Exklusive Karte zu StandortenWie es um die Bundeswehr in NRW steht
Köln – Deutschland will schwere Waffen an die Ukraine liefern. Dabei handelt es sich um den Flugabwehrpanzer Gepard, der Schützenpanzer Marder steht auf der Wunschliste des ukrainischen Militärs. Beide Systeme waren früher auch in NRW beheimatet. Das Bundesland war einst gut aufgestellt, um den Auftrag zu erfüllen, das Land im Ernstfall vor einem Angriff zu schützen und zu verteidigen. Inzwischen ist die Truppe massiv zusammengeschrumpft. Das geht aus einer bislang unveröffentlichten Karte des Landeskommandos NRW in Düsseldorf hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ exklusiv vorliegt. Könnten die verbliebenen Einheiten dabei helfen, die ukrainische Armee indirekt zu unterstützen, falls das irgendwann zur Disposition stehen sollte?
Die Karte des Landeskommandos NRW zeigt insgesamt 24 Standorte, hier abgebildet ist der rheinländische Teil. Während es bis in die 90er Jahre fast in jeder größeren Stadt eine Kaserne gab, werden heute nur noch wenige Kasernen betrieben.
Die Abwehrbereitschaft der Bundeswehr ist im Vergleich zu den 1980er Jahren auf ein Zehntel zusammengeschrumpft. In NRW sind gerade mal noch 20.000 Soldaten im Einsatz. Die meisten davon sind in Führungsstäben aktiv. Das sind Organisationen, die zum Beispiel multinationale Einsätze koordinieren, aber nicht über eigene Kompanien verfügen. „Dazu zählt zum Beispiel das deutsch-niederländische Korps in Münster“, sagt Helmut Michelis, Oberst der Reserve und ehemaliger Fallschirmjäger.
44 einsatzbereite Kampfpanzer in Augustdorf
Klassische Kampfeinheiten, die über Panzer und Flugzeuge verfügen, sind in NRW nach dem Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung fast vollständig von der Landkarte verschwunden. So wurde die schlagkräftige 7. Division in Düsseldorf, die 1983 noch 18.000 Soldaten befehligte, ersatzlos aufgelöst. Lediglich im ostwestfälischen Augustdorf ist mit Panzerbrigade 21 „Lipperland“ ein nennenswerter Heeres-Kampfverband verblieben, in dem bis zu 5500 Soldaten ihren Dienst verrichten.
„Dort soll es noch 44 einsatzbereite Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 geben“, sagt Michelis. Die Panzergrenadiere in Augustdorf verfügten früher auch über den Schützenpanzer Marder. Mittlerweile wurden die Marder aber durch den hochmodernen Puma ersetzt, der pro Stück 17 Millionen Euro kosten soll.
Der Marder ist ein Panzer, der für eine konventionelle Kriegsführung konzipiert wurde. In dem Fahrzeug sollen bis zu sechs Panzergrenadiere gesichert an die Frontlinie gebracht werden, wo sie den Panzer über eine Heckklappe verlassen. Das Turmgeschütz ist in der Lage, andere Panzer fahruntüchtig zu schießen. Die Panzerung kann aber nicht durchbrochen werden. „Für einen Häuserkampf ist der Marder trotz seines Alters immer noch gut geeignet“, sagt Michelis. „Allerdings findet in NRW keine Ausbildung mehr statt. Von daher sind unsere Einheiten bei Einweisungen oder Schulungen keine große Hilfe.“
Eurofighter-Geschwader in Nörvenich
Die andere verbliebene Kampfeinheit ist das taktische Luftwaffengeschwader „Boelcke“ in Nörvenich. Dort waren früher Tornado-Bomber stationiert, die auch Atomwaffen aus dem Bestand der Alliierten hätten transportieren können. Mittlerweile ist das Geschwader auf Eurofighter umgestellt. Das sind Abfangjäger, die feindliche Bomberverbände über dem eigenen Luftraum stoppen können. „Die Ausbildung zum Eurofighter-Piloten ist anspruchsvoll und zeitaufwendig“, sagt Bundeswehr-Experte Michelis. Deshalb dürfte der Jäger in den Überlegungen der Ukraine keine Rolle spielen“.
