Putins „Propagandashow“Bewaffnete Hausbesuche und wählende Kinder bei Fake-Referenden
Ostukraine/Moskau – Der Kreml geht bei den Scheinreferenden, die am Freitag in besetzten Gebieten in der Ostukraine gestartet sind, von einem Ja für einen Beitritt zu Russland aus und hat eine rasche Annexion der Gebiete angekündigt. Unterdessen belegen erste Berichte, dass es sich bei den Scheinreferenden nicht um freie Abstimmungen handelt.
Ungeachtet dessen erklärte Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge am Freitag, das Verfahren für eine Aufnahme der Regionen könne schnell gehen. Zugleich betonte er, dass dann Versuche der Ukraine, sich die Gebiete zurückzuholen, als ein Angriff auf die Russische Föderation gewertet würden. Kremlchef Wladimir Putin hatte bereits erklärt, die Gebiete mit allen Mitteln zu verteidigen.
Scheinreferenden werden in Ukraine und Westen nicht anerkannt
Die vom Westen und der Ukraine nicht anerkannten Scheinabstimmungen sind am Morgen in den von russischen Truppen besetzten Teilen der Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson angelaufen – begleitet von einer „Propagandashow“, wie das Vorgehen in Kiew genannt wird, zu der sich auch die Aussagen Peskows zählen lassen. Die Menschen in den von Russland besetzten Gebieten haben laut russischen Angaben bis Dienstag Zeit, über die Frage zu entscheiden, ob sie für oder gegen einen Beitritt zur Russischen Föderation sind.
Weder die Ukraine noch die internationale Gemeinschaft erkennen diese Abstimmung unter der Besatzungsmacht Russland und bewaffneten Truppen an. Es handelt sich um Scheinreferenden, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen. Auch eine freie Arbeit internationaler, unabhängiger Beobachter ist nicht möglich.
Prorussische Separatisten machen Hausbesuche: „Wenn eine Person die Tür nicht öffnet, drohen sie damit, einzubrechen“
Erste Berichte aus den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten bestätigen am Freitag unterdessen, dass es sich bei den Fake-Referenden keineswegs um freie, faire Abstimmungen handelt.
So würden Russen im Gebiet Lugansk in Begleitung bewaffneter Männer an den Häusern der Bewohner und Bewohnerinnen auftauchen und die Menschen zwingen, ihre Stimme abzugeben, berichtet der Gouverneur der Region gegenüber „The Kyiv Independent“ am Freitag. „Wenn eine Person die Tür nicht öffnet, drohen sie damit, einzubrechen“, wird Serhii Haidai von der ukrainischen Zeitung zitiert.
„Es ist eine Art Referendum unter den Mündungen von Maschinengewehren“
Zuvor hatte bereits der ukrainische Inlandsgeheimdienst (SBU) gewarnt, dass die prorussischen Separatisten bewaffnete Gruppen bilden würden, um Menschen zur Teilnahme an den Fake-Abstimmungen zu zwingen. „Es ist eine Art Referendum unter den Mündungen von Maschinengewehren“, zitierte das ukrainische Nachrichtenportal „TSN“ zudem einen Abgeordneten aus der Region Cherson. „Stellen Sie sich vor, eine Person kommt mit einem Soldaten zu Ihnen und fragt: ja oder nein? Wenn Sie Nein sagen, werden Sie verhaftet und in den Keller verschleppt.“
Nach Angaben des SBU werden sogar Kinder im Alter von 13 bis 17 Jahren dazu aufgefordert, die Wahlzettel auszufüllen – so soll die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen erhöht werden, vermutet der ukrainische Inlandsgeheimdienst. Zudem finden viele der Scheinabstimmungen offenbar in Wohnhäusern statt – eine geheime Stimmabgabe sei keinesfalls gewährleistet, auch Privatsphäre gebe es keine.
Kiew: „Propagandashow für die Teilmobilisierung“
Die ukrainische Regierung stellte unterdessen am Freitag erneut klar, dass sie die Fake-Referenden nicht akzeptieren werde. Präsidenten-Berater Mychajlo Podoljak nannte die Scheinreferenden eine „Propagandashow für die Teilmobilisierung“ in Russland. Zuvor hatte die Regierung in Kiew bereits verdeutlicht, dass die Scheinreferenden nichts an der Situation verändern würden und Verhandlungen für den Fall ausgeschlossen, dass Russland die Fake-Abstimmungen tatsächlich abhalte.
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Zugleich machte Kremlsprecher Peskow deutlich, dass es derzeit keine Grundlage gebe für Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew. Präsident Wladimir Putin habe erklärt, dass die ukrainische Regierung aus den Gesprächen ausgestiegen sei und entschieden habe, den Konflikt auf dem „Schlachtfeld“ zu entscheiden. Putin habe darauf reagiert, meinte Peskow.
Der Kremlchef hatte wegen Rückschlägen bei seinem Angriffskrieg gegen das Land in dieser Woche eine Teilmobilmachung angeordnet, um mehr Personal für die Kämpfe zur Verfügung zu haben.