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Atommacht gegen Fast-AtommachtDiese Gefahren birgt die Eskalation zwischen dem Iran und Israel

Lesezeit 5 Minuten
Eine Israel-Flagge wird bei einer Versammlung im Teheran verbannt.

Israel und Iran überziehen sich gegenseitig mit Vergeltungsdrohungen.

Israel verfügt über Atomwaffen, Iran könnte nach Experteneinschätzung schnell aufrüsten. Ein Überblick über die bestehenden Gefahren.

Es war die zweite direkte Attacke des Irans auf Israel binnen weniger Monate: Mit bis zu 200 Raketen hat der Iran am Dienstagabend Israel angegriffen und dies als Vergeltung für Tötungen von Führern der in Gaza operierenden Terrororganisation Hamas und der auf den Libanon konzentrierten Islamisten-Miliz Hisbollah bezeichnet. Beide Organisationen werden vom Iran unterstützt.

Die israelische Regierung hat nun ihrerseits wieder Rache geschworen. Der Iran droht zurück. Die nächste Antwort seines Landes werde „noch härter ausfallen“, erklärte etwa Außenminister Abbas Araghchi. Präsident Mahmud Peseschkian verkündete via X (vormals Twitter): „Dies ist nur ein Bruchteil unserer Fähigkeiten. Legen Sie sich nicht mit Iran an.“ Israel besitzt Atomsprengköpfe, der Iran arbeitet an einem Atomprogramm – die Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung steht also zumindest im Raum. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie nah ist der Iran an der Herstellung von Atomwaffen?

Offiziell nützt der Iran Atomkraft nur für Energieherstellung. Atomwaffen hat das Land nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA bisher noch nicht, könnte sie aber schnell herstellen, weil der Anteil des für die Waffen nötigen hochangereicherten Urans so hoch ist. „Kein Land, das noch keine Atombombe hat, reichert Uran auf diesem Niveau an: 60 Prozent“, sagte IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi im Frühjahr der ARD. Wie schnell das gehen könnte, schätzen Experten unterschiedlich ein – der Zeitraum variiert von wenigen Wochen bis zu einem Jahr.

Wie ist der Stand der internationalen Kontrolle?

In einem mühsam ausgehandelten Atomabkommen (Wiener Nuklearvereinbarung - JCPoA) hatte sich der Iran 2015 zu einer Reduktion seines Atomprogramms verpflichtet – im Gegenzug wurden Wirtschaftssanktionen aufgehoben. Das Abkommen wurde allerdings 2018 vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump gekündigt.

Der Iran steigerte prompt seine Atomaktivitäten, unter anderem durch die Erhöhung des Anreicherungsgrades und den Bau effizienterer Zentrifugen. Der von Trumps Nachfolger Joe Biden unternommene Versuch, das JCPoA wieder in Kraft zu setzen, scheiterte. IAEA-Inspektoren sind, mit einigen Hindernissen, weiter im Land. Die Wiederaufnahme von Verhandlungen wird durch die iranische Regierung angeboten.

Was will die iranische Staatsführung?

Der faktische Staatsführer, das religiöse Oberhaupt Ali Chamenei, hat Atomwaffen Anfang der 2000er Jahre verboten und dies 2019 wiederholt. Bau und Lagerung von Atombomben bezeichnete er als falsch ihren Einsatz als „haram“, also aus religiösen Gründen verboten. Aus seinem Umfeld verlautete allerdings dieses Jahr, dass sich diese Doktrin auch ändern lasse – etwa im Falle eines massiven Angriffs Israels.

Der nach dem Unfalltod seines Vorgängers neu gewählte Präsident Mahmud Peseschkian betonte nach seinem Amtsantritt im Sommer ausdrücklich, dass die Verteidigungsdoktrin seines Landes keine Atomwaffen vorsehe. Seine Regierung hat sich interessiert an neuen Verhandlungen zum Atomprogramm gezeigt – weil die Wirtschaftssanktionen dem Land zu schaffen machen.

Wie viele Atomwaffen besitzt Israel?

Offiziell gibt es dazu aus Israel keine Angaben, geschätzt wird die Zahl der Atomsprengköpfe auf mindestens 80. In Medien kursiert aber auch die Zahl von bis zu 400. Es kann als sicher gelten, dass die USA als engster Verbündeter den Einsatz von Nuklearwaffen wegen der unkalkulierbaren Folgen nicht nur für die Stabilität der Region, sondern auch für Menschen und Umwelt, nicht unterstützen würde.

Was meint Israels Premierminister Benjamin Netanjahu mit seiner Ankündigung von Vergeltung für Irans Raketenangriff?

Das ist noch unklar. Zuletzt hat Israel sich unter anderem auf die Tötung einzelner Personen aus der Führungsebene von Hamas und Hisbollah konzentriert – unter Inkaufnahme einer zum Teil beträchtlichen Anzahl ziviler Opfer. Die „New York Times“ berichtet unter Berufung auf US-Beamte von einem Angriff Israels auf iranische Nuklearanlagen als mögliche Variante. Im Visier stehen könnten insbesondere die Anreicherungsanlagen in Natans, dem Herzstück des iranischen Atomprogramms. Denkbar sind allerdings auch Angriffe auf Infrastruktureinrichtungen wie die Energieversorgung.

Wer sind die Verbündeten Irans?

In der arabischen Welt ist der Iran keineswegs wohlgelitten. Mit dem autoritären syrischen Regime läuft es gut. Mit Saudi-Arabien dagegen liefert er sich im Jemen einen Stellvertreterkrieg. Jemens Huthi-Milizen werden vom Iran unterstützt und tragen unter anderem durch Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer zur Destabilisierung der Region bei.

Die islamistischen Organisationen Hamas in Gaza und Hisbollah im Libanon gelten als „Proxies“ des Iran, also als eine Art Handlanger. Eng verbunden ist der Iran mit Russland, dem sie eifrig Waffen unter anderem für den Ukraine-Krieg liefern. Allerdings hat Russland auch Verbindungen zu Israel – zahlreiche russischstämmige Juden haben sich dort niedergelassen. Auch zur Türkei bestehen enge Verbindungen.

Wer sind die Verbündeten Israels?

Der mächtigste und waffengewaltigste Verbündete ist sicher die USA, die auch bei der Abwehr des jüngsten iranischen Angriffs halfen. Auch Deutschland steht – bei aller Kritik am Kurs der israelischen Regierung – an der Seite Israels und hat dessen Existenz zur deutschen „Staatsräson“ erklärt.

In der arabischen Welt hatte sich vor der Eskalation nach den Massakern der Hamas vor einem Jahr die feindliche Stimmung gegen Israel etwas abgeschwächt – auch aus der Erkenntnis heraus, dass ein fortwährender oder sogar zugespitzter Konflikt die gesamte Region wirtschaftlich schwächen würde. Bemerkenswert ist, dass auch arabische Staaten sich seit einem Jahr mit darum bemühen, eine Friedenslösung für Israel und Gaza zu erreichen.