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Kommentar

Eskalation in Twitter-Logik
Das Vorgehen gegen die Kölner Lehrerin Bahar Aslan ist überzogen

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Lesezeit 2 Minuten
Bahar Aslan kritisiert Rassismus in den Reihen der Polizei.

Bahar Aslan kritisiert Rassismus in den Reihen der Polizei.

Aslan als Lehrerin und Dozentin loswerden zu wollen, stellt die Verhältnisse auf den Kopf und bedient Korpsgeist-Fantasien.

Auf Twitter werden keine Preise für filigrane Argumentation und fein ziselierte Sätze gewonnen. Würde jede Person des öffentlichen Lebens, die im Kurznachrichtendienst schon mal „einen rausgehauen“ hat, ihren Posten verlieren, stünden eine Menge Büros leer.

Schon deshalb ist es überzogen, die Lehrerin und Dozentin Bahar Aslan nicht mehr an der NRW-Polizeihochschule zu beschäftigen und beamtenrechtliche Konsequenzen zu prüfen, weil sie über „braunen Dreck“ in den Sicherheitsbehörden und ihrer Angst schreibt, als Frau mit Migrationshintergrund in eine Polizeikontrolle zu geraten.

Nicht nur dieses Gefühl und die ihm zugrunde liegenden Erfahrungen sind Realität, sondern auch das Problem, das Aslan, mit der sich jetzt viele Menschen als Unterzeichner eines Offenen Briefs solidarisieren, benennt. In drastischer Sprache, zugegeben. Aber sind nicht die unbestrittenen, von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) höchstpersönlich namhaft gemachten extremistischen Tendenzen im Polizei-Apparat das eigentlich Empörende?

Aslan als Lehrerin loswerden zu wollen, stellt die Verhältnisse auf den Kopf, bedient Korpsgeist-Fantasien und ist für den Polizeinachwuchs die denkbar falsche Lehre. Aslan betont jetzt, ihr Tweet habe sich nicht gegen alle Polizisten pauschal gerichtet, ihre Wortwahl nennt sie „vielleicht unglücklich“. Das vielleicht kann sie streichen.

Als Lehrerin ist sie nie nur Privatperson. Sie fungiert gerade in ihrer Kommunikation als Vorbild und sollte deshalb jene Sprachspiele nicht auch noch bedienen, die das Miteinander vergiften und die Gräben vertiefen.

In der analogen Welt würden sich Hochschulleitung und Aslan jetzt an einen Tisch setzen und – bei allen Differenzen – ein Übereinkommen suchen. Stattdessen gehorcht die Eskalation des Konflikts mit Aslans Sanktionierung selbst der Twitter-Logik: knallig, krawallig, effekthascherisch. Das sollte so nicht stehenbleiben.