Emotionale Szenen in Australien„Russia Today“-Chefin hofft auf Assange-Rückkehr zu Propaganda-Sender

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Julian Assange umarmt seine Ehefrau Stella nach seiner Ankunft in Canberra. Nach einer 14-jährigen juristischen Odyssee ist Assange nun in seine Heimat zurückgekehrt.

Julian Assange umarmt seine Ehefrau Stella nach seiner Ankunft in Canberra.Nach einer 14-jährigen juristischen Odyssee ist Assange nun in seine Heimat zurückgekehrt.

Julian Assange ist frei – in Australien herrscht Freude. In Moskau hofft man derweil prompt auf Assanges Rückkehr zu einem Kreml-Medium.

Es waren emotionale Szenen, die sich am Flughafen in der australischen Hauptstadt Canberra am Mittwoch abgespielt haben. Nach einer jahrelangen Saga konnte Wikileaks-Gründer Julian Assange seine Ehefrau Stella in den Arm nehmen – als freier Mann. Nach einer 14-jährigen juristischen Odyssee ist Assange nun in seine Heimat zurückgekehrt. Die Freilassung sorgt für Freude in Australien – aber auch in Russland. Dort hofft man auf eine Rückkehr des ehemaligen „Russia Today“-Autors.

Assange küsste seine Frau mehrmals innig. Gleich darauf konnte Assange auch seinen Vater John Shipton umarmen. Zahlreiche Augenzeugen jubelten, als Assange die Chartermaschine verließ. Es waren „Willkommen zu Hause“-Rufe zu hören. Der Australier winkte den Menschen zu und reckte mehrmals eine Siegerfaust in den Himmel.

„Flugnummer VJT199“ wurde weltweit mit Spannung verfolgt

Die Chartermaschine vom Typ Bombardier mit dem 52-Jährigen an Bord landete am Mittwochabend (Ortszeit) in der Hauptstadt Canberra, wie Daten der Plattform „Flightradar24“ zeigten. Die Flugnummer VJT199, die Stella Assange und Wikileaks zuvor in sozialen Medien genannt hatten, war seit Tagen die von Nutzern weltweit am meisten beobachtete Verbindung. Tausende Menschen verfolgten die Landung live in sozialen Netzwerken.

Rund 500.000 US-Dollar (465.000 Euro) musste Assange für die Dienste des Privatjets nach Angaben seiner Ehefrau bezahlen. Dafür sei ein Kredit notwendig gewesen, sagte Stella Assange der britischen Nachrichtenagentur PA. 

Julian Assange zahlt horrende Summe für Charterflug nach Australien

Assange war mit der Maschine bereits am Montag von London über Bangkok auf die Marianen-Insel Saipan geflogen, ein US-Außengebiet im Westpazifik. Nachdem er dort am Mittwochmorgen von einem Gericht offiziell in die Freiheit entlassen wurde, machte er sich umgehend auf den Weg in die Heimat. Beobachtern zufolge will er sich dort nun erstmals öffentlich zu dem juristischen Deal mit den US-Behörden äußern.

Ein Gericht auf Saipan hatte den Deal zuvor abgesegnet. Im Gegenzug für ein teilweises Schuldbekenntnis bezüglich amerikanischer Spionagevorwürfe wurde Assange seine fünfjährige Haftzeit in Großbritannien angerechnet. Damit ist er ein freier Mann. Von 2010 an hatte Wikileaks geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan der Whistleblowerin Chelsea Manning veröffentlicht.

Wikileaks-Gründer Julian Assange: Umstrittener „Cyber-Warrior“

Assanges Image als weißhaariger „Cyber-Warrior“ litt im Laufe der Jahre jedoch – insbesondere als Wikileaks 2016 während des US-Präsidentschaftswahlkampfs tausende E-Mails aus dem Team der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton veröffentlichte, was dem Republikaner Donald Trump zugutekam.

Julian Assange reckt nach seiner Ankunft in Australien die Daumen nach oben.

Julian Assange reckt nach seiner Ankunft in Australien die Daumen nach oben.

Laut dem US-Geheimdienst stammten die Dokumente von russischen Agenten, was Wikileaks jedoch bestreitet. Diese Veröffentlichung nährte bei Kritikern den Verdacht, Assange arbeite mit Russland zusammen.

Als Wikileaks Dokumente ungeschwärzt veröffentlichte und damit Quellen gefährdete, brachte Assange das auch die Kritik jener Medien ein, die zuvor mit ihm zusammengearbeitet hatten. Dennoch forderten „Der Spiegel“, die „New York Times“ und andere Zeitungen 2022 Washington auf, die Anklage gegen Assange fallen zu lassen: „Denn Journalismus ist kein Verbrechen.“

Scharfe Kritik aus Belarus an Julian Assange und Wikileaks

Die Kritik an dem Australier bleibt jedoch. „Assange ist kein Held und kein Journalist“, schrieb der belarussische Oppositionelle Andrei Sannikow beim sozialen Netzwerk X. „Er und seine Kollegen haben so viele Menschenleben in Lebensgefahr gebracht, nicht nur das des US-Geheimdienstes und seiner Quellen, sondern auch das der Freiheitskämpfer“, führte Sannikow aus. Der Politiker warf Wikileaks vor, die Opposition in Belarus „verraten“ zu haben. 

Auch der Historiker Matthäus Wehowski äußerte sich kritisch. Er verstehe nicht, warum Assange „kritiklos abgefeiert“, teilweise höre es sich in Medienberichten an, „als sei Mandela in Freiheit gekommen“, führte Wehowski aus und fügte an: „Wikileaks hat dem KGB in Belarus geholfen, Oppositionspolitiker zu verhaften. Von einigen fehlt bis heute jede Spur.“

Assange in Freiheit: Freude in Australien – Einreisesperre für USA

Die Reaktionen auf Assanges Freilassung fielen dementsprechend unterschiedlich aus. Der australische Premierminister Anthony Albanese zeigt sich erfreut über die Freilassung. „Es mag unterschiedliche Ansichten über die Aktivitäten von Herrn Assange geben, aber sie werden trotzdem erfreut sein, dass diese Saga zu Ende ist und er wieder mit seiner Familie vereint werden kann“, erklärte Albanese. 

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärte unterdessen am Rande eines Nahost-Besuches, sie sei froh darüber, dass der Fall, „endlich eine Lösung gefunden hat.“ Die USA haben dem Wikileaks-Gründer derweil die Einreise in die Vereinigten Staaten ohne Erlaubnis untersagt. Gemäß der mit dem 52-Jährigen getroffenen Vereinbarung dürfe Assange nicht ohne Erlaubnis in die USA zurückkehren, erklärte das US-Justizministerium.

RT hofft auf Rückkehr von Assange zu russischem Propaganda-Sender

Auch aus Russland gab es eine Reaktion: „Jeder hat bekommen, was er wollte“, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow – und verzichtete auf einen weiteren Kommentar. Bei den russischen Propaganda-Medien gab man sich weniger zurückhaltend.

Assange sei „der beste Journalist unserer Zeit“, erklärte „RT“-Chefin Margarita Simonyan gegenüber „Sputnik“. Sie hoffe, dass Assange in sein „aktives Leben“ zurückkehre, sagte Simonjan und erinnerte daran, dass Assange einst eine Sendung bei ihrem Sender hatte. „Wir würden uns freuen, sie wieder auf Sendung zu bringen“, fügte sie an. (mit afp/dpa)

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