77 Prozent der Deutschen fordern laut einer neuen Forsa-Umfrage sogar mehr Engagement der Bundesregierung. Ein Gastbeitrag von Helene Mutschler.
Kampf gegen den weltweiten HungerPopulisten diskreditieren die humanitäre Hilfe – mit dramatischen Folgen
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Lastwagen mit humanitärer Hilfe des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) fahren in den Gazastreifen ein.
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Die internationale Hilfe steht weltweit unter Druck. Die USA, der größte Geber für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, bauen ihre Unterstützung ab. Auch in Deutschland sind deutliche Kürzungen der Hilfsgelder geplant. Im Bundestagswahlkampf dominieren Themen wie Abschottung und Ausgrenzung. Populisten diskreditieren die humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, und das in einer Zeit mit einem Höchststand an humanitären Krisen. 733 Millionen Menschen weltweit leiden an Hunger, 148 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind chronisch unterernährt.
Umso bemerkenswerter sind die Ergebnisse einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der „Aktion gegen den Hunger“: 77 Prozent der Deutschen fordern von der Bundesregierung mehr Engagement im Kampf gegen den weltweiten Hunger. Diese Forderung wird nicht nur quer durch alle politischen Lager und Einkommensgruppen unterstützt. Ein genauerer Blick auf die Umfrageergebnisse zeigt, dass Menschen mit niedrigem Einkommen besonders auf eine verstärkte internationale Hilfe dringen: 85 Prozent aus dieser Einkommensgruppe finden es (sehr) wichtig, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzt, den weltweiten Hunger zu bekämpfen.
Starkes Zeichen für internationalen Zusammenhalt
Besonders frappierend: Gleichzeitig kann sich jeder Vierte von ihnen selbst nicht regelmäßig gute und gesunde Lebensmittel leisten. Menschen also, die selbst jeden Cent umdrehen und sich einschränken müssen, fordern mehr Hilfe für diejenigen, die noch weniger haben als sie und die hungern müssen. Das ist ein starkes Zeichen für internationalen Zusammenhalt gerade in Zeiten, in denen der gesellschaftliche Zusammenhalt bedroht ist, in denen sich Ungleichheit, Armut und Ausgrenzung weltweit und in Deutschland verschärfen und die Unterstützung für lebensrettende Arbeit in Krisen- und Konfliktgebieten der Welt zu schwinden scheint.
Die Stimmen derer, die manchmal sogar selbst an Ernährungsarmut leiden, sind deutlich. Sie fordern Verantwortungsbewusstsein und Solidarität – und einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung des weltweiten Hungers. Es ist nun an der Politik, die Forderungen der Menschen ernst zu nehmen und entschlossen zu handeln. Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stets zu seiner internationalen Verantwortung bekannt. Als bisher zweitgrößter bilateraler Geber für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit muss unser Land ein verlässlicher Partner bleiben.
Die Mittel für diese essenziellen Politikfelder dürfen in künftigen Haushaltsverhandlungen nicht zur Disposition gestellt oder als politische Verhandlungsmasse instrumentalisiert werden. Weder Menschenleben noch Menschenrechte dürfen Machtspielen zum Opfer fallen. Wir dürfen diejenigen nicht im Stich lassen, die durch Kriege, Konflikte und die Klimakrise unverschuldet in Not geraten sind und Hunger leiden. Gerade jetzt muss die zukünftige deutsche Regierung sogar eine noch stärkere Rolle übernehmen und zum Commitment für internationale Zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung stehen. Die alleinige Konzentration auf innenpolitische Themen verkennt die zunehmende Bedeutung globaler Herausforderungen wie Hunger, Flucht und Vertreibung, Konflikte und die Klimakrise.
Ignorieren wir Hunger, sind die menschlichen, sozialen und finanziellen Kosten dramatisch. Jedes Problem „da draußen“, das wir heute ausblenden und verdrängen, kommt morgen als teure Krise „nach drinnen“ zu uns zurück. Prävention ist effizienter, als Krisen zu verschleppen, Hungerbekämpfung ist kein Nullsummenspiel.
In einer Zeit zunehmend langanhaltender Krisen muss eine entschiedene Politik zudem mit Hilfe humanitärer Diplomatie zur Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung beitragen. Gemeinsam mit den europäischen und internationalen Partnern muss die neue Bundesregierung sich konsequent und unermüdlich dafür einsetzen, dass Hunger nicht als Kriegswaffe benutzt und das humanitäre Völkerrecht eingehalten wird. Die Ergebnisse der Forsa-Umfrage senden ein starkes Signal an die Politik. Jetzt müssen Taten folgen.
Zur Person
Helene Mutschler ist Geschäftsführerin der „Aktion gegen den Hunger“. Seit 2014 gibt es die deutsche Sektion der 1979 von französischen Intellektuellen als Reaktion auf die Not in Afghanistan gegründeten Hilfsorganisation