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Druck von TrumpHarvard wehrt sich – Elite-Hochschule könnte ein Vorbild sein

Lesezeit 4 Minuten
US President Donald Trump gestures after hosting the 2025 College Football National Champions, Ohio State Buckeyes, celebrating the team's title-winning season with a ceremony on the South Lawn of the White House in Washington, DC, April 14, 2025. (Photo by Brendan SMIALOWSKI / AFP) / ALTERNATE CROP

US-Präsident Donald Trump gestikuliert vor dem Weißen Haus in Washington. 

Der Konflikt zwischen Harvard und Trump hat enorme Signalwirkung für andere Institutionen. Derweil geht die Regierung immer massiver gegen palästinensische Studierende vor.

Mal droht er mit der Streichung von staatlichen Zuschüssen, mal mit dem Entzug von Aufträgen und öfter mit dem Staatsanwalt: Die Unterwerfung potenzieller Kritiker ist ein zentrales Merkmal der zweiten Trump-Präsidentschaft. In den vergangenen Wochen sind unter dem Druck reihenweise Anwaltskanzleien, Konzerne und Universitäten eingeknickt.

Umso spektakulärer las sich die Erklärung, die Alan Garber, der Präsident der ehrwürdigen Harvard-Universität, am Montag veröffentlichte: „Die Universität wird ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben und nicht auf ihre verfassungsmäßigen Rechte verzichten“, konterte der renommierte Gesundheitsökonom einen Forderungskatalog des Präsidenten: „Keine Regierung – unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist – sollte vorschreiben, was private Universitäten lehren dürfen, wen sie aufnehmen und einstellen dürfen und welche Studien- und Forschungsbereiche sie verfolgen dürfen.“

Trump droht bei „Truth Social“ weiter

Die Vergeltung folgte prompt: Binnen weniger Stunden kündigte die Trump-Regierung das Einfrieren von mehrjährigen Fördergeldern in Höhe von 2,2 Milliarden Dollar und bestehenden Verträgen im Umfang von 60 Millionen Dollar an. Am Dienstagmorgen drohte der Präsident bei „Truth Social“ zudem damit, der Hochschule ihre derzeitige Steuerbegünstigung zu streichen.

Im demoralisierten liberalen Lager Amerikas aber sorgt der erste Widerstand einer Hochschule für kollektives Aufatmen. „Das hat eine gewaltige Bedeutung“, sagte der angesehene moderat-konservative Rechtswissenschaftler Michael Luttig der „New York Times“: „Das könnte ein Wendepunkt im Amoklauf des Präsidenten gegen amerikanische Institutionen sein.“ Ex-Präsident Barack Obama kommentierte bei X: „Harvard hat anderen Hochschulen ein Beispiel gegeben (...) Hoffentlich folgen andere Institutionen.“

Kampagne gegen linksliberale Ideen

Seit Wochen hat die Trump-Regierung vor allem die renommierten amerikanischen Universitäten ins Visier genommen. Vorgeblich geht es ihr um den Kampf gegen Antisemitismus und die vermeintliche Missachtung von Bürgerrechten. Kritiker sehen die mit massiven Repressalien geführte Kampagne aber als Versuch, die Lehreinrichtungen ihrer Unabhängigkeit zu berauben und zu einem Kurswechsel weg von angeblich „woken“ linksliberale Ideen und der Förderung von afroamerikanischen oder asiatischen Studierenden zu zwingen.

Die vor einem Jahr wegen der Gaza-Proteste in die Schlagzeilen geratene Columbia Universität in New York war nach der angedrohten Streichung von 400 Millionen Dollar Bundeszuschüssen vor wenigen Tagen als erste Lehranstalt eingeknickt. Sie akzeptierte eine staatliche Aufsicht über ihr Institut für Nahost- und Afrika-Studien und definiert künftig fast jede Kritik an Israel als Antisemitismus. Auch die Northwestern University und die Cornell University wollen nach der angedrohten Streichung von 790 Millionen und einer Milliarde Dollar Zuschüssen einlenken.

Dieses Bild aus einem von Christopher Helali zur Verfügung gestellten Video zeigt Mohsen Mahdawi, einen Palästinenser, der als Student der Columbia University Proteste gegen den Krieg in Gaza angeführt hat, bei seiner Festnahme am Büro der US-amerikanischen Einwanderungsbehörde

Dieses Bild aus einem von Christopher Helali zur Verfügung gestellten Video zeigt Mohsen Mahdawi, einen Palästinenser, der als Student der Columbia University Proteste gegen den Krieg in Gaza angeführt hat, bei seiner Festnahme am Büro der US-amerikanischen Einwanderungsbehörde.

Harvard ist die reichste und renommierteste Hochschule des Landes. Sie ist 140 Jahre älter als die USA, hat acht Präsidenten hervorgebracht und verfügt über Rücklagen von mehr als 50 Milliarden Dollar. Die private Elite-Uni vor den Toren von Boston kann sich deshalb einen Konflikt mit der Trump-Regierung am ehesten leisten.

Am vergangenen Freitag hatten das Bildungs- und das Gesundheitsministerium in einem mehrseitigen Schreiben unter anderem verlangt, dass die Universität alle Unterlagen über die Einstellung von Personal mit der Regierung teilt. Außerdem müssten ausländische Studierende bei Verstoß gegen Verhaltensregeln gemeldet, alle Programme beendet, die sich an Hautfarbe, Herkunft oder Geschlecht orientieren, und ein Verbot von Gesichtsmasken für den Campus verhängt werden.

Außerdem solle in der Lehre künftig Wert auf einen großen Meinungspluralismus gelegt werden. Auch ein stärkerer Einsatz gegen Antisemitismus wird verlangt, obwohl Harvard Studierende bereits diszipliniert und die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt hat. Das Ignorieren dieser internen Reformen wertet Präsident Garber als Beleg, dass die Trump-Regierung an einer „kooperativen und konstruktiven“ Zusammenarbeit gar nicht interessiert sei.

Ausländischen Studierenden droht die Abschiebung

Tatsächlich treibt Washington unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Antisemitismus derzeit auch eine rigide Abschiebekampagne voran. Nach amerikanischen Medienberichten wurden seit dem Regierungswechsel bereits 500 bis 1000 ausländischen Studierenden ihre Visa entzogen.

Am Montag wurde erneut ein Student der Columbia Universität festgenommen: Mohsen Mahdawi wollte gerade seinen Einbürgerungstest ablegen, als er abgeführt wurde. Der in einem Flüchtlingslager im Westjordanland geborene Palästinenser war 2014 in die Vereinigten Staaten gezogen und besaß eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung (Greencard) für die USA. Er hatte im Frühjahr des vergangenen Jahres gemeinsam mit Machmud Chalil Proteste gegen den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen organisiert.

Chalil war am 8. März festgenommen und in eine Haftanstalt im stramm republikanischen Bundesstaat Louisiana verbracht worden. Von dort soll er abgeschoben werden, obwohl er eine gültige Aufenthaltserlaubnis besitzt und mit einer Amerikanerin verheiratet ist, die in der kommenden Woche ein Kind erwartet.