Die ukrainische Armee hat vielmehr Gepard-Panzer angefordert, mit denen russische Hubschrauber und Kampfflugzeuge abgeschossen werden sollen. Früher verfügte die Bundeswehr über 420 Fahrzeuge, aber das Waffensystem wurde in Deutschland 2010 ausgemustert.
Teurer Roland wurde stillgelegt
Große Teile wurden damals nach Saudi-Arabien, die Vereinigten Emirate, Bahrain und an Nato-Partner Rumänien verkauft, heißt es in Bundeswehrkreisen: „In Rumänien sollen noch hunderttausende Schuss vorhanden sein. Vielleicht kann es einen Ringtausch geben.“
Denn: In den Depots der Bundeswehr sind auch noch Flugabwehrpanzer vom Typ Roland eingelagert. Der Roland bekämpft anfliegende Objekte durch Raketen, die ihr Ziel selber finden. Das macht die Waffe zwar viel präziser, aber durch den extrem hohen technischen Standard ist jede eingesetzte Rakete auch um ein Vielfaches teurer als die Bewaffnung des im Vergleich simplen Gepard.
Deswegen hat die Bundeswehr auch die Roland-Panzer stillgelegt, die früher in Wuppertal stationiert waren. „Seitdem verfügt Deutschland über keine einsatzbereite Heeresflugabwehr. Das ist genau die Waffengattung, die bei einem Angriff am dringendsten benötigt wird, um vor Terror aus der Luft zu schützen“, erklärt Oberst a.D. Michelis.
Amphibienfahrzeuge können Behelfsbrücken bauen
Auch der Aufbau und die Wiederherstellung von Infrastruktur können für den Verlauf eines Krieges entscheidend sein. In Minden ist das Deutsch-Britische Pionierbrückenbataillon 130 stationiert, das über Amphibienfahrzeuge verfügt. Diese können Behelfsbrücken über Flüsse aufbauen. Da es sich um eine binationale Einheit handelt, müssten auch die Briten zustimmen, wenn Material angefordert werden sollte. Bislang steht dieses Gerät aber offenbar nicht auf der Anforderungsliste der Ukrainer.
Das ABC-Abwehrbataillon 7 in Höxter übt die Abwehr von Angriffen mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen. Man kann nur hoffen, dass die Expertise dieser Einheit zu keinem Zeitpunkt in dem Ukraine-Konflikt benötigt wird. Die persönlichen Schutzausrüstungen sind allerdings auch in anderen Armeen in großen Mengen vorhanden. Deswegen dürfte Höxter in den Überlegungen der Nachschub-Logistiker keine Rolle spielen. Das gilt auch für eine potenzielle Material-Unterstützung durch das Sanitätsregiment 4 Gronau-Rheine.
Stille Reserven werden geheim gehalten
Bislang ist offenbar noch ungeklärt, wie die beschlossene Lieferung von schwerem Kriegsgerät aus Deutschland an die Ukraine genau vollzogen werden soll. Auf der Standort-Karte nicht aufgeführt sind Depots der Bundeswehr, die unter anderem im Kreis Kleve unterhalten werden. Dort könnten möglicherweise auch noch Schützenpanzer vom Typ Marder eingelagert sein. Die Bundeswehr hält Details über diese stillen Reserven nachvollziehbarer Weise geheim.
Das könnte Sie auch interessieren:
Klar ist aber: Sollte irgendwann schweres Gerät, zum Beispiel aus Alt-Beständen am Niederrhein, Richtung Ukraine gebracht werden, so wären diese Transporte nur schwer zu verheimlichen. „Die Panzer müssten auf Zügen transportiert werden, die natürlich auf Satellitenbildern oder durch Drohnen leicht zu orten wären“, sagt Sicherheitsexperte Michelis. „Russland hat bereits angekündigt, Waffentransporte aus Nato-Staaten ins Visier zu nehmen.“ Außerdem seien viele Bahnstrecken in der Ukraine, auf denen der Weitertransport erfolgen könnte, offenbar bereits zerstört worden.
Ob die von der Bundesregierung angekündigte Unterstützung also überhaupt unbeschadet am Zielort ankommt, sei ungewiss, sagt Helmut Michelis. Das Fazit seiner Analyse lautet: „Die Bundeswehr ist selbst sehr schlecht ausgestattet. Es ist schwer vorstellbar, dass Einheiten aus NRW der Ukraine durch Ausbildung oder Material helfen könnten.“