„Möge Gott helfen“Immunitätsurteil zu Donald Trump: Der Präsident wird zum König

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Donald Trump spricht während einer Pressekonferenz im Trump Tower.

Eine Verurteilung von Donald Trump wegen des Kapitolsturms erscheint nach demImmunitätsurteil des Supreme Courts nun ausgeschlossen.

Das Immunitätsurteil des strammrechten Supreme Courts versetzt das liberale Amerika in einen Schockzustand. Eine Verurteilung Trumps wegen des Kapitolsturms erscheint nun ausgeschlossen.

Die Rede dauerte gerade mal fünf Minuten, und Joe Biden meisterte sie fehlerfrei. Trotzdem ließ die Fernsehansprache des US-Präsidenten am Montagabend aufhorchen. Höchst ungewöhnlich war nicht nur ihr Inhalt - eine harte Abrechnung mit dem obersten US-Gericht, immerhin einem anderen Vefassungsorgan. Dramatisch klang vor allem der Schluss. Normalerweise endet Biden mit einer traditionellen Anrufung Gottes zum Schutz der Truppen. Dieses Mal sagte er: „Möge Gott helfen, unsere Demokratie zu bewahren.“

Die Sorge des Präsidenten ist nach Ansicht vieler liberaler Beobachter nicht überzogen. Ausgelöst wurde sie durch ein historisches Urteil, das sich der Supreme Court für den letzten Tag seiner Situngsperiode aufgehoben hatte. Seit Monaten schlummerte bei dem mehrheitlich erzreaktionären bis ultrarechten Gericht eine Klage von Donald Trump, mit der dieser seine Verurteilung im Prozess wegen des Kapitolsturms verhindern wollte. Der Ex-Präsident behauptete, er sei vor Strafverfolgung immun. Führende Rechtsexperten hatten diese Meinung als abwegig verworfen. Doch am Montag fällte der Supreme Court ein Urteil, das weit über den konkreten Fall hinausgeht und sich wahrscheinlich nicht einmal Trump erträumt hatte.

Supreme Court: US-Präsidenten sind vor Strafverfolgung geschützt

Nach Mehrheitsauffassung des Gerichtshofes genießen US-Präsidenten nämlich tatsächlich einen quasi Rundum-Schutz vor Strafverfolgung. Diese Immunität gilt absolut für den verfassungsrechtlichen Kernbereich ihrer Amtsgeschäfte, zu dem etwa Begnadigungen, Gesetzes-Vetos oder Personalentscheidungen gehörden. „Mutmaßlich“ wird diese Immunität auch für alle anderen offiziellen Handlungen angenommen. Für private Handlungen gesteht der Supreme Court dem Präsidenten zwar keine Immunität zu. Doch dürfen bei der Strafverfolgung privater Vergehen keine Beweismittel aus offiziellen Handlungen verwandt werden.

Übersicht aktueller Strafverfahren gegen Donald Trump

Übersicht aktueller Strafverfahren gegen Donald Trump

Von einem „atemberaubenden“ Urteil spricht nicht nur die „New York Times“. Amerikas Linksliberale sind geschockt. „Heute ist ein Tag der juristischen Schande“, wetterte der demokratische Abgeordnete Adam Schiff, der das erste Amtsenthebungsverfahren gegen Trump geleitet hatte. „Diese Entscheidung untergräbt die Herrschaft des Rechts“, empörte sich Biden in seiner Ansprache. Fortan gebe es „praktisch keine Grenzen für das Handeln eines Präsidenten“ mehr. Die liberale Vefassungsrichterin Sonia Sotomayor, die gegen das Urteil gestimmt hatte, bei der 6:3-Entscheidung aber unterlag, spitzte ihre Kritik prägnant zu: „Der Präsident wird nun ein König vor dem Gesetz.“

Amerikas Linksliberale sind geschockt

Tatsächlich wurde die Dimension des Urteils in ersten Meldungen, die von einem „Teilsieg für Trump“ sprachen, weit unterzeichnet. Gemessen an den kolossalen Gefahren für die amerikanische Demokratie in der Zukunft scheint der Fortgang des Putsch-Prozesses ein beinahe marginales Problem zu sein. Nach monatelanger Verzögerung schien dessen Eröffnung vor der Wahl ohnehin unwahrscheinlich. Nun muss ein unteres Gericht zunächst einmal feststellen, welche damaligen Handlungen Trumps zur Wahlmanipulation als „offizielle Handlungen“ bewertet und welche Beweise zugelassen werden.

Das kann Monate dauern. Der konservative, aber Trump-kritische Publizist David Frum empfahl Sonderermittler Jack Smith am Dienstag bei X sarkastisch, in einem demonstrativen Akt zurückzutreten und zu erklären: „Der Supreme Court hat gesprochen. Donald Trump steht über dem Gesetz.“

Verurteilung von Trump so gut wie ausgeschlossen

Jedenfalls erscheint eine Verurteilung des Ex-Präsidenten wegen seiner Unterstützung des Kapitolsturm nun so gut wie ausgeschlossen. In dem Richterspruch wird Trumps Einwirken auf das Justizministerium, seine Behauptung vom Wahlbetrug zu übernehmen, als offizielle Handlung bewertet. Der Druck auf Vizepräsident Mike Pence, die Beglaubigung von Bidens Wahlsieg zu verhindern, fällt zumindest teilweise „mutmaßlich“ unter die Straffreiheit. Selbst Trumps Aufforderung an Parteifreunde, falsche Wahlleute zu benennen, wird vom Supreme Court nicht eindeutig dem Bereich des privaten Handelns zugewiesen.

Dramatisch sind die Folgen des Urteils weit über den Tag hinaus. „Präsidenten unterliegen der Strafverfolgung und Bestrafung im normalen Gesetzesverlauf“, hatte der amerikanische Gründervater Alexander Hamilton im 18. Jahrhundert geschrieben. Das gilt nun nicht mehr. Richard Nixon hätte 1974 nach dem Watergate-Skandal nicht aus Angst vor Strafverfolgung zurücktreten und sein Nachfolger Gerald Ford ihn nicht begnadigen müssen.

Die 29-seitige Minderheitsmeinung von Richterin Sotomayor liest sich wie eine verzweifelte, Warnung. Hypothetisch fragt sie, was künftig passiere, wenn der Präsident „ein Navy-Seal-Team beauftragt, seinen politischen Rivalen zu beseitigen“ oder „einen militärischen Coup zum Machterhalt“ anstiftet oder „sich für eine Begnadigung bestechen lässt“. Ihre schockierende Antwort lautet: „Immun, immun, immun.“

Vor ein paar Jahren noch mögen solche Alptraumszenarien konstruiert geklungen haben. Mit dem drohenden Wahlsieg von Trump werden sie erschreckend real. Der 78-Jährige will nach eigenem Bekunden „Diktator für einen Tag“ sein. Das oberste Gericht hätte dagegen offenbar keine Einwände. (rnd)

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