Im Bemühen um ein Ende des Ukraine-Kriegs muss Europa den Schulterschluss mit den USA suchen, mahnt Frankreichs Präsident Macron. Mehrere Länder geben Kiew «eiserne Sicherheitsgarantien».
FriedensmissionEuropa ringt um Einfluss auf US-Pläne für Ukraine
Im Ukraine-Krieg bemüht sich Europa angesichts des Machtwechsels in den USA verstärkt um Einfluss bei einer von Washington angestrebten Beendigung des Konflikts. Außerdem geht es um Sicherheitsgarantien für das von Russland angegriffene Land, einschließlich der Frage einer möglichen Friedenstruppe. Nach einem Treffen mit Polens Ministerpräsident Donald Tusk in Warschau mahnte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Schulterschluss mit den USA an.
„Wir müssen also sehr eng mit den Amerikanern und natürlich mit der Ukraine zusammenarbeiten, um einen Weg zu finden, der die Interessen der Ukraine, ihre Souveränität, und die Interessen der Europäer und ihre Sicherheit berücksichtigt“, sagte Macron. Die Koordination zwischen den europäischen Ländern sei wichtig, wenn es um Sicherheitsgarantien für die Ukraine nach einer möglichen Friedenslösung gehe.
Nato-Staaten beraten über Überwachung von Waffenstillstand
Auf die Diskussion über eine Friedenstruppe mit ausländischen Soldaten in der Ukraine ging Macron nicht explizit ein. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gibt es zwischen Vertretern mehrerer Nato-Staaten seit Wochen vertrauliche Gespräche darüber, wie ein möglicher Waffenstillstand in der Ukraine überwacht werden könnte. Hintergrund ist das Szenario, dass Donald Trump als US-Präsident versuchen könnte, die Ukraine und Russland zu Verhandlungen zu drängen.
Tusk wies Medienberichte zurück, wonach sich sein Land nach einer Beendigung des Krieges in der Ukraine an einer Friedenstruppe beteiligen will. „Momentan planen wir keine solchen Aktionen“. In unbestätigten Berichten hatte es zuvor geheißen, bei dem Gespräch könne es auch um Überlegungen gehen, nach dem Krieg eine Friedenstruppe aus ausländischen Soldaten in der Ukraine zu stationieren.
Polen will bei Friedenstruppe nicht dabei sein
Der polnische Radiosender Rmf.fm berichtete, falls es zu einer europäischen Friedenstruppe für die Ukraine kommen sollte, werde Polen vermutlich das logistische Zentrum bereitstellen, jedoch keine Soldaten. Auch aus historischen Gründen wolle Warschau keine Streitkräfte in das Nachbarland entsenden: Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörten Teile der heutigen Westukraine zu Polen. Außerdem seien 10.000 polnische Soldaten derzeit zur Bewachung der Grenze mit Belarus gebunden.
Deutschland und andere europäische Länder sichern der Ukraine standhafte Unterstützung und den Einsatz für tragfähige Sicherheitsgarantien zu, falls es nach der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand kommen sollte. „Wir verpflichten uns, der Ukraine eiserne Sicherheitsgarantien zu geben, zu denen auch die zuverlässige Bereitstellung militärischer und finanzieller Unterstützung auf lange Sicht gehört“, heißt es in einer „Berliner Erklärung“, auf die sich Vertreter von Deutschland, Frankreich, Polen, Italien, Spanien, Großbritannien und der Ukraine sowie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Berlin geeinigt haben. Das Treffen war von der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) organisiert worden.
Deutsche Beteiligung bei Friedensmission offen
Auf Fragen nach einer Beteiligung europäischer oder deutscher Soldaten an einer möglichen Friedensmission in der Ukraine antworteten Baerbock und Kallas nicht.
Unterdessen war einer in Warschau wieder nicht dabei: Bundeskanzler Olaf Scholz. Es ist schon das dritte wichtige internationale Treffen zur Ukraine, bei dem er fehlt. Ende November fand ein Gipfel der nordischen und baltischen Staaten sowie Polens ohne ihn statt. Macron wurde dagegen zugeschaltet. Vergangenes Wochenende redeten Macron, der künftige US-Präsident Trump und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Rande der Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame in Paris miteinander. Scholz ließ Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus protokollarischen Gründen den Vortritt und blieb zu Hause.
Beratungen wieder ohne Scholz
Und jetzt Warschau. Wieder ohne Scholz. Und das, obwohl sich der Kanzler in den vergangenen Wochen massiv für diplomatische Bemühungen um eine Friedenslösung in der Ukraine eingesetzt hat - aber eben anders als die wichtigsten Verbündeten. Er warb vor allem für eine neue Friedenskonferenz unter Einbeziehung Russlands und telefonierte im November erstmals seit fast zwei Jahren wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Selenskyj kritisierte ihn dafür außergewöhnlich scharf.
Und als Außenministerin Baerbock vor einer Woche in Brüssel laut über eine internationale Präsenz in der Ukraine bei einem Waffenstillstand nachdachte, reagierte der Kanzler gereizt. Es sei „ganz unangemessen, jetzt darüber zu spekulieren, was später mal bei einem verhandelten Waffenstillstand und bei einer friedlichen Situation existiert.“ Die Gedankenspiele über eine Friedenstruppe spielten jetzt aber auch vor dem Treffen zwischen Macron und Tusk eine Rolle.
Kanzler in „größter Intensität“ um Ukraine bemüht
Auf die Diskussion in den deutschen Medien darüber, dass er bei Macrons Ukraine-Aktivitäten nicht dabei ist, reagierte Scholz in einem Interview „schwer irritiert“. Er sei in „größter Intensität“ an den Gesprächen zur Ukraine beteiligt, sagte er im Deutschlandfunk Kultur. „Tatsächlich sind wir alle in engstem Austausch miteinander zur Besprechung dieser Fragen.“
In Polen blickt man ohnehin mit Enttäuschung und Skepsis auf Scholz. Dessen Anruf bei Putin im November hatte Tusk als wenig hilfreiche „Telefondiplomatie“ abgetan. In der polnischen Öffentlichkeit weckt dieser Vorstoß tiefsitzende Ängste, dass sich Deutschland und Russland über die Köpfe der Polen und Ukrainer hinweg verständigen könnten. (dpa)