen werden. Die Zölle für Kanada und China (20 Prozent) aber bleiben bestehen. Das Chaos könnte größer kaum sein.

Zoll-Chaos als tägliche Trump-Show

„Ich weiß nicht, was der Plan der Regierung ist“, wundert sich nicht nur der libertäre Senator Rand Paul: „Wenn man Zölle als Hebel nutzen will, sollte man damit drohen, verhandeln und sie dann entweder verhängen oder nicht.“ Viele Wirtschaftsvertreter sehen das ähnlich, zumal sich auch die Begründung für die finanziellen Sanktionen fast minütlich ändert: Mal will Trump das Handelsungleichgewicht ausgleichen. Mal will er rigidere Maßnahmen gegen illegale Migration erzwingen. Und mal geht es ihm um die Einfuhr von Drogen wie Fentanyl.

Jedenfalls ist Trump von der Idee, ausländische Einfuhren zu bestrafen, regelrecht besessen. „Zölle ist mein Lieblingswort“, hat er im Wahlkampf öfter gesagt, bis die religiöse Rechte protestierte. Seither betont er, dass „Gott“ noch eine Stufe darüberstehe. Die Drohung, Verzögerung, Teil-Rücknahme und Wiedereinführung der Strafzahlungen hat der einstige Realitiy-TV-Star und Baumogul zu einer täglichen Show gemacht. Am Mittwoch telefonierte er mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau, der versuchte, den Konflikt beizulegen. Anschließend machte Trump seine Version des Gespräches sofort bei „Truth Social“ öffentlich. Er bezeichnete den Regierungschef als „Gouverneur“ und berichtete, er habe diesem gesagt: „Das reicht noch nicht!“

Trumps „Zoll-Amoklauf“: Europa droht schwerer Schlag

Anfang April nun droht der nächste Hammer: Da will Trump Einfuhren aus aller Welt mit dem gleichen Zollsatz belegen, der im jeweilen Land erhoben wird - wobei er bizarrerweise die Mehrwertsteuer einrechnen will. Die Maßnahme würde Europa und vor allem die deutsche Auto-Industrie brutal treffen, da Personenwagen auf dem alten Kontinent mit einem höheren Zoll als in den USA belegt werden. Fieberhaft bemühen sich hochrangige EU-Vertreter bei Gesprächen hinter verschlossenen Türen, das Unheil abzuwenden. Die naheliegende Lösung: die EU senkt ihre Autozölle auf US-Niveau. Doch die Unterhändler sind unsicher: Will Trump das überhaupt? Bei einem solchen Kompromiss würde er nämlich keine Einnahmen erzielen. Mit dem erwarteten Geldregen aber will er seine Steuerreform gegenfinanzieren.

Die chaotische Achterbahn belastet Investoren und Verbraucher. Trumps vorübergehendes Einlenken bei den Autozöllen gegen Kanada und Mexiko erfolgte, nachdem die Aktienkurse in den USA zwei Tage in Folge gefallen und die Chefs der drei US-Autobauer General Motors, Ford und Stellantis in Washington alarmiert vorstellig wurden. Kanada will seine Gegenzölle aber beibehalten: US-Einfuhren im Umfang von zunächst 30 Milliarden Dollar (ab Monatsende 155 Milliarden Dollar) werden mit 25 Prozent belegt.

Die Folgen sind absehbar: Obst, Bier, Strom und Benzin dürften in den USA teurer werden, weil die Händler die gestiegenen Preise an die Kundschaft weitergeben. „Trumps Zoll-Amoklauf ist der Triumph von Ideologie über gesunden Menschenverstand“, wettert das konservative Wirtschaftsblatt „Wall Street Journal“. Es sieht nicht so aus, als wenn das Trump interessieren würde.