Der 56-Jährige ist einer der wichtigsten Vertrauten von Olaf Scholz. Nun ersetzt er bis zur Neuwahl Christian Lindner.
Jörg KukiesWer ist der Vertraute von Scholz und neue Finanzminister?
Jörg Kukies war immer schon dort, wo Olaf Scholz erst noch hin musste. Auf den großen internationalen Gipfeln verhandelte er als des Kanzlers beamteter Staatssekretär für Wirtschaft und Finanzen mit seinen Amtskollegen aus den anderen Ländern über die komplizierten Communiqués, die die Staats- und Regierungschefs dann verabschiedeten. Denn bis zu deren Eintreffen an den Gipfelorten muss grundsätzlich klar sein, wohin die Reise geht - welche Tabus es mit Russland und China oder auch Brasilien und Indien gibt und wo mögliche Kompromisslinien verlaufen.
Nun wird dieser „Sherpa“, wie diese Experten für Gipfeltreffen genannt werden, selbst Minister. Finanzminister, wenn auch nur für kurze Zeit. Scholz hat den bisherigen Amtsinhaber Christian Lindner (FDP) am Mittwochabend aus dem Kabinett geworfen, weil die Differenzen in der Haushaltspolitik nicht mehr überbrückbar waren.
Kukies ist ein Arbeitstier, erschöpft wirkt er selten
Kukies ist dagegen in der Disziplin, Kompromisse zu schmieden, erfahren. Die Sherpas spielen bei den G20- und G7-Gipfeln eine entscheidende Rolle, bleiben aber immer im Hintergrund. Ihr Titel leitet sich ab von den viel gerühmten Bergführern, die Profis und Touristen bei der Gipfel-Besteigung helfen. Sie sichern die Wege, bauen Brücken und halten die Extremlagen aus.
Wie in den Bergen ist es auch in der Politik: Sie ernten für ihre Arbeit keinen öffentlichen Ruhm. Sie fahren und denken immer voraus, aber man sieht sie nicht. Ein Mann, der sein Ego zügeln kann, ist jetzt auf dem Posten des Finanzministers ein Vorteil. Der Haushalt ist in der verbleibenden Minderheitsregierung das schwierigste Kapitel.
Kukies kommt da zu Gute, dass er wenig Schlag braucht. Erschöpft wirkt er selten. Nur einmal. Da sah man ihm im Mai 2022 schon auf dem Hinflug nach Südafrika im Flugzeug an, dass er angeschlagen war. Beim Begrüßungszeremoniell in Johannesburg in der Sonne ist er dann einfach zusammenklappt. Schwächen gesteht er sich nicht zu. Wenig später twitterte er: „Alles gut. Ich bin schon wieder in action beim bilateralen Treffen zwischen Präsident Cyril Ramaphosa und Olaf Scholz!“
Kukies beherrscht das Understatement – jetzt geht er in die erste Reihe
Es lag in der Natur seines Amtes als Kanzlerberater, dass er sich nur selten öffentlich äußerte. Über Scholz sagte er im vorigen Jahr im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Der Bundeskanzler hat eine Aversion dagegen, Sprechzettel zu verlesen. Er will Meinungen hören, eine offene Diskussion mit den Fachleuten im Kanzleramt.“ Über sich selbst sagte er schlicht: „Für meine Aufgabe ist es von Vorteil, Erfahrung damit zu haben, wie Investoren denken und welche Faktoren für sie entscheidend sind.“ Das beherrschen sie perfekt, die Berater: Understatement. Nun geht er in die erste Reihe.
Seine Erfahrungen hat Kukies unter anderem als Co-Vorsitzender von Goldman Sachs in Deutschland gemacht. 2018 holte Scholz ihn als Staatssekretär ins Finanzministerium und nahm ihn 2021 mit ins Kanzleramt. Dass ein Investmentbanker zuständig für Finanzmarktregulierung sein soll, war manchen in der SPD nicht geheuer. Da nützte es auch nichts, dass Kukies als junger Mann einmal Juso-Vorsitzender in Rheinland-Pfalz war. Dass er den Wirecard-Skandal nicht rechtzeitig erkannt hat, trug ihm Spott später ein.
Der Wechsel in die Regierung dürfte für den Wirtschaftswissenschaftler starke Gehaltseinbußen bedeutet haben. Auf der anderen Seite ist die Währung Macht unbezahlbar. Schon als Sherpa war für Kukies nach dem Gipfel vor dem Gipfel. Als Bergführer war er zwar schon immer dort, wo die Luft dünner wird. Aber nun wird er sichtbar und trägt für Entscheidungen auch öffentlich die Verantwortung.