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Biden überrascht bei PressekonferenzWichtige Botschaften und eine Mahnung an Netanjahu

Lesezeit 4 Minuten
TOPSHOT - US President Joe Biden speaks during the daily press briefing at the White House in Washington, DC, on October 4, 2024. (Photo by ANDREW CABALLERO-REYNOLDS / AFP)

Joe Biden bei der Pressekonferenz im Weißen Haus.

Zum ersten Mal in seiner Amtszeit taucht US-Präsident Joe Biden unerwartet bei der täglichen Pressekonferenz des Weißen Hauses auf.

Auf diesen Moment haben die 49 Korrespondenten, die einen festen Sitzplatz im engen Briefing Room des Weißen Hauses haben, und ihre Kolleginnen und Kollegen, die sich zur täglichen Pressekonferenz stehend an den Wänden drücken, seit vier Jahren gewartet: Die hölzerne Schiebetür links in der Stirnwand des aus unzähligen TV-Politserien bekannten Saales wird zur Seite geschoben – und heraus tritt der US-Präsident. „Mein Name ist Joe Biden“, stellt sich der 81-Jährige scherzhaft vor: „Willkommen im Swimmingpool.“ Die Reporter verstehen den Insiderwitz (an der Stelle befand sich früher mal ein Mini-Schwimmbad) und lachen.

Locker, schlagfertig und gut gelaunt tritt der amerikanische Präsident am Freitagnachmittag völlig unerwartet vor die Presse. Man fragt sich, warum er das nicht schon viel eher gemacht hat wie Josiah Bartlet, der fiktive Präsident aus der Kultserie „West Wing“. Wie Bartlet beherrscht Biden das Spiel mit der Medienmeute. Frühere Auftritte hätten vielleicht manche Gerüchte widerlegt und böse Berichte verhindert. Aber zu groß war die Sorge von Bidens Beratern, der Präsident könne mal wieder in ein Fettnäpfchen treten. So gab der mächtigste Politiker der Welt nur selten Pressekonferenzen. In den Briefing Room des Weißen Hauses traute er sich nie.

Gute Nachrichten vom Arbeitsmarkt

Heute aber will er eine Botschaft loswerden. „In den vergangenen beiden Tagen hat es einige wirklich gute Nachrichten über die amerikanische Wirtschaft gegeben“, strahlt er. Ein Werftarbeiterstreik, der das Land ausgerechnet zur Wahl mit Lieferengpässen ins Chaos zu stürzen drohte, wurde unerwartet verschoben. Und dann sind da die aktuellen Zahlen vom Arbeitsmarkt: 245.000 neue Jobs sind alleine im September dazugekommen.

Die ökonomische Lage der USA ist deutlich besser als die gefühlte. Und auch als das düstere Zerrbild, das die Republikaner im Wahlkampf malen. Vielleicht ist es Biden deshalb so wichtig, die Neuigkeiten persönlich zu kommentieren und sein politisches Erbe zurechtzurücken. „Die Republikaner sagen, dass die Zahlen nicht stimmen“, ruft ein Reporter in den Raum. „Alles, was die Maga-Republikaner nicht mögen, nennen sie ‚fake‘“, kontert Biden gelassen.

Warnung vor Angriff auf iranische Öl-Raffinerien

Angesichts der weltpolitischen Lage kann es Biden nicht überraschen, dass er auf die Lage im Nahen Osten und den drohenden militärischen Vergeltungsschlag Israels gegen den Iran angesprochen wird. Der Präsident bekennt offen, dass er einen Angriff auf die Öl-Raffinerien des Mullah-Staates für keine gute Idee hält: „Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich über andere Alternativen nachdenken.“

Freilich mahnt Biden seit Monaten den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zur Zurückhaltung, ohne dass dieser sich darum zu scheren scheint. Ob er glaube, dass Netanjahu den US-Wahlkampf zugunsten seines Freundes Donald Trump beeinflussen wolle, wird Biden gefragt. Das wisse er nicht, antwortet dieser, aber: „Keine Regierung hat Israel mehr geholfen als ich. Keine. Keine. Keine“, erwidert er: „Ich denke, daran sollte sich Bibi erinnern.“

Das ist eine ungewöhnlich offene Mahnung an den Verbündeten und wohl auch ein Zeichen der wachsenden Frustration von Biden, der gehofft hatte, seine Präsidentschaft mit einem Waffenstillstand im Nahen Osten krönen zu können.

Hinter dem Rednerpult wirkt Biden zunehmen animiert und kampfeslustig. Auch für seinen Gegenspieler Donald Trump findet er überdeutliche Worte. Eine Reporterin hat ihn gefragt, mit welchen Erwartungen er auf die Präsidentschaftswahl am 5. November schaut. „Ich bin zuversichtlich, dass die Wahlen frei und fair werden“, lautet seine Antwort. Dann fügt er ernst hinzu: „Ich weiß nicht, ob sie friedlich bleiben. Die Dinge, die Trump gesagt hat, sind sehr gefährlich.“

Der Präsident muss weiter. Er hat Termine. Mehrfach will Sprecherin Karine Jean-Pierre den Auftritt beenden, doch immer lässt Biden noch eine Frage zu. Nach einer Viertelstunde endlich wendet er sich vom Pult ab und stakst zur Tür. Kurz bevor er verschwindet, hört er noch eine letzte Frage aus dem Raum: Ob er es bereue, sich von der Kandidatur zurückgezogen zu haben? Joe Biden bleibt stehen, dreht sich um, schmunzelt in sich hinein – und dann antwortet er: „Ich bin wieder dabei.“ Fast könnte man ihm glauben.