Beim Deutschlandtag der Jungen Union will Friedrich Merz von einer Anpassung des Renteneintrittsalters nichts mehr wissen. Die Parteijugend aber fordert genau das. Kommt es bald zum offenen Streit?
Deutschlandtag der JUFriedrich Merz schmettert Forderung der Jungen Union ab
Für die Junge Union ist Friedrich Merz schon Bundeskanzler. Jedenfalls wirft sie auf dem Deutschlandtag in Halle (Saale) eine Deutschlandfahne an die Leinwand auf der Bühne. Und darauf steht in großen, weißen Lettern: KANZLER. Friedrich Merz wird beim jährlichen Bundeskongress der Parteijugend mit Jubel und Applaus empfangen. „Herzlichen Dank für die Unterstützung“, sagt er mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. Als er anfängt zu sprechen, wissen die rund 300 Delegierten noch nicht, dass er im Laufe seiner 45‑minütigen Rede eine ihrer wichtigsten Forderungen abräumen wird.
Merz ist nun seit 1000 Tagen Parteivorsitzender und seit mehr als einem Monat Kanzlerkandidat. Die wichtigste Personalfrage hat die CDU also beantwortet, beim Wahlprogramm sind dagegen noch viele Fragen offen. Und die Parteijugend will mitentscheiden – insbesondere in der Rentenpolitik. „Wenn wir immer länger leben, muss man einen Teil davon länger arbeiten“, ruft JU‑Chef Johannes Winkel, der an dem Wochenende mit 90,5 Prozent wiedergewählt wird, in den Saal. In ihrem Leitantrag rüttelt die Parteijugend am Rentenniveau, das für den Sozialflügel aber unumstößlich ist. Und sie fordert eine „verpflichtende individuelle kapitalgedeckte Zusatzvorsorge“.
Viele offene Fragen beim Wahlprogramm
Zumindest diesen Punkt unterstützt Merz. Man müsse früh genug mit einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge anfangen, sagt der Kanzlerkandidat und erntet Applaus. Dann wird es still, als Merz die andere „kontrovers geführte“ Debatte anspricht. Die des Renteneintrittsalters.
Merz verweist auf das neue CDU-Grundsatzprogramm, in dem die Partei festgelegt habe, dass mit wachsendem Lebensalter eine wachsende Arbeitszeit verbunden sein müsse. Und dann erklärt er, was er darunter versteht: „Wir brauchen ein gesetzliches Renteneintrittsalter, und dieses gesetzliche Renteneintrittsalter sollte bei 67 bleiben.“ Wer früher gehe, müsse akzeptieren, dass es größere Abschläge gebe. Für die, die länger arbeiten wollen, müsse es Anreize geben, fügt Merz hinzu. Bis 2031 steigt das Renteneintrittsalter regulär auf 67 Jahre.
Im Grundsatzprogramm wird allerdings explizit von einer Anpassung der Regelaltersgrenze gesprochen. „Wenn wir unsere Rente stabil und finanzierbar halten wollen, spricht viel dafür, dass die Lebensarbeitszeit für diejenigen, die arbeiten können, steigen muss und folglich die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung gekoppelt wird“, heißt es. Diese Passage ist mühsam zwischen den Parteivereinigungen ausgehandelt worden – in seiner Rede verabschiedet sich Merz davon. Er sieht diesen Weg als notwendig an, um der SPD das Potenzial zu nehmen, gegen die Union eine „Kampagne“ zu führen, erklärt er.
Bereits im Sommer hatte er sich entsprechend geäußert. Mit der CDU werde es keine Rente mit 70 geben, schlug sich der CDU-Vorsitzende auf die Seite der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Es war das erste Basta. In der schmucklosen Messehalle müssen die jungen Politiker am Samstag das zweite Basta hinnehmen. Er verbindet es allerdings mit einem Versprechen. Er werde sich ohne Wenn und Aber an die Seite der jungen Generation stellen. Wie das aussehen wird, sagt er nicht. Und doch klatschen die Delegierten. Dass Merz gerade ihre Kernforderung abgeschmettert hat, scheint in den Hintergrund zu geraten.
Erhöht die Junge Union nun den Druck?
Die Junge Union hat Friedrich Merz früh im Kampf um den Parteivorsitz unterstützt. Inwiefern die Parteijugend in der Rentenfrage den Druck auf die Bundespartei steigern wird, dürfte auch davon abhängen, wie der JU‑Bundesvorsitzende Winkel seine zwei Rollen in Einklang bringen wird: Das Führen des Jugendverbands mit eigenen Interessen und seine eigene Bundestagswahlkampagne. Die Unterstützung von Merz und Co. wäre dafür nicht schlecht.
Die Rente ist aber nicht das einzige Thema, das die Delegierten beschäftigt. Da wären noch die Koalitionsgespräche in Sachsen und Thüringen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). „Natürlich kann man mit einer neuen Partei mit ganz neuem Personal Gespräche führen“, sagt Winkel und warnt gleichwohl: „Sozialismus ohne Gendern bleibt blutroter Sozialismus.“ In seiner Rede verliert Friedrich Merz kein Wort über Wagenknecht.
Auch in der Aussprache zur Rede von Merz ist Wagenknecht nicht Thema – ebenso nicht die Rente. Das musikalische Motto des diesjährigen Deutschlandtages ist übrigens der Popsong „Zeit, dass sich was dreht“. Merz hat sich gedreht, aber in der Rentenfrage nicht in Richtung der Jungen Union.