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Neue Protestwelle erwartetIran bestätigt erstes Todesurteil – Deutscher Botschafter einbestellt

Lesezeit 3 Minuten
Menschen protestieren in Teheran auf der Straße und haben Barrikaden errichtet. Es brennen Feuer. Viele Demonstranten tragen Gesichtsmasken.

Proteste gegen das Regime in Teheran. Für die kommenden Tage wird eine weitere intensive Protest-Welle erwartet. (Archivbild)

Im Iran werden in den kommenden Tagen erneut heftige Proteste erwartet. Anlass ist der Jahrestag der Niederschlagung von Demonstrationen im Jahr 2019. Ein „Unruhestifter“ wurde unterdessen verurteilt.

Im Iran haben am Dienstag viele Menschen zu einem Generalstreik und weiteren Protesten gegen das Regime in Teheran aufgerufen. Der Streik gelte Beobachtern zufolge auch als Protest gegen die blutige Niederschlagung von Demonstrationen im Jahr 2019, die sich in diesen Tagen zum dritten Mal jährt. Laut der Nachrichtenagentur Reuters waren damals 1500 Menschen in nur wenigen Tagen weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit getötet worden.

Am Dienstagmorgen kursierten bereits Videos von geschlossenen Ladenzeilen in den sozialen Netzwerken. Laut der Menschenrechtsorganisation „Hengaw“ wird der Streik vor allem in kurdischen Städten großflächig umgesetzt.

Viele Beobachter und Aktivisten befürchten, dass Teheran – wie bereits 2019 – mit einer Internetsperre auf die neue Protestwelle anlässlich des Gedenkens an die Todesopfer der damaligen Proteste reagieren könnte. Auch dass das Regime im Schatten einer solchen Sperre zu noch brutaleren Maßnahmen greifen könnte, wird befürchtet. Die volle Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit sei nun dringend notwendig, heißt es oft.

Iran: Revolutionsgericht verurteilt „Unruhestifter“ zum Tode

Nach Berichten über ein Todesurteil und Haftstrafen gegen Demonstranten im Iran ist die US-Regierung unterdessen „zutiefst besorgt“ über die Lage in dem Land. „Die Augen der Welt sind auf den Iran gerichtet“, teilte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Montag mit. Die von der iranischen Regierung begangenen Menschenrechtsverletzungen dürften nicht ohne Konsequenzen bleiben, forderte er. Hunderte Demonstranten, die bereits getötet worden seien, verdienten Gerechtigkeit.

Ein Revolutionsgericht hatte der staatlichen Nachrichtenagentur Irna zufolge zuvor einen „Unruhestifter“ wegen Brandstiftung an einer staatlichen Einrichtung sowie Gefährdung der nationalen Sicherheit zum Tode verurteilt. Fünf weitere Personen waren demnach wegen Ordnungswidrigkeiten und Störung des öffentlichen Friedens zu Haftstrafen zwischen fünf und zehn Jahren verurteilt worden. Gegen die Urteile könne noch Berufung eingelegt werden, hieß es am Sonntag.

Nach scharfen Worten von Olaf Scholz: Iran bestellt deutschen Botschafter ein

Das iranische Außenministerium hat derweil am Montag den deutschen Botschafter in Teheran einbestellt. Dabei sei es um die Verbindung deutscher Staatsbürger zu den seit Wochen andauernden Protesten im Iran gegangen, erklärte Ministeriumssprecher Nasser Kanani. Botschafter Hans-Udo Muzel wurden demnach „Informationen, Beweise und Erklärungen“ gezeigt und eine diplomatische Antwort wurde einfordert.

Polizei und Militär im Iran hatten in den vergangenen Wochen mit oft tödlicher Gewalt auf die Proteste reagiert. Ausgelöst wurden die Demonstrationen durch den Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini, die von der sogenannten Sittenpolizei festgenommen worden war, weil sie ihr Kopftuch nicht gemäß der Regeln getragen haben soll. Der Iran wirft dem Ausland vor, hinter den Protesten zu stehen, die Teheran als „Unruhen“ bezeichnet.

Mehr als 300 Menschen sollen seit Beginn der Proteste getötet worden sein. Mehr als 15.000 seien laut Angaben von Menschenrechtsorganisation mittlerweile inhaftiert worden – ihnen droht die Todesstrafe. Berichte von Gefangenen deuten zudem auf weitere Menschenrechtsverletzung hin. „Wenn du dich bewegst, werden wir dich totprügeln“, sagte eine der zuvor Inhaftierten der „taz“ über Drohungen durch Sicherheitskräfte während ihrer Haft.

Anfang Oktober wurden im Zusammenhang mit den Protesten neun Ausländer festgenommen, darunter Bürger Deutschlands, Frankreichs, Italiens, der Niederlande und Polens. Kanani erklärte, es seien „rechtliche Maßnahmen“ für Länder und Ausländer mit Verbindung zu den Protesten ergriffen worden. Die Einbestellung des Botschafters erfolgte wenige Tage nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz scharfe Kritik am Vorgehen der iranischen Behörden geäußert hatte. „Einzig und allein die iranische Regierung ist verantwortlich für die Gewaltexplosion“, sagte Scholz. (mit dpa/afp)