Die Situation für die Protestierenden im Iran wird immer gefährlicher. Die politische Elite in Teheran hat nun harte Urteile gefordert – bis hin zur Todesstrafe.
„Schlachten eigene Jugend ab“Irans Parlament fordert Todesstrafe für Demonstranten
Das iranische Parlament hat sich staatlichen Medien zufolge mit großer Mehrheit für harte Strafen für inhaftierte Demonstranten ausgesprochen. Bereits am Sonntag hatten 227 von 290 Parlamentariern die Justiz aufgefordert, entsprechende Urteile zu verhängen. Die Politiker werfen den Teilnehmern an der Revolution im Iran einen „Krieg gegen Gott“ vor – was nach islamischen Recht die Todesstrafe zur Folge haben könnte. Bereits in der Vorwoche waren erste Todesurteile gegen Demonstranten im Eilverfahren und unter zweifelhaften Bedingungen verhängt worden.
Bei der Erklärung der Hardliner im iranischen Parlament handelt es sich zunächst um einen Appell. Dass Todesurteile in dem von den Politikern geforderten Ausmaß ausgesprochen oder vollstreckt werden, gilt als unwahrscheinlich, ist jedoch auch nicht ausgeschlossen. Irans Justiz hatte angekündigt, keine Gnade zeigen zu wollen.
Proteste im Iran: Mehr als 14.000 Menschen festgenommen, 1000 bereits angeklagt
Seit Beginn der systemkritischen Proteste im Iran sind laut Menschenrechtsorganisationen mehr als 14.000 Menschen festgenommen worden – und somit nun vom Appell der religiösen Hardliner bedroht.
Mehr als 1000 Menschen seien im Kontext der Proteste bisher angeklagt worden, gab ein Justizsprecher am Dienstag unterdessen bekannt. Mehrere Kriminal- und Revolutionsgerichte befassen sich demnach mit den Fällen. Die Verhandlungen sollen in der Mehrheit öffentlich sein. Weitere Details zu den Anklagen gab es nicht.
In der Erklärung hieß es der staatlichen Nachrichtenagentur Irna zufolge: „Amerika und andere Feinde sind bei den Unruhen offen ins Feld getreten und haben die Verantwortung übernommen, die Unruhen anzustiften und zu organisieren“. Bereits in den vergangenen Wochen hatte Teheran seine Erzfeinde für die Proteste verantwortlich gemacht. Politische Reformen sind bisher nicht in Sicht.
Iran: Sicherheitskräfte eröffnen Feuer auf Demonstrierende
Am Wochenende hatten iranische Sicherheitskräfte unterdessen erneut das Feuer auf Demonstranten eröffnet. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Hengaw mit Sitz in Oslo wurden Dutzende Demonstranten verletzt. Auch Todesopfer wurden befürchtet.
In Deutschland mehren sich derweil die Stimmen, die sich für mehr Engagement für die Menschen im Iran von der Bundesregierung, der EU und den Vereinten Nationen aussprechen. Auch das Ende der Verhandlungen über ein Atom-Abkommen mit dem Iran wird vermehrt gefordert.
Der Schriftsteller und Friedenspreisträger Navid Kermani verlangte in der Solidaritäts-Ausgabe des „Kölner Stadt-Anzeiger“, die Bundesregierung müsse sich „endlich klar gegen die Islamische Republik positionieren. Warme Worte und symbolische Sanktionen reichen nicht.“ Die Journalistin Natalie Amiri kritisierte unterdessen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der sich bisher kaum zum Iran eingebracht hat. „Es ist beschämend“, so Amiri. Nicht nur bei Exil-Iranern in Deutschland herrsche darüber Entsetzen.
Joschka Fischer zum Iran: Regime „schlachtet die eigene Jugend ab“
Der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) verteidigte im Gespräch mit dem „Stern“ unterdessen die langjährigen Bemühungen um ein Atom-Abkommen mit Teheran. „Atomwaffen in iranischen Händen, das würde Krieg in der Region bedeuten, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Israel diese existentielle Bedrohung hinnehmen würde“, sagte Fischer.
Dass die Menschen im Iran in diesem Ausmaß auf die Straße gehen und für ihre Freiheit kämpfen, sei jedoch „wichtig und richtig“, erklärte der Grünen-Politiker. Ihn bedrücke, wie das Regime „die eigene Jugend abschlachtet“, so der ehemalige Außenminister. Er hoffe auf einen Erfolg der Proteste, „denn die Menschen haben es verdient.“ Gerade die Jugend und die Frauen und Mädchen führten einen „täglichen Kampf auf der Straße und riskieren Leben und Gesundheit, Gefängnis und Folter“, erklärte Fischer. (mit dpa)