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Interview

Erdbeben in Myanmar
„Über der ganzen Stadt hängt Leichengeruch“

Lesezeit 5 Minuten
Kinder gehen am 2. April 2025, fünf Tage nach einem schweren Erdbeben in Zentral-Myanmar, an einem eingestürzten Gebäude in Mandalay vorbei. Auch Tage nach einem Erdbeben der Stärke 7,7, bei dem mehr als 2.000 Menschen ums Leben kamen, schlafen viele Menschen in Myanmar noch immer im Freien, da sie entweder nicht in ihre zerstörten Häuser zurückkehren können oder Angst vor weiteren Nachbeben haben. Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)

Ein vom Erdbeben zum Einsturz gebrachtes Gebäude in der Millionenstadt Manadalay/Myanmar

Nach dem Erdbeben ist die Lage noch schlimmer, als offiziell dargestellt, sagt Ralf Thill, Landesdirektor von „Aktion gegen den Hunger“ in Myanmar.

Herr Thill, der Raum hinter Ihnen sieht im Video unversehrt aus. Wo befinden Sie sich?

Ralf Thill: Ich bin gerade in unserem Landesbüro in der ehemaligen Hauptstadt Rangoon. Das ist ungefähr 800 Kilometer vom Epizentrum des Erdbebens vom 28. März entfernt. Auch hier hat es am vorigen Freitag ganz schön gescheppert. Der Putz kam von den Wänden, Lampen fielen herunter. Aber das ist natürlich nichts im Vergleich zu dem, was die Menschen in Mandalay und Sagaing ertragen müssen.

Ralf Thill, Aktion gegen den Hunger

Ralf Thill, Aktion gegen den Hunger

Hat „Aktion gegen den Hunger“ Mitarbeitende vor Ort?

Wir haben ein Erkundungs-Team in die Erdbebenregion rübergeschickt. Wir sind seit 1994 in Myanmar vor Ort und haben rund 300 Mitarbeitende. In einigen Regionen des Landes unterhalten wir eigene Büros. Andernorts setzen wir auf lokale Partner. Sie müssen wissen: Myanmar hat 135 verschiedene Sprachen. Man kann im Land nicht einfach mal so fünf Kilometer weiterfahren und dann in der gleichen Sprache weiterreden wie vorher. Es ist sehr, sehr wichtig, die lokale Sprache zu sprechen, sich mit den lokalen Gegebenheiten auszukennen und das Vertrauen der Leute zu haben.

Es ist schwer zu sagen, wie genau die aktuell kommunizierten Zahlen sind.
Ralf Thill

Aus Myanmar erreichen uns unterschiedliche Angaben zu den Opfern und den Schäden. Wie stellt sich Ihnen die Lage dar?

Es ist sehr schwer zu sagen, wie genau die aktuell kommunizierten Zahlen sind. Ich habe vor ein paar Minuten ein offizielles Statement von einem Militär bekommen, das von jetzt gut 2000 Toten spricht und 3000 Verletzten. Wir befürchten, dass die Zahlen noch weitaus höher sein werden. Tausende Gebäude sind komplett eingestürzt: Wohnhäuser, Schulen, Krankenhäuser. Wir haben derzeit Temperaturen von knapp 40 Grad. Über der ganzen Stadt Mandalay mit ihren 1,6 Millionen Menschen hängt Leichengeruch. Es müssen noch sehr, sehr viele Tote unter den Trümmern liegen.

Die Junta lässt zum ersten Mal seit langem internationale Hilfe zu. Andererseits heißt es, die Angriffe der Armee auf die Rebellen gingen sozusagen im Windschatten der Katastrophe unvermindert weiter.

Lassen Sie mich das diplomatisch formulieren: Wir hoffen, dass die Kämpfe aufhören. Einige Akteure haben schon am Wochenende eine Waffenpause verkündet und die Kämpfe eingestellt.  Im Moment läuft eine Verhandlung zwischen dem Chef der UN-Mission hier in Myanmar und dem Innenminister genau zu dieser Frage. Klar ist, dass die Sicherheit für Helfer gewährleistet sein muss. Ich bin da derzeit verhalten optimistisch.

Eine Fahrt von sechs Stunden dauert jetzt gut und gern 15 Stunden. Alles, was länger dauert, kostet auch mehr.
Ralf Thill

Wie ist es um Straßenverbindungen und Telekommunikation bestellt?

Schlecht. Ich habe mit einem Team gesprochen, das wir zusätzlich ins Krisengebiet geschickt haben. Die müssen Nebenstraßen und Schotterpisten nehmen, weil die einzige Autobahn im Land nicht mehr passierbar ist. Eine Fahrt von sechs Stunden dauert so gut und gern 15 Stunden und mehr.

Rettungskräfte tragen eine Leiche aus den Trümmern des eingestürzten Gebäudes „Sky Villa Condominium Development“ in Mandalay.

Rettungskräfte tragen eine Leiche aus den Trümmern des eingestürzten Gebäudes „Sky Villa Condominium Development“ in Mandalay.

