Friedrich Merz warf Scholz vor, nicht mehr handlungsfähig zu sein. Sahra Wagenknecht plädierte für Friedensverhandlungen in der Ukraine.
„Sie sind persönlich verantwortlich“Reaktionen auf Olaf Scholz’ Regierungserklärung im Bundestag
Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem anstehenden EU-Gipfel in Brüssel eine Regierungserklärung im Bundestag abgegeben hatte, gab es zahlreiche Reaktionen auf die Rede des Kanzlers – und viel Kritik. Scholz zeigte sich in seiner Rede unter anderem für diplomatische Gespräche mit Russland bereit.
CDU-Chef Friedrich Merz warf Olaf Scholz vor, in Kernfragen, wie eben dem Ukraine-Krieg, der Migrationspolitik oder Konjunkturbelebung, nicht mehr handlungsfähig zu sein. Scholz sei zögerlich bei der Ukraine-Politik.
Es sei die Zeit gekommen, so Scholz in seiner Rede, „in der wir – neben der klaren Unterstützung der Ukraine – auch alles tun müssen, um auszuloten, wie wir es hinbekommen können, dass dieser Krieg nicht immer weiter geht.“ Gespräche mit dem Kremlchef müssten dabei in „Abstimmung mit unseren engsten Partnern“ geführt werden.
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Merz fordert Aufhebung der Reichweitenbegrenzung für Waffen der Ukraine
Der Kanzler sagte der Ukraine auch weiter die Unterstützung Deutschlands und der westlichen Verbündeten zu. Die Unterstützer Kiews müssten „eine klare Botschaft senden, auf die sich die Ukraine verlassen kann, und eine klare Botschaft verkünden, die der russische Präsident nicht überhören kann“, erklärte Scholz.
Darauf reagierte Friedrich Merz in seiner Erwiderungsrede: „Bei aller Zustimmung zu dem, was Sie hier zur Ukraine erneut gesagt haben. Ich finde, es ist höchste Zeit, dass wir noch einmal ganz kritisch überprüfen, ob es uns eigentlich wirklich gelungen ist, Putin in den letzten zweieinhalb Jahren die Grenzen aufzuzeigen.“ Es sei erkennbar nicht gelungen, so Merz, und für die Ukraine werde es tagtäglich schwieriger. Merz plädierte dafür, im Europäischen Rat deutlich an die Adresse von Putin vorzutragen, dass „wir es nicht länger akzeptieren, dass er zivile Infrastruktur, Krankenhäuser, Kindergärten wahllos bombardiert.“
Wenn Putin dies fortsetze, so solle in großer „Übereinstimmung in Europa“ entschieden werden, die Reichweitenbegrenzung für die Waffen im Besitz der Ukraine aufzuheben. „Herr Bundeskanzler, Sie sind auch mit Ihrer Haltung persönlich dafür verantwortlich, dass die Ukraine gegen Putin mit einer Hand auf dem Rücken kämpfen muss“, betonte Merz. Merz bekräftigte seine Forderung, die Bundesregierung müsse Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zur Verteidigung liefern. Scholz lehnt dies bislang ab.
Sahra Wagenknecht forderte einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen in der Ukraine, wie auch im Nahen Osten. „Waffen bringen keinen Frieden“, sagte sie im Bundestag. Die Menschen in der Ukraine bräuchten keine „wahnwitzigen Siegpläne, die letztlich unverhohlen auf einen Kriegseintritt der Nato setzen.“ Die Reichweitenbegrenzung aufzuheben, wäre der „Kriegseintritt der Nato“, sagte Wagenknecht an Friedrich Merz gerichtet. „Darauf haben die amerikanischen Geheimdienste hingewiesen. Was ist das für ein Wahnsinn, den Sie hier vertreten?“
Scholz hingegen nahm in seiner Rede besonderen Anstoß an den wiederholten Forderungen des Unions-Kanzlerkandidaten nach mehr Respekt für harte Arbeit und für Besserverdienende. „Leistungsträger sind in dieser Gesellschaft nicht nur diejenigen, die ein paar hunderttausend Euro verdienen“, sagte Scholz an Merz gerichtet. Es gebe hierzulande viele hart arbeitende Familien – „und dann hören sie im Fernsehen, dass sie faul sind, obwohl sie Arbeit und Kinder miteinander zusammenbringen müssen“. Dies sei „die falsche Haltung“, sagte der Kanzler.
Offizielles Thema der Regierungserklärung des Kanzlers war der am Donnerstag beginnende EU-Gipfel in Brüssel, bei dem es schwerpunktmäßig um die Begrenzung der irregulären Migration gehen soll. Das Thema Migration sprach Scholz allerdings nicht an. Das erntete Kritik.
Grünen-Fraktionschefin wirft Merz vor, politische Kampagne auf Angst der Menschen aufzubauen
„Herr Bundeskanzler, auf der Tagesordnung des Europäischen Rates morgen steht als Punkt 1: Migrationskrise in Europa“, schrieb Friedrich Merz auf X. „Dazu haben Sie aber in Ihrer Regierungserklärung kein Wort gesagt, sondern nur zu Themen gesprochen, die ausschließlich innenpolitisch motiviert waren.“
Merz kritisierte die Regierung auch in anderen Punkten. Er warf der Bundesregierung vor, in Europa den wirtschaftlichen Anschluss verpasst zu haben. Scholz sei in der EU „der einzige Regierungschef, der aus seinem eigenen Land berichten muss, dass das Land im zweiten Jahr in der Rezession ist“. Alle anderen Länder in Europa hätten ein „mehr oder weniger ganz ordentliches Wachstum“. Er kritisierte außerdem die Pläne der SPD, mit der Forderung nach höheren Steuern für Spitzenverdiener in den Wahlkampf zu gehen.
Tino Chrupalla fordert von der Ampel, den Weg für Neuwahlen freizumachen
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge warf Merz vor, die Menschen im Wahlkampf durch solche Warnungen verunsichern zu wollen. „Auf Sorge und Angst ist ihre politische Kampagne gebaut“, sagte die Grünen-Politikerin. „Sie spielen mit dieser Angst vor Veränderung, Sie schüren ganz bewusst Sorgen vor der Zukunft“, warf Dröge dem CDU-Chef vor. Wichtig wäre vielmehr, die Chancen einer ökologischen und klimafreundlichen Erneuerung der Wirtschaft herauszuarbeiten.
AfD-Chef Tino Chrupalla warf der Ampel-Koalition eine vernichtende Bilanz vor und forderte sie zum Abtreten auf, um den Weg für Neuwahlen freizumachen. Von der jetzigen Legislaturperiode werde „der Nachwelt eine Ampel-Regierung in Erinnerung bleiben, die Deutschland wie aus einem Raumschiff heraus versuchte, zu reagieren“. (mit dpa/afp)