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Erstes InterviewEin wilder Trip durch Donald Trumps Wahnwelt – und eine Drohung an Biden

Lesezeit 5 Minuten
Hier interviewte Fox-Moderator Sean Hannity Donald Trump während des Wahlkampfs im September 2024. Das aktuelle Interview führte Hannity mit Trump im Oval Office. (Archivfoto).

Hier interviewte Fox-Moderator Sean Hannity Donald Trump während des Wahlkampfs im September 2024. Das aktuelle Interview führte Hannity mit Trump im Oval Office. (Archivfoto).

Beim ersten Interview als neuer US-Präsident kündigt Trump indirekt eine Verfolgung seines Vorgängers Joe Biden an.

Die Sendezeit ist schon fast vorbei, als Sean Hannity noch ein wichtiges Thema ansprechen will. „Ich möchte gerne über die Wirtschaft reden“, unterbricht der ansonsten unterwürfige Fox-News-Moderator vorsichtig den Präsidenten. „Ist mir egal“, kontert Donald Trump unwirsch: „Die Wirtschaft läuft gut. Das hier ist viel wichtiger.“

Ein wilder Trip durch die MAGA-Welt

Ein klassisches Interview mit kritischen Fragen war bei der einstündigen Begegnung im Oval Office von vorneherein nicht zu erwarten. Seit Jahren fungiert Hannity in seiner Abendsendung als aggressiver Trump-Propagandist. Doch am Mittwoch wirft er dem Präsidenten nicht einmal Wattebäusche zu. Stattdessen begeben sich beide auf einen wilden Bewusstseinsstrom durch die MAGA-Welt („Make America Great Again“), in der es keinen Zweifel daran gibt, dass Trump die Wahl 2020 gewonnen hat und Joe Biden mit dem Teufel unter einer Decke steckt.

Es ist eine Sendung für die Rechtgläubigen, die Abend für Abend wie Sektenangehörige nach der Botschaft des rechten Kanals dürsten. Nur stichwortartig eilt Trump denn auch durch seine größten Hits, die er bei jeder Kundgebung vorträgt: die Lage an der Grenze, die angebliche Invasion durch ausländische Kriminelle, die Frauen im Männersport und die Inflation. „Eine Menge Arbeit“ liege vor ihm, sagt der Präsident ohne weitere Details.

Was er empfunden habe, als er nach vier Jahren wieder im Oval Office stand, will Hannity anfangs wissen. „Noch größer“ fühle sich sein Erfolg an, antwortet Trump, um dann gleich ein längeres wahrheitswidriges Lamento darüber anzustimmen, dass er 2020 um den damaligen Wahlsieg betrogen worden sei. Dann geht es um den Katastrophenschutz. Mit der Arbeit der Bundesbehörde ist Trump unzufrieden. Die Bundesstaaten machten das viel besser: „Bei Tornados ist Oklahoma sehr kompetent“, lobt er, um unvermittelt fortzufahren: „Ich liebe Oklahoma. Da habe ich 77 von 77 Distrikten gewonnen.“

Trumps junge Wähler lieben Tiktok

Durch die ganz persönliche Brille sieht der Präsident auch die Debatte um die chinesische App Tiktok, die nach einem von den Republikanern forcierten Kongressbeschluss wegen der Gefahren für die amerikanische Sicherheit verboten werden soll. Trump hat den Betreibern erst einmal Aufschub gewährt und deutlich gemacht, dass er die App weiter laufen lassen will. Spionagegefahren? „Das kann man über alles sagen, was aus China kommt“, spielt er die Bedenken seiner eigenen Partei herunter. Im Übrigen hätten ihn die jungen Amerikaner gewählt – „vielleicht wegen Tiktok“.

Über die Waldbrände in Kalifornien kann sich Trump in Rage reden. Angeblich wüten sie, weil der demokratische Gouverneur Gavin Newsom das Löschwasser zurückhält, um eine vom Aussterben bedrohte Fischart zu schützen. Deswegen will der Präsident möglicherweise Bundeshilfen zurückhalten. Allzuviel Empathie mit den Opfern zeigt er nicht. Ihn stören vor allem die Katastrophenbilder, die nun seit Wochen aus den USA um die Welt gehen: „Wir sehen so schwach aus.“

Stark war hingegen aus Trumps Sicht der Einsatz seiner Anhänger am 6. Januar 2021. „Sie haben eine Menge Patriotismus gezeigt“, sagt er ernsthaft über die Menschen, die an diesem Tag das Kapitol stürmten. Ein ehrenwerter Protest sei das gewesen, „weil sie glaubten, dass die Wahl manipuliert war“. Unglaublich schlecht seien die Demonstranten dann von der Justiz behandelt worden, weshalb er die 1500 Teilnehmer alle begnadigt habe.

Die Nationalhymne vom „Gefangenenchor“

Da kommt selbst Hannity nicht umhin, einmal zaghaft nach der Gewalt zu fragen. Immerhin hatten hunderte Randalierer mit Chemikalien, Baseballschlägern und Elektroschockern die zahlenmäßig unterlegenen Polizisten brutal angegriffen und dabei 140 Beamte teils schwer verletzt. „Das waren sehr kleine Vorfälle“, wiegelt Trump ab: „Die werden aufgebauscht von den Lügnern, die bei CNN auftreten.“ Die ganze Aufregung sei ein Schwindel, was man auch daran sehen könne, dass die von einem „Gefangenenchor“ aus Kapitolstürmern gesungene Nationalhymne, die Trump bei seinen Kundgebungen regelmäßig spielt, so erfolgreich sei: „Die war die Nummer eins in den Hitlisten. Die Menschen verstehen das.“

Ein Wahlsieg wurde ihm gestohlen, der Protest dagegen übel diskreditiert, und schließlich eine Hexenjagd mit Amtsenthebungsverfahren und Strafverfahren gegen ihn entfacht, die er nur mit Gottes Hilfe überlebte: So etwa lässt sich die Wahnwelt des Präsidenten beschreiben. Der demokratische Senator Adam Schiff sei ein „ganz übler, kranker Verbrecher“, erregt sich Trump zwischendurch völlig unvermittelt: „Das war ein perfekter Anruf!“

Nur die älteren Zuschauer dürften begreifen, dass er sich plötzlich am ersten Impeachmentverfahren (Amtsenthebung) von 2019 wegen seines erpresserischen Telefonats mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj abarbeitet, in dem Schiff als Ankläger fungierte.

Das alles brodelt offenbar unaufhörlich in dem Narzissten. Doch nun soll die Geschichte umgeschrieben werden und die ultimative Vergeltung beginnen. Sein Vorgänger Joe Biden habe skandalös viele Begnadigungen ausgesprochen, sagt Trump irgendwann: „Es ist interessant, dass er sich nicht selbst begnadigt hat.“ Weil Hannity darauf zunächst nicht reagiert, sagt es Trump ein paar Minuten später noch einmal: „Er hat schlechte Berater gehabt“. Was er damit sagen wolle, fragt der Moderator: Ob der Kongress die angeblichen Machenschaften des Ex-Präsidenten untersuchen solle?

„Das muss der Kongress entscheiden“, antwortet Trump bewusst vage. Nun würde Hannity wirklich gerne über die Wirtschaft reden. Doch vorher muss er dann doch noch nachhaken: Ob die Justiz gegen Biden und führende Demokraten ermitteln solle? „Ich bin vier Jahre durch die Hölle gegangen“, antwortet Trump: „Da fällt es schwer zu sagen, dass die das nicht durchmachen sollen.“