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Europawahl 2024Angriffslust und wenig Gemäßigtes – So zieht die AfD in den Wahlkampf

Lesezeit 4 Minuten
Der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah umarmt eine Anhängerin auf dem Europaparteitag in Magdeburg. Er wird als Spitzenkandidat in den Wahlkamp 2024 ziehen.

Der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah auf dem Europaparteitag in Magdeburg. Er wird als Spitzenkandidat in den Wahlkamp 2024 ziehen.

Die AfD hat in Magdeburg hat die Spitzenkandidaten für die Europawahl 2024 gekürt. Sie sind russlandnah, chinafreundlich und EU-feindlich.

Maximilian Krah teilt aus. Gegen alle, die eine „gemäßigtere“ AfD wollen, gegen seine parteiinternen Widersacher, denen er eine Schmutzkampagne vorwirft, gegen die Grünen, gegen Gender- und Klimapolitik und – natürlich – gegen die EU. „Wir wollen ganz Deutschland zu einem großen Sonneberg machen“, ruft er. Und sagt: „Wir sind ein Volk, weil wenn wir uns unsere Familienalben zeigen, dann erkennen wir, dass schon unsere Großväter und unsere Urgroßväter ein Volk waren.“

Dann lobt Krah noch die Worte des Vorsitzenden der bulgarischen Rechtsaußenpartei Vazrazhdane, der am Vortag ein Grußwort auf dem AfD-Parteitag in Magdeburg gehalten hatte. „Es ist höchste Zeit, dass Ihr Land seinen rechtmäßigen Platz als Großmacht einnimmt, und das nicht nur in Europa“, hatte der gesagt und lobend erwähnt, dass Deutschland und Bulgarien Verbündete in beiden Weltkriegen waren.

Ein bisschen Angriff, ein bisschen Balsam für die völkische Seele. Das Konzept geht auf. Krah wird mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt und wird die Partei als Spitzenkandidat in die Europawahl 2024 führen.

Abgeordnete hinter Aufstellwänden auf ihren Tischen stimmen in Magdeburg über Kandidaten und Kandidatinnen der AfD ab.

Abgeordnete während eines Wahlgangs in Magdeburg.

Einen aussichtsreichen Gegenkandidaten hat er allerdings auch nicht zu fürchten. Lediglich der Bezirksverordnete Andreas Otti aus Berlin Spandau tritt gegen Krah an und muss sich bei seiner Vorstellung aus dem Publikum fragen lassen, wer er denn eigentlich sei.

Als ausgemacht galt Krahs Erfolg zuvor aber nicht. Seine Spitzenkandidatur könnte noch zu einer schweren Hypothek für die Partei werden. Krahs Mitgliedschaft in der rechten ID-Fraktion im Europaparlament ist zurzeit noch suspendiert. Gegen ihn steht ein Korruptionsverdacht im Raum. Der Vorwurf: Krah habe die Vergabe eines PR-Auftrags der Fraktion manipuliert. Krah weist alle Vorwürfe zurück und gibt sich sicher, juristisch nichts zu befürchten zu haben. Daneben steht auch Krahs auffällige Nähe zu China in der Kritik.

Stehende Ovationen für den Kandidaten – „Nein-Stimmen-Kampagne“ ohne Erfolg

Einer seiner Widersacher, der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter, hatte am Freitag noch ein letztes Störfeuer gegen Krah gezündet. In einem fünfseitigen Papier, das er auf seiner Website veröffentlichte und an Journalisten verschickte, beschreibt Kleinwächter Krah als rechtsstaatsfeindlichen, antiwestlichen und prochinesischen Antidemokraten. „Ich jedenfalls will den Praxistest seiner Ansichten in Deutschland niemals erleben müssen“, endet der Text, der sich auf Passagen aus Krahs Buch „Politik von rechts“ bezieht, das kürzlich im rechtsextremen Antaios-Verlag erschien.

Genützt hat es nichts. Ebenso wenig, wie eine „Nein-Stimmen-Kampagne“ gegen Krah, die seine Gegner initiiert hatten. Krah erhält Standing Ovations, die zwei Fragen, die ausgeloste Parteitags-Delegierte ihm nach seiner Rede stellen, sind Gefälligkeitsfragen. Mit dem Wahlergebnis zeigt Krah sich zufrieden.

Wie sich die AfD für Europa aufstellt, zeigt auch der Kandidat, der kurz darauf ohne Gegenkandidatur auf Listenplatz zwei gewählt wird: Petr Bystron. Der Bundestagsabgeordnete steht für eine Politik gegen „den Westen“, für größtmögliche Nähe zu Putins Russland. Gegenpositionen zu dieser politischen Linie gibt es in der AfD kaum noch.

Björn Höcke setzt sich mit Kandidatenvorschlag durch – Weidel-Kritikerin scheitert

Bei der Abstimmung über den dritten Listenplatz kommt es dann nicht nur zur ersten Kampfabstimmung, sondern auch zur offenen Austragung eines innerparteilichen Machtkampfes. Der rechtsextreme Thüringer AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Björn Höcke tritt an eines von zwei Saalmikrofonen, um seinen Fraktionskollegen René Aust vorzuschlagen. Am zweiten Mikrofon steht Jörg Urban bereit – Partei und Fraktionschef in Sachsen – um einen Gegenvorschlag zu unterbreiten: Die Baden-Württembergerin und Alice-Weidel-Feindin Martina Böswald.

Der innerparteiliche Machtkampf, den die AfD Jahre lang öffentlich ausgetragen hat, spaltete die Partei in Befürworter eines „gemäßigteren“ Kurses und die Vertreter des offiziell aufgelösten rechtsextremen Flügels. Die vermeintlich Gemäßigten spielen in der AfD von heute keine Rolle mehr. Jetzt streiten sich die äußerst Rechten untereinander weniger öffentlich um die Macht.

Gegendemonstration vor dem Parteitag der AfD in Magdeburg.

Gegendemonstration vor dem Parteitag der AfD in Magdeburg.

Zumindest aus dieser Abstimmung geht Höcke als Sieger hervor. Der 36-jährige Thüringer René Aust gewinnt mit fast 68 Prozent der Stimmen.

Vor dem Messegelände demonstrieren unterdessen laut Polizeiangaben mindestens 2000 Menschen gegen die Rechtsaußenpartei. Auch ein Leichtflugzeug mit einem Banner gegen die Partei kreist am Freitag und Samstag über Magdeburg. „Scheiß AfD“ steht darauf geschrieben.

Insgesamt will die AfD bei ihrer Wahlversammlung, die am kommenden Wochenende fortgesetzt wird, mindestens 30 Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen und zudem noch ein aktuelles Wahlprogramm beschließen. Das könnte jedoch knapp werden: In der Partei gibt es die Befürchtung, in der anberaumten Zeit nicht alles zu schaffen. Seit der Wahl des vierten Listenplatzes am Samstagnachmittag geht es nur noch schleppend voran. Die Partei hatte sich im Vorfeld nicht auf eine Konsens- oder Länderliste einigen können. Mehrere Wahlgänge gehen ohne Mehrheit für einen Kandidaten aus und müssen wiederholt werden.

Teilweise stimmen viele der Delegierten einfach mit „nein“, anstatt einen der Kandidaten zu wählen. Im für die AfD schlechtesten Fall hätte sie am Ende nicht genug Kandidaten aufgestellt, um nach der Europawahl alle ihr zustehenden Plätze im EU-Parlament zu besetzen. Ein Wahlprogramm könnte die Partei notfalls auch noch auf einem neu anberaumten zusätzlichen Parteitag beschließen.