Wie reagieren Europas Staats- und Regierungschefs auf den Eklat im Weißen Haus? Ihr erstes Gipfeltreffen nach dem Zerwürfnis zwischen der neuen US-Regierung und der Ukraine wird zum Krisengipfel.
Ukraine-GipfelEuropäisches Spitzentreffen in London – Was kommt nach dem Trump-Eklat?
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Handshake und Umarmung: Der britische Premier Starmer empfing Selenskyj am Samstagabend betont herzlich.
Copyright: Peter Nicholls/Pool Getty/AP/dpa
Keine zwei Tage nach dem beispiellosen Eklat im Weißen Haus zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj beraten westliche Staats- und Regierungschefs heute in London über die Folgen für die Ukraine, Europa und die ganze Welt. Aus Deutschland reist Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an, Gastgeber im Lancaster House ist der britische Premierminister Keir Starmer. Die wichtigsten Fragen vor dem Krisengipfel im Überblick.
Was besprechen die europäischen Verbündeten?
Eigentlich sollte der Gipfel bloß einer von mehreren zum weiteren Vorgehen im Ukraine-Krieg sein. Doch durch das Zerwürfnis in Washington ist die Lage besonders dringlich und brisant geworden. Trump und sein Vize J.D. Vance hatten Selenskyj im Oval Office vor der Weltöffentlichkeit scharf zurechtgewiesen und mit schweren Vorwürfen überzogen, der Ukrainer ließ sich das nicht bieten. Die Gespräche wurden abgebrochen, Selenskyj verließ das Weiße Haus vorzeitig.
Europas Staats- und Regierungschefs müssen nun eine Linie im Umgang mit dem mächtigen US-Präsidenten finden, und das gleich für mehrere mögliche Szenarien: Denn der weitere Verlauf der Gespräche über einen Frieden in der Ukraine ist kaum vorherzusehen.
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Die Bilder vom eskalierten Streit im Oval Office gingen um die Welt.
Copyright: Mystyslav Chernov/AP/dpa
Laut der britischen Regierung soll es unter anderem um ein „starkes, dauerhaftes Abkommen“ gehen, das einen möglichen Frieden absichert und gewährleistet, dass die Ukraine künftige russische Angriffe abwehren könnte. Allen voran Großbritannien und Frankreich sind bereit, Soldaten für eine Friedenstruppe abzustellen. Wichtig wird aber auch sein, wie sich Europa in Zukunft selbst verteidigt. Die Briten hatten zuletzt angekündigt, ihre Verteidigungsausgaben bis 2027 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Andere Länder dürften angesichts der Weltlage wohl nachziehen.
Welche Folgen hat das Zerwürfnis für die europäische Politik?
Der Eklat im Weißen Haus schickte Schockwellen in die Welt, insbesondere in Europa gab es erschütterte Reaktionen. Viele Staats- und Regierungschefs der EU stärkten Selenskyj demonstrativ den Rücken. Kanzler Scholz betonte kurz danach: „Auf Deutschland und auf Europa kann sich die Ukraine verlassen.“
Befürchtet wird, dass das Zerwürfnis zwischen Trump und Selenskyj auch eine Zäsur in den transatlantischen Beziehungen bedeuten könnte. Mit dem neuen US-Präsidenten und seiner brüsken Abkehr von traditionellen Verbündeten erscheint es zunehmend schwerer vorstellbar, dass die EU und die USA noch eine gemeinsame Strategie im Umgang mit der Ukraine entwickeln werden.
Herrscht zumindest innerhalb der EU Einigkeit?
Die Europäische Union hat nach dem Treffen in London die Chance, bei einem Sondergipfel am Donnerstag ein Zeichen zu setzen und die Unterstützung für die Ukraine auszubauen. Doch einer will da nicht mitmachen: Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orban, dem ein besonders guter Draht zu Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin nachgesagt wird, droht mit der Blockade neuer Ukraine-Hilfen. Das ist ihm schon mehrfach gelungen, da weitreichende Entscheidungen in der EU einstimmig getroffen werden müssen.
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Ungarns Ministerpräsident Orban gilt als eifrigster Unterstützer Trumps unter den Staats- und Regierungschefs der EU. (Archivbild).
Copyright: Marton Monus/dpa
Orban schrieb in einem Brief an EU-Ratspräsident António Costa, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, er könne einer gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag nicht zustimmen. „Außer Ungarn und dem Vatikan“ wolle ganz Europa offenkundig Krieg, sagte Orban in einem Interview des ungarischen Senders TV2. Stattdessen solle die EU dem Beispiel der USA folgen und direkte Gespräche mit Russland über einen Waffenstillstand und eine Einigung in der Ukraine führen.
Auf wen kommt es besonders an?