Das gilt natürlich auch für den Transport von Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten.  Alles, was länger dauert, kostet auch mehr. Das ist definitiv ein Problem momentan.  Aber wir hoffen, dass es gelingt, Hilfslieferungen direkt per Flugzeug in den Norden zu bekommen, aus Dubai oder Bangkok beispielsweise.

Was brauchen Sie am dringendsten?

Was fehlt, ist Frischwasser. Das Wichtigste sind deshalb Anlagen zur Wasseraufbereitung. Eigentlich bräuchte jedes Krankenhaus eine solche Anlage, die dann 2000 Liter pro Stunde filtern könnte. 30, 40, 50 Stück wären gut. Aber das sind riesige Apparate, dazu kommt der Treibstoff. Da sind wir zwingend auf Lufttransporte angewiesen. Der zweite Bereich ist die medizinische Versorgung. Viele Krankenhäuser sind bei dem Beben eingestürzt. Die wenigen, die noch funktionieren, sind komplett überlastet. Dazu fehlen Arzneimittel. Es gibt zwar noch einen lokalen Markt. Aber wenn wir den leerkaufen, treiben wir die Preise ins Unermessliche. Auch da hoffe ich sehr, dass die Luftbrücke von Bangkok nach Mandalay oder Naypyidaw zustande kommt.

Wir haben bisher keine US-Gelder für Myanmar.
Ralf Thill

Merken Sie eigentlich den Ausstieg der USA aus den internationalen Hilfsprogrammen?

Die Vereinigten Staaten sollen Dienstag Nacht gesagt haben, dass Hilfe für die Erdbebenopfer in Myanmar zur Verfügung gestellt und ein USAID-Nothilfeteam ins Land gebracht werde. Wir erhalten bisher keine US-Gelder für Myanmar.

Und wie werden die Folgen mittelfristig sein?

Gravierend – und das ist gar kein Ausdruck. Es gibt eine Mittelfristplanung aller Hilfsorganisationen mit den internationalen Geldgebern. Bei uns haben die US-Beiträge voriges Jahr einen Anteil von rund 30 Prozent unserer gesamten institutionellen Förderung gehabt. Die fehlen nun. Wir mussten 50 Projekte in 20 Ländern einstellen, mehr als 1,8 Millionen Menschen sind betroffen und können nicht mehr mit lebenswichtiger Hilfe versorgt werden. Wir haben viele Projekte in Flüchtlingslagern, während die Amerikaner die Menschen versorgt haben, die um diese Lager herum leben. Wenn die nun plötzlich nichts mehr bekommen – was meinen Sie, wie sie reagieren, wenn nur die Lager versorgt werden? Das gibt erstens Riesenspannungen und gefährdet zweitens die Sicherheit der Helfenden. Und das ist jetzt nur ein kleines Beispiel dafür, was nach dem Cut von US-Aid auf uns zukommen wird. Davon wird keiner ausgenommen sein, keine Region, kein Arbeitsbereich, kein Projekt.

Myanmar hat in der Relation die größte Spendenbereitschaft weltweit.
Ralf Thill

Sie sind schon sehr lange im Land. Nehmen Sie irgendwelche Anzeichen für Veränderungen zu Besseren?

In der der Region bin ich schon länger. Seit 2021 bin ich für „Aktion gegen den Hunger“ in Myanmar. Eines muss man den Birmesen generell zugutehalten: So viel sie auch durchgemacht haben, vom Zyklon Nargis 2008 über Dürreperioden und Überschwemmungen bis zur Corona-Pandemie und eben jetzt dem Erdbeben: Sie sind unglaublich solidarisch, unabhängig von Religionszugehörigkeit oder Ethnie. Es gibt Leute, die spenden über ihre Pfarrei, ihre Moscheegemeinde oder ihren buddhistischen Tempel von dem wenigen, was sie selbst haben, etwas für die Erdbebenopfer und finden Möglichkeiten, das Geld an die Leute vor Ort zu bringen, damit sie sich etwas kaufen können. Das ist ein unglaublich wichtiger Support. Man unterschätzt das, glaube ich, in Europa. Myanmar hat in der Relation die größte Spendenbereitschaft weltweit. Das meiste Geld, was hier verwendet wird, wird im Land zusammengetragen. Das macht mir momentan sehr viel Hoffnung.

Und politisch? Stehen da irgendwelche Zeichen auf Entspannung oder Lockerung? Jetzt müssen Sie wahrscheinlich wieder diplomatisch sein…

Das ist wirklich schwierig zu sagen. Wir können nur hoffen, dass die Situation besser wird. Wir sind schon sehr lange im Land und haben mit unserer Arbeit schon sehr viel erreicht. Insbesondere jetzt, wo das Erdbeben die Menschen in Myanmar so schwer getroffen hat, ist internationale Hilfe notwendig.


Zur Person

Ralf Thill, geb. 1970, ist seit November 2021 Landesdirektor von „Aktion gegen den Hunger” in Myanmar. Zuvor war er dort bereits für andere Organisationen tätig. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Thill in verschiedenen Regionen Afrikas, der Karibik, des Nahens Ostens und Asiens in der humanitären Hilfe.

Spenden für die Erdbebenopfer sind unter anderem hier möglich:

Aktion gegen den Hunger

Aktion Deutschland hilft

Bündnis Entwicklung hilft