Berlin – Es lässt sich trefflich streiten, ob hinter Wladimir Putins Teilmobilisierung reine Verzweiflung, ein Bluff oder gezielte Eskalation steckt. Fakt ist, dass Russlands Präsident noch nicht nach einen gesichtswahrenden Ausstieg aus dem Krieg sucht, der neben der Ukraine längst auch seinem Land und dem Rest Europas schadet.
Auch für Deutschland sind das schlechte Nachrichten. Denn mit Beginn der kalten Jahreszeit wächst der Druck: Ist Deutschland bereit für die Dreifachkrise aus Energieknappheit, Inflation und womöglich Corona-Comeback? Teilt die Bevölkerung die Sicht, dass in der Ukraine die Freiheit Europas verteidigt wird - und wir deshalb zu Opfern bereit sind?
Was bedeutet die Teilmobilmachung für Deutschland?
Daran sind Zweifel angebracht. Zu auffällig sind inzwischen die Widersprüche im Umgang mit den Kriegsfolgen, zu politisch ist die Begründung dafür, warum russisches Erdgas aus der Nord-Stream-1-Pipeline uns zusteht, wir es aus Nord Stream 2 aber boykottieren. Zu ungerecht wirkt, dass die Mineralölkonzerne an der Krise Milliarden verdienen, während man selbst frösteln soll. Und zu zynisch hat es viele Deutsche gemacht, dass bei westlichen Kriegen das Völkerrecht bisweilen gebogen wurde.
Das macht Putins Angriffskrieg kein bisschen entschuldbar, im Gegenteil. Aber in der Summe führt all das dazu, dass die Menschen sich nicht mit simplen Gut-Böse-Schubladen abspeisen lassen. Gefragt ist nicht Pathos, sondern Ehrlichkeit.So hatte die Bundesregierung nach Kriegsbeginn betont, die Sanktionen gegen Russland dürften Deutschland nicht stärker schmerzen als sie Putin schaden. Sicher: Putin hat sein Land schon jetzt dauerhaft geschwächt.
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Aber man muss auch zugeben, dass das Hauptziel der Sanktionen verfehlt wird: Russlands Kriegskasse auszutrocknen. Denn so geschlossen, wie die EU und Deutschland es wirken lassen, steht die Weltgemeinschaft leider nicht gegen Russland. Putin hat ausreichend Geschäftspartner und Einnahmequellen.Schon fragt sich mancher: Wirken die Sanktionen überhaupt? Ist die Verteilung der Schmerzen zwischen Putin und den Deutschen im rechten Maß? Und falls ja: Sehen das auch die Deutschen so?
Die Bundesregierung sollte unangenehmen Fragen nicht ausweichen, sondern sie offensiv anzusprechen - und erklären, wie wir damit umgehen. Weiß sie das noch nicht, ist das angesichts dieser Krise keine Schande - erfordert aber umso mehr eine offene Debatte.
Deutsche müssen zum Energiesparen bewegt werden.
Wenig hilft es, anstelle von Ehrlichkeit den Appell an einen Freiheits-Patriotismus zu setzen. Denn wie die eigenen Entbehrungen den Ukrainern helfen und warum hohe Lebensmittelpreise nichts mit Russlandsanktionen zu tun haben, will man dann doch schon verstehen.
Wahrscheinlich hilft das mehr dabei, die Deutschen zum notwendigen Energiesparen zu bewegen, als der aktuelle Versuch, das Problem allein mit Geld zu lösen. Ohne Frage brauchen Bedürftige staatliche Hilfe, wahrscheinlich mehr als bisher. Besserverdiener muss man aber nicht davon abhalten, sorgsam mit Strom und Gas umzugehen.
Freilich setzt das einen konstruktiven Umgang mit der Krise voraus. Wer aus Trotz extra lange und extra heiß duscht, schadet nicht Robert Habeck, sondern der eigenen Geldbörse und der Gemeinschaft. Und eine Opposition, die nur brüllt, welche Zumutung zu viel ist, versteht ihren Auftrag falsch. Das gilt auch für die CDU/CSU, die als Regierungspartei bis vor kurzem viele Weichen in etliche der heutigen Sackgassen stellte.
Das heißt nicht, dass Protest unangebracht ist. Im Gegenteil: Ungerechtigkeit muss angeprangert; was falsch läuft, kritisiert werden. Aber das Bessere ist der Feind der Notlösung. Die Bundesregierung muss zu dieser Debatte bereit sein, und alle anderen müssen sich einbringen. (RND)