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WahlkampfHabeck spricht gezielt Frauen an – Thema ist Merz' offene Flanke

Lesezeit 4 Minuten
Kanzlerkandidat Robert Habeck, bei der Bundesdelegiertenkonferenz umrahmt von führenden Frauen seiner Partei.

Kanzlerkandidat Robert Habeck, bei der Bundesdelegiertenkonferenz umrahmt von führenden Frauen seiner Partei.

Der Grünen-Kanzlerkandidat spricht sehr bewusst potenzielle Wählerinnen an. Das zielt auf eine offene Flanke seines Konkurrenten von der Union.

Friedrich Merz konterte. Und er konterte mit Humor. Nachdem sich der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck kürzlich mit Unternehmerinnen aus der Startup-Szene ablichten ließ, tat es ihm der Kollege von der Union gleich. Er machte dem Verband der Unternehmerinnen seine Aufwartung und stellte sich mit selbigen lachend auf eine Treppe. Die Veröffentlichung des Fotos ließ nicht lange auf sich warten.

Knapp drei Monate vor der Neuwahl des Bundestages am 23. Februar 2025 ist beides kein Zufall. Die Kampagne könnte geschlechtsspezifischer werden als andere. Besonders im Fokus: die Frauen.

Robert Habeck klaut von Taylor Swift

Darauf deutet zunächst das Agieren Habecks hin. Der zeigte sich in einem ersten Video, das auf seine Kandidatur hindeutete, mit einem an Taylor Swift erinnernden Freundschaftsbändchen, auf dem „Kanzler Era“ zu lesen war. Mit „Era“ (zu Deutsch: Ära) werden die musikalischen Phasen der Amerikanerin bezeichnet, die vornehmlich von Frauen verehrt wird. Das Video war neben dem Foto eine weitere visuelle Anspielung auf das Ziel des Grünen, Frauen gezielt anzusprechen.

In seiner Rede beim Grünen-Parteitag hat er nachgesetzt. So kam der 55-Jährige auf die „starken Frauen“ der eigenen Partei zu sprechen. Er beklagte ihre mangelnde Repräsentanz im Bundestag, wo Frauen nur mit einem Drittel der Abgeordneten vertreten sind, und sagte: „Ihr müsst Hürden nehmen, die ich gar nicht mehr sehe.“ Ein Land werde „stärker, wenn es gleichberechtigter ist“.

Robert Habeck wendet sich gezielt an Frauen

Zugleich wies der Bundeswirtschaftsminister darauf hin, dass das Arbeitsvolumen von Frauen jenseits der Hausarbeit um 70 Prozent zurückgehe, wenn sie Kinder bekämen. Dieser Wert liege weit über dem europäischen Durchschnitt und habe politische Ursachen. Ohnehin sei die Selbstbestimmung von Frauen „voll unter Druck“, sagte Habeck, der neuerdings Küchentischgespräche anbietet. Tatsächlich wird in immer mehr Ländern das Recht auf Abtreibung infrage gestellt. In Deutschland sind Frauen vermehrt physischer Gewalt ausgesetzt.

Schließlich berichtete der Kanzlerkandidat von der Bühne herab, wie er einem seiner vier Söhne das Schwimmen beibrachte. Die Botschaft war unüberhörbar: Hier hat sich ein Vater aktiv in die Erziehung eingebracht und sie nicht schnöde seiner Frau überlassen.

In dem Sozialen Netzwerk „Bluesky“ postete Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge etwa zeitgleich ein Bild, das sie mit fünf prominenten Parteifreundinnen zeigte, versehen mit dem Kommentar: „Mit besten Grüßen an all die Frauen im Land, die auch keine Lust darauf haben, wenn Friedrich Merz und die CDU der Welt erklären, dass man Frauen mit Führungspositionen ja auch nicht immer einen Gefallen tut.“

Friedrich Merz ist gegen Geschlechterparität in Bundesregierung

Der 69-jährige Sauerländer hatte unlängst kundgetan, dass er mit Geschlechterparität in einer von ihm geführten Bundesregierung nicht viel am Hut habe. Als Begründung führte er das Beispiel der SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht an, die eine „so krasse Fehlbesetzung“ gewesen sei, dass man so etwas nicht wiederholen wolle. Merz fügte den paternalistisch klingenden Satz hinzu: „Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen.“ Unlängst sagte er einer Legalisierung von Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen den Kampf an.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa würden bei einer Direktwahl des Kanzlers 28 Prozent der Männer für Merz stimmen – und lediglich 18 Prozent der Frauen. Von den Frauen zwischen 18 und 29 Jahren könnte der Christdemokrat gerade mal neun Prozent für sich gewinnen. Immerhin hat Merz bei X erklärt: „Wir werden dieses Land ohne Frauen nicht nach vorne bringen.“ Er ist sich der offenen Flanke bewusst.

Die Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrats, Judith Rahner, sagt derweil: „Es ist überfällig, Frauenpolitik als Wahlkampfthema zu setzen. Im Bereich der Gleichstellung bleibt bekanntermaßen viel zu tun. Doch wir warnen davor, laufende frauenpolitische Vorhaben wie das Gewalthilfegesetz, das trotz Koalitionsbruch noch umsetzbar wäre, aus wahltaktischen Gründen aufzuschieben. Die beste Wahlwerbung für alle Parteien ist jetzt, vom Reden ins Tun zu kommen und rechtliche Grundlagen für Gleichstellung zu schaffen.“

Mit dem geplanten Gewalthilfegesetz der grünen Familienministerin Lisa Paus will der Bund Frauenhäuser mitfinanzieren sowie den Zugang zu Schutz und Beratung in Fällen von häuslicher Gewalt durch einen Rechtsanspruch garantieren. Die Kosten sollen sich bis 2036 auf 2,2 Milliarden Euro belaufen. Der FDP waren die Kosten zu hoch. Die Union teilt das Anliegen, moniert indes, dass bis heute kein finaler Gesetzentwurf vorliege.

Deutscher Frauenrat will es konkret

In Habecks Umfeld wird übrigens beteuert, dass das Foto mit den Unternehmerinnen der Startup-Szene nicht Teil einer Kampagne gewesen sei, sondern Ausfluss längerer Bemühungen seines Ministeriums, die Stellung von Frauen in der Wirtschaft zu fördern. Das sei eine „Männerwelt“.

Ins Bild passt, dass Robert Habeck bald einen neuen Roman veröffentlicht, zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch. Er heißt: „Die zweite Heimat der Störche“. Darin geht es um vier Frauenschicksale.