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RegierungsbildungJuso-Führung sagt Nein - SPD-Spitze hält dagegen

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SPD-Chef Klingbeil warnt vor einem Scheitern des Koalitionsvertrags.

SPD-Chef Klingbeil warnt vor einem Scheitern des Koalitionsvertrags.

Die Jusos wollen Nachverhandlungen, die SPD-Führung verteidigt den Koalitionsvertrag. Kann das Mitgliedervotum der Sozialdemokraten Schwarz-Rot noch zu Fall bringen?

Vor dem Start des SPD-Mitgliedervotums über den Koalitionsvertrag mit der Union hat die Parteispitze eindringlich um Zustimmung geworben und vor einem Scheitern gewarnt. „Ich möchte, dass wir uns nicht wegducken, und ich möchte, dass wir die Zukunft dieses Landes gestalten“, sagte Parteichef Lars Klingbeil auf einer Dialogkonferenz in Hannover. Zuvor hatten sich der Juso-Bundesvorstand und mehrere Landesverbände der Parteijugend wegen der Migrations- und Sozialbeschlüsse klar gegen den Koalitionsvertrag gestellt und Nachverhandlungen gefordert. 

Klingbeil entgegnete, dass diese Rechnung nicht aufgehen werde. „Wenn das scheitert, dann wird es Neuwahlen geben, oder dann wird es vielleicht eine Minderheitsregierung geben.“ Nachverhandlungen werde es aber nicht geben. Stattdessen bestehe die Gefahr, dass die Kräfte in der Union gestärkt werden, die für eine Normalisierung des Verhältnisses zur AfD sind. „Wenn wir scheitern, dann werden die lauter.“

Gut 358.000 SPD-Mitglieder entscheiden

Mehr als 358.000 Mitglieder der SPD können von Dienstag an über den Koalitionsvertrag mit der Union abstimmen. Um 8.00 Uhr soll dafür eine Online-Plattform freigeschaltet werden, auf der die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bis zum 29. April um 23.59 ihre Stimmen abgeben können. Am 30. April soll das Ergebnis bekanntgegeben werden. 

Für die Annahme des Koalitionsvertrags ist nicht nur die Mehrheit der Stimmen, sondern auch eine Teilnahme von mindestens 20 Prozent der Mitglieder an der rein digitalen Abstimmung erforderlich. 

Mit dem Mindestlohn von 15 Euro oder der Steuersenkung für geringe und mittlere Einkommen hat die SPD in den Koalitionsverhandlungen einige Wahlkampfversprechen durchgesetzt. Umstritten sind allerdings die geplanten Verschärfungen der Migrations- und Sozialpolitik. 

Juso-Chef: „Unser Votum lautet Ablehnung“

Die Führung der Jusos will dem Vertragswerk deswegen nicht zustimmen. Der Jugendorganisation gehört etwa zwölf Prozent der Parteimitglieder an. „Unser Votum lautet Ablehnung“, sagte der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer RTL und ntv. „Für die Zustimmung der Jusos bräuchte es deutliche Nachbesserungen.“ Zu dieser Haltung sei der Bundesvorstand in enger Abstimmung mit den Landes- und Bezirksverbänden gekommen.

Der im Vertrag festgeschriebene Finanzierungsvorbehalt sei eine „tickende Zeitbombe“, monierte der Juso-Chef. „Für die Zustimmung der Jusos bräuchte es deutliche Nachbesserungen.“ Auch etliche Landesverbände der Jusos haben Kritik an den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag geübt und sich gegen eine Zustimmung ausgesprochen.

Vier Handlungsoptionen bei Nein der SPD

Sollte der Koalitionsvertrag am Votum der SPD scheitern, gibt es vier Handlungsoptionen, die aber alle schwer vorstellbar sind.

1. Es wird wie von den Jusos gefordert nachverhandelt: Die Bereitschaft, den Koalitionsvertrag noch einmal aufzuschnüren, dürfte bei CDU-Chef Friedrich Merz äußerst gering sein. Er hat selbst genug damit zu tun, seine eigene Partei von dem Ergebnis zu überzeugen. Viele in der Union glauben, der designierte Kanzler habe sich von der SPD über den Tisch ziehen lassen.

2. Die Union schmiedet ein Bündnis mit der AfD: Das wäre die einzige Koalition, die neben Schwarz-Rot eine Mehrheit hätte. Die Union hat eine Zusammenarbeit mit der Rechtsaußen-Partei aber bereits kategorisch ausgeschlossen.

3. Die Union regiert allein: Minderheitsregierungen, die mit wechselnden Mehrheiten arbeiten, gelten in Deutschland nur als Notlösung für Übergangsphasen, weil sie als instabil gelten. Das beste Beispiel ist die derzeitige rot-grüne Minderheitsregierung, die seit dem Bruch der Ampel-Koalition regiert.

4. Es wird neu gewählt: Das würde eine weitere Verlängerung der Hängepartie bedeuten, die es seit dem Bruch der Ampel-Koalition vor einem halben Jahr gibt – und das in einer äußerst unsicheren Weltlage. Die nur noch geschäftsführende Minderheitsregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) würde über Monate weiterregieren, ohne voll handlungsfähig zu sein. Und am Ende könnte ein Wahlergebnis stehen, das die Regierungsbildung noch komplizierter macht. Die AfD schnitt in der vergangenen Woche erstmals in einer Umfrage zur Bundestagswahl als stärkste Partei ab.

CDU stimmt bei kleinem Parteitag über Koalitionsvertrag ab

Bisher hat nur die CSU den Koalitionsvertrag mit einem Vorstandsbeschluss angenommen. Auch die Zustimmung der CDU fehlt noch. Die Partei von Merz entscheidet am 28. April auf einem Kleinen Parteitag. Die Kanzlerwahl im Bundestag und die Vereidigung des gesamten Kabinetts ist für den 6. Mai geplant. (dpa)