Die CDU arbeitet an ihrer grundsätzlichen Neuaufstellung, im Raum steht aber auch die AfD mit hohen Umfragewerten.
„Aufs Maul schauen, nicht nach dem Mund reden“CDU-Chef Merz weist Populismusvorwürfe zurück
CDU-Chef Friedrich Merz hat Populismusvorwürfe zurückgewiesen und gewarnt, heikle Themen aus Sorge vor einem Vergleich mit der AfD nicht anzusprechen. „Wir müssen auch in der Lage sein, mal Probleme zu adressieren. Auch mal mit Formulierungen, die nicht jedem gefallen“, sagte Merz am Samstag bei einem Grundsatzkonvent seiner Partei in Berlin. „Das ist dann nicht gleich rechts. Und das ist dann auch nicht gleich rassistisch. Und das ist vor allen Dingen nicht irgendwo AfD-Sprech.“
„Die AfD darf uns den Sprachraum nicht verstellen“, betonte Merz in einer Diskussion mit dem früheren Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks. „Den bestimmen wir selbst nach unseren Grundsätzen.“ Die AfD wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. In Umfragen liegt sie im Bund teils bei 19 Prozent und damit als zweitstärkste Kraft hinter der Union und vor SPD und Grünen.
Er definiere die Abgrenzung zwischen Demokratie und Populismus folgendermaßen, sagte Merz: „Dem Volk aufs Maul zu schauen ist Demokratie. Dem Volk nach dem Mund zu reden ist Populismus.“ Aufgabe einer Volkspartei sei, „hinzuhören und hinzuschauen, was in der Bevölkerung diskutiert wird, wie die Emotionen sind in einem Land“. Diese Emotionen müssten abgeholt, gebündelt und in die politische Mitte gehoben werden. „Das ist die Aufgabe einer Volkspartei.“
Merz, der auch Vorsitzender der größten Oppositionsfraktion im Bundestag ist, kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung beim Klimaschutz scharf. Die Grünen und besonders Wirtschaftsminister Robert Habeck versuchten, das nicht bestrittene Ziel „mit einer Methodik zu erreichen, die einen großen Teil der Bevölkerung vor den Kopf stößt“. Es gebe bei der Ampel „eine Rigorosität“ im Durchsetzen ihrer politischen Forderungen im Parlament, die keinerlei Rücksicht auf die Minderheitenrechte der Opposition nehme. Merz sprach von einer massiven Beschädigung der Institutionen der Demokratie.
Entschuldigung für „Sozialtourismus“, aber nicht für „Paschas“
Von der politischen Konkurrenz, aber hinter vorgehaltener Hand teils auch in den eigenen Reihen, wird Merz gelegentlich ein Hang zur populistischen Zuspitzung vorgeworfen. Der CDU-Politiker räumte im Gespräch mit Fücks ein, ihn belaste es immer noch, im Zusammenhang mit Ukraine-Flüchtlingen von angeblichem „Sozialtourismus“ gesprochen zu haben. Er habe sich für den Fehler entschuldigt.
Zugleich betonte Merz: „Bei den Paschas bleibt's.“ Er hatte Anfang des Jahres im Zusammenhang mit Silvester-Krawallen in Berlin in der Talkshow „Markus Lanz“ über den Umgang mit Lehrerinnen und Lehrern gesagt: „Und dann wollen sie diese Kinder zur Ordnung rufen, und die Folge ist, dass die Väter in den Schulen erscheinen und sich das verbitten. Insbesondere, wenn es sich um Lehrerinnen handelt, dass sie ihre Söhne, die kleinen Paschas, da mal etwas zurechtweisen.“
Wettbewerb um moderne bürgerliche Partei: Grüne potenzielle Koalitionspartner?
Fücks lobte Merz für dessen mehrfache harte Abgrenzung gegenüber der AfD. Die CDU solle sich aber auch davor hüten, das Vokabular der AfD zu übernehmen, mahnte er. Demokratische Parteien sollten keine politische Brunnenvergiftung betreiben und den Gegner nicht dämonisieren.
Die CDU müsse sich als Partei der rechten Mitte zwar gegenüber den Grünen abgrenzen, räumte Fücks ein - aber ohne eine gleich große Distanz wie zur AfD. Er sagte zu Merz: „Die AfD ist unser gemeinsamer Gegner, Gegner einer offenen Gesellschaft. Die Grünen sind Ihr potenzieller Koalitionspartner.“ Er forderte den CDU-Chef auf: „Sie müssen die Brücken schlagen, auch zu dieser ökologisch-liberalen modernen Mitte.“ Zwischen Grünen und CDU gebe es einen Wettbewerb darum, wer die moderne bürgerliche Partei sei. Merz entgegnete: „Wir führen doch hier keine Koalitionsdebatten.“
Neues Grundsatzprogramm 2024
Programmkommissionschef und CDU-Vize Carsten Linnemann betonte, die Bundestagswahl 2021 sei verloren worden, „weil die CDU nicht mehr gut genug war“. Das neue Programm solle die Partei „wieder auf die Höhe der Zeit“ bringen. Konturen gebe es schon. Linnemann nannte etwa die Positionierung für ein „Gesellschaftsjahr“, das nicht nur bei der Bundeswehr oder der Feuerwehr denkbar sei. In der Sozialpolitik gelte, dass die volle Unterstützung des Staates bekommen müsse, wer nicht arbeiten könne. Wer arbeiten könne, sollte arbeiten müssen. Dies sei auch für die Akzeptanz in der Solidargemeinschaft wichtig.
Die Christdemokraten wollten mit dem Grundsatzkonvent nach ihrem Wahldesaster 2021 den nächsten Schritt zur Entwicklung des Programms und zur Neuaufstellung der Partei gehen. Das Programm soll von einem Bundesparteitag Anfang Mai kommenden Jahres beschlossen werden. Das aktuelle Grundsatzprogramm stammt noch von 2007. (dpa)