Der britische Premier Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron übernahmen bei ihren jeweiligen Besuchen bei Trump in Washington die Rolle der Vorsprecher, wenn auch nicht mit gänzlich gleichen Interessen. Starmer, der sich als Brückenbauer versteht, brachte die Aussicht auf ein Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien mit nach Hause. Von Harmonie solcher Art mit Trump ist die EU weit entfernt. Zwar betonten sowohl Starmer als auch Macron ihr angeblich gutes Verhältnis zum US-Präsidenten und sorgten für entsprechende Bilder aus dem Oval Office - das war aber noch vor dem Eklat zwischen Selenskyj und Trump. Und von substanziellen Zugeständnissen des Republikaners an die Europäer ist ohnehin noch nichts zu hören gewesen.
Welche Rolle spielt Deutschland?
Dass Scholz jetzt nur noch Kanzler auf Abruf ist, macht sich auch in der Ukraine-Diplomatie bemerkbar. Während Macron und Starmer bereits nach Washington gereist sind, um Gespräche mit Trump zu führen, ist das für Scholz als Übergangskanzler kaum denkbar. Die ersten beiden Gipfel dieser Art fanden in Paris statt, jetzt ist es London. Berlin ist außen vor. Und das, obwohl Deutschland in Europa bei der Ukraine-Hilfe als zweitgrößter Unterstützer nach den USA eine führende Rolle einnimmt.
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Olaf Scholz reist als Noch-Bundeskanzler an - ohne Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Schlepptau.
Copyright: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Warum nimmt Scholz Merz nicht mit zum Gipfel?
Das ist nicht üblich. Scholz führt die Amtsgeschäfte ganz normal weiter, bis eine neue Regierung vereidigt ist, auch wenn sein politischer Handlungsspielraum eingeschränkt ist. Das gilt auch für die internationale Politik. In der letzten Übergangsphase zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Scholz gab es zwar einen Fall, in dem beide zusammen zu einem Gipfel gereist sind - zu einem G20-Treffen in Rom. Das lag aber nur daran, dass Scholz der Finanzminister Merkels und seine Teilnahme damit normal war.
Scholz stimmt sich allerdings eng mit Merz ab. Nach dem Eklat im Weißen Haus am Freitagabend telefonierten die beiden mit Blick auf den Londoner Gipfel. Auch vor dem EU-Sondertreffen nächsten Donnerstag dürfte es ein solches Gespräch geben. „Ein Regierungspraktikum vor Amtsübernahme ist für Herrn Merz allerdings nicht vorgesehen“, stellte Regierungssprecher Steffen Hebestreit erst am Freitag noch einmal klar.
Was bedeutet das alles für die Regierungsbildung in Deutschland?
Der Eklat in Washington dürfte sowohl Inhalt als auch Tempo der Regierungsbildung beeinflussen. Der Druck, so schnell wie möglich eine voll handlungsfähige Koalition auf die Beine zu stellen, ist noch mehr gestiegen. Und die Wahrscheinlichkeit wächst, dass sich Union und SPD noch auf ein Sondervermögen in dreistelliger Milliardenhöhe für die eigene Verteidigung und die Ukraine-Hilfe einigen, solange der alte Bundestag besteht - also bis zum 25. März. Aktuell haben Union, SPD und Grüne noch die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit, im neuen Bundestag nicht mehr.
Was wird nun aus der Nato?
Nach dem Zerwürfnis geht es nun insbesondere um den Zusammenhalt der transatlantischen Militärallianz. Groß ist die Sorge, dass die USA aus der Nato austreten und damit Europa den atomaren Schutz entziehen könnten. Bereits in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 hatte Trump damit zeitweise gedroht.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte steht deshalb vor der kniffligen Aufgabe, den Zusammenhalt der Nato sicherzustellen und gleichzeitig die Ukraine weiter im Kampf gegen die russische Invasion zu unterstützen. Er muss vermitteln und besänftigen. „Ich denke, Selenskyj sollte einen Weg finden, seine Beziehung zu Präsident Trump wiederherzustellen, das ist wichtig für die Zukunft“, sagte Rutte in einem BBC-Interview. Das Streitgespräch im Oval Office bezeichnete er als „unglücklich“. Seitdem habe er zweimal mit Selenskyj telefoniert.
Was macht Trump während des Gipfels?
Der US-Präsident flog nach dem Schlagabtausch mit Selenskyj noch am Freitag nach Florida. Gewöhnlich verbringt Trump die Wochenenden dort in seinem Anwesen Mar-a-Lago, empfängt Gäste und spielt Golf. Zum Eklat mit Selenskyj im Weißen Haus äußerte sich der Republikaner am Samstag selbst nicht mehr. Auf seiner Plattform Truth Social veröffentlichte er bloß zahlreiche Beiträge zu anderen Themen. Seine Pläne für Sonntag gab das Weiße Haus bislang nicht bekannt. (dpa)