Gefährdete InsektenDie dramatischen Folgen des Schmetterling-Sterbens
- Das massenhafte Insektensterben bringt eine Veränderung des Ökosystems.
- Schmetterlinge leiden vor allem unter den Insektiziden aus der Landwirtschaft.
- Wie dramatisch die Folgen des Insektensterbens werden, erklärt Sarah Bölke vom Naturschutzbund Nabu.
Köln – Die erste Frage ist: Wohin mit den Eiern? Das Ochsenaugenweibchen sucht dazu beispielsweise Gräser einer mageren Wiese, findet aber nur gestutzte Grashalme in Vorgärten. Bis die Raupen in ein paar Wochen aus den Eiern geschlüpft sind, ist der Rasen längst wieder gemäht. Die Fortpflanzung ist gescheitert. Aber selbst wenn die Raupe sich gut entwickelt und ihre Metamorphose zum Schmetterling antritt, hat dieser in NRW keine idealen Lebensbedingungen.
„Schmetterlinge leiden unter Insektiziden aus der Landwirtschaft, aber auch unter der Überdüngung der Vegetation“, sagt Sarah Bölke vom Naturschutzbund Nabu, der mit dem landesweiten Projekt „Zeit der Schmetterlinge“ auf den dramatischen Artenschwund hinweisen will. Vier Wochen lang sollen Naturfreunde Schmetterlinge zählen und damit dazu beitragen, neue Erkenntnisse über die Entwicklung des Tagfalterbestandes zu gewinnen. Die Naturschützer wollen damit vor einem „dramatischen Artenschwund“ bei Schmetterlingen warnen.
Was Schmetterlinge Mögen – Und was nicht
Dass Schmetterlinge – wie andere Insekten auch – an Insektiziden sterben, versteht sich von selbst. Im eigenen Garten sollte man darauf deshalb möglichst verzichten.
Steingärten sind für Schmetterlinge natürlich totes Land. Aber auch der gepflegte Garten mit gestutztem Rasen ist nicht mehr als eine grüne Wüste. Selbst viele Blüten machen noch keinen Schmetterling glücklich. Zierkirschen sowie gefüllte Rosen oder Nelken, aber auch die meisten exotischen Pflanzen bieten keinen leicht zugänglichen Nektar für die Schmetterlinge.
Wer viele bunte Falter locken will, sollte Kräuter anpflanzen. Der blühende Oregano ist für Schmetterlinge ein Nektarfest, aber auch das Weidenkätzchen, Gabiosen, Flockenblumen, Schlehen, Obstbäume, Efeu, Kartäusernelken, Taubenskabiosen, Tüpfeljohanniskraut, Wilder Majoran und Fetthennen bieten den Tieren ausreichend Nahrung.
Derlei Wildpflanzen gedeihen nur auf nährstoffarmem Boden. Dazu sollte eine eventuell vorhandene Grasnarbe teilweise abgetragen und die Erde mit Sand umgegraben werden. Auf Torf besser verzichten.
Aber nicht nur der Nabu schlägt Alarm. Auch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) hat gerade mit der Universität Osnabrück ein Forschungsvorhaben gestartet, um die Anzahl der Insekten in NRW dauerhaft zu erfassen und Maßnahmen zu ihrem Schutz zu entwickeln. Klar ist schon: Von den 1700 Schmetterlingsarten in NRW gelten 55 Prozent laut Roter Liste als gefährdet. Das hat weitreichende Folgen, auf die auch Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) auf Anfrage dieser Zeitung hinweist: „Weniger Wildbienen und Schmetterlinge bedeuten weniger Obsternten, weniger Blütenpflanzen, weniger Singvögel und damit weniger Vielfalt insgesamt. Diese Negativkette müssen wir gemeinsam durchbrechen, das liegt in unserem ureigenen Interesse.“
Dass es Schmetterlinge in unserem Landstrich schwer haben, ist keine ganz neue Entwicklung, der Anteil gefährdeter Schmetterlingsarten hat im Vergleich zur Roten Liste von 1999 leicht zugenommen. Die kargen Zeiten für die Falter starteten nach Aussage von Karl-Heinz Jelinek, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen (Schmetterlingskundler), schon in den 1960er Jahren. „Durch Flurbereinigung und Düngung führen wir dem Boden seither mehr Stickstoff zu als wir durch die Ernte wieder entfernen“, sagt Jelinek. Zu viel Stickstoff wirkt zwar als Wachstumsbooster auf die Pflanzen, die Schmetterlinge hingegen haben das Nachsehen. Auf den prallen Blättern fänden sich vereinfacht gesagt zu wenig Schwachstellen, und nur diese böten den Weibchen die Chance der parasitären Eiablage. „Aus Sicht der Pflanzen ist die Raupe ein Parasit. Ist die Pflanze in Saft und Kraft, wehrt sie sich gegen den Schädling“, erklärt Jelinek. Außerdem mögen Schmetterlinge es sonnig und trocken.
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Starker Einsatz von Dünger führe aber zu dicht verbuschter und vergraster Landschaft und dunklen Wäldern. Und dort ist es vielen Schmetterlingsarten laut Jelinek oft schlicht „zu kalt und zu nass“. Wenig einladend für Schmetterlinge sind auch die intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen des Landes. Lanuv-Präsident Thomas Delschen bezeichnet sie gar als „unsere Sorgenkinder“, da Insekten auf Monokulturflächen im überwiegenden Teil des Jahres gar keine Nahrung finden und gerade dort die Artenvielfalt deshalb weiter abnehme. Ursula Heinen-Esser fordert als Ausgleich„mehr Blühstreifen auf den Feldern“.
Der Schutz von Schmetterlingen erscheint nicht nur deshalb wichtig, weil die Tiere eine wichtige Funktion als Bestäuber der Pflanzen ausüben. Auch in der Nahrungskette mache sich ein Rückgang empfindlich bemerkbar. „Nachtfalter werden zum Beispiel gerne von Vögeln und Fledermäusen gefressen. Die Raupen von Tagfaltern wiederum dienen zum Beispiel Schlupfwespen zur Eiablage“, sagt Sarah Bölke vom Nabu. Wer Karl-Heinz Jelinek nach dem Nutzen von Schmetterlingen befragt, bekommt ein leicht gereiztes Seufzen zur Antwort. „Natürlich sind sie nützlich. Aber die Frage ist doch: Will der Mensch ein von der Natur abgekapseltes Dasein in sterilen Räumen und virtuellen Welten leben, oder will er andere Lebewesen neben sich akzeptieren?“
Jelinek sagt, er bevorzuge letzteres. Denn: „Ohne Naturerfahrung würde der Mensch geistig verarmen.“
Drei gefährdete Arten
Das kleine Wiesenvögelchen mag nährstoffarme Kiesgruben, braucht zur Eiablage ungedüngte Wiesen, die gibt es aber nicht mehr so häufig. Steht auf der Vorwarnliste.
Der Rundaugen-Mohrenfalter findet sich in der Rheinischen Bucht so gut wie gar nicht mehr. Er lebt besonders an sonnigen Waldrändern, auf Bergwiesen in den Alpen – aber auch am Rand von Mooren.
Der Dukatenfalter steht auf der Roten Liste. Er braucht zur Eiablage Wiesen-Sauerampfer. Er saugt an Pflanzen wie Giersch und Baldrian.