Heil will Sanktionen beim Bürgergeld durch zeitweise Streichungen verschärfen – und erntet auch Kritik aus der eigenen Partei.
„Nicht hinnehmbar“Kritik an Heils geplanter Bürgergeld-Streichung für „Totalverweigerer“
Die Reformpläne von Arbeitsminister Hubertus Heil zum Bürgergeld für Jobverweigerer sind im politischen Berlin umstritten. Während Finanzminister Christian Lindner sowie Politiker von SPD und Union den Vorstoß begrüßten, warnten Sozialverbände, Jusos, Grüne und Linke vor heftigen sozialen Folgen.
Der SPD-Politiker Heil hat der Bundesregierung vorgeschlagen, Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger zu verschärfen, die immer wieder zumutbare Arbeitsangebote ablehnen. Der Staat soll ihnen vorübergehend nur noch die Kosten für Unterkunft und Heizung zahlen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Der Bürgergeld-Regelsatz - 563 Euro im Monat für Alleinstehende - soll für zwei Monate wegfallen.
Aktuell dürfen die Jobcenter nur Sanktionen bis maximal 30 Prozent verhängen. Diese Grenze ist eine Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2019, das damals geltende Sanktionen als verfassungswidrig eingestuft hatte.
Lindner: Beitrag zum Haushaltskonzept 2024
Im Kabinett ist das noch nicht endgültig abgestimmt. Finanzminister Lindner (FDP) signalisierte aber bereits Zustimmung. „Damit setzt der Arbeitsminister nicht nur seinen Beitrag zum Haushaltskonzept 2024 um. Vor allem wird die Akzeptanz des Sozialstaats gestärkt, wenn auch Gegenleistungen gefordert werden“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Im kommenden Jahr müsse weiter in diese Richtung gedacht werden, sagte Lindner. „Das System unserer Sozialleistungen muss daraufhin geprüft werden, dass sich Arbeit stets mehr lohnt als der Verzicht auf einen Job.“
Jusos: Nicht mit der Menschenwürde vereinbar
Aus der SPD kamen unterschiedliche Reaktionen. Der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Rosemann, betonte, es gehe um eine wirklich sehr kleine Zahl von Menschen, die sich konsequent allen Angeboten verweigerten. „Und genau an dieser Stelle ist es dann vertretbar, die Sanktionsmöglichkeiten zu verschärfen. Das ist am Ende auch eine Frage der Gerechtigkeit“, sagte er.
Der dem linken Parteiflügel der SPD angehörende Sebastian Roloff sagte dem „Spiegel“, er sei ohnehin „kein Fan“ der Idee gewesen, die im Zuge des Karlsruher Haushaltsurteils gestrichenen Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds „bei den Schwächsten zu kompensieren“. „Jetzt jenseits des Bundesverfassungsgerichts eine komplette Streichung für zwei Monate vorzuschlagen, verwundert doch sehr. Auch eingedenk der Position der SPD“, sagt Roloff, der Mitglied im SPD-Parteivorstand ist.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki sagte dem „Spiegel“, es sei „nicht hinnehmbar, dass Menschen in unserem Land über zwei Monate keinerlei Mittel zur Existenzsicherung mehr haben“.
Die Jusos warfen Heil vor, Menschen als Sanktion hungern zu lassen. „Der Vorschlag sämtliche Leistungen abseits der Miete zu streichen, ist weder mit der Menschenwürde noch mit dem Grundgedanken des Bürgergelds vereinbar“, sagte Juso-Chef Philip Türmer dem „Tagesspiegel“.
Bürgergeld-Streichung für „Totalverweigerer“: Kritik von den Grünen
Der Grünen-Arbeitsmarktexperte Andreas Audretsch warnte am Freitag im „Spiegel“ davor, zu überziehen. „Das Bundesverfassungsgericht hat im November 2019 zu Sanktionen geurteilt und strenge Vorgaben für die Kürzung des Existenzminimums gemacht“, sagte Audretsch.
„Artikel eins unseres Grundgesetzes garantiert allen Menschen in Deutschland ein Leben in Würde“, sagte der Grünen-Arbeitsmarktexperte Audretsch. „Anhand dieser Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden wir jeden Vorschlag zur Reform prüfen und messen“, kündigte er an.
Die Grüne Jugend kritisierte den Vorstoß des Arbeitsministers als „menschenunwürdig“. Katharina Stolla, Co-Chefin der Grünen Jugend, sagte dem „Spiegel“, Heil untergrabe selbst die Zustimmung zum Sozialstaat, „indem er mit diesem Vorstoß ein allgemeines Misstrauen gegenüber Arbeitslosen noch weiter befeuert“. Statt Kürzungen vorzunehmen, sei es nötig, dass der Sozialstaat „großflächig ausgebaut“ werde. Alles andere sei „unehrlich und ignorant gegenüber den vielen Menschen, die durch persönliche Schicksale und komplizierte Biografien auf Sozialhilfe angewiesen“ seien.
Dobrindt (CSU): „Mit dem Bürgergeld belohnt Ampel die Faulen“
Auch die Linke kritisierte Heil. Die Ampel-Regierung saniere auf dem Rücken der Menschen mit wenig Geld den Haushalt, trete nach unten und spiele Menschen gegeneinander aus, sagte Parteichef Martin Schirdewan. Und das alles nur, weil sie nicht bereit sei, Reiche und Vermögende stärker zu belasten. Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband warnte in der ARD, die Bundesregierung treibe Menschen ins Elend.
Zustimmung bekam Heil dagegen von der Union. „Das Bürgergeld ist das soziale Netz in unserem Land, aber Solidarität darf eben keine Einbahnstraße sein“, sagte der Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte die komplette Abschaffung des Bürgergelds. „Mit dem Bürgergeld belohnt die Ampel die Faulen, aber vor allem treibt sie diejenigen, die rechnen können, in die Sozialhilfe“, sagte er. (dpa/afp)