Der Rückzug von Pistorius ist für viele enttäuschend, könnte sich aber noch als heilsam erweisen, kommentiert Andreas Niesmann vom RND.
K-Frage in der SPDBoris Pistorius zieht sich gerade noch rechtzeitig zurück
Zwei Wochen lang hat die SPD mit sich gerungen, jetzt ist die Entscheidung gefallen: Der alte Kanzler ist der neue Kandidat, Olaf Scholz wird die Partei in die Wahl führen. Auf den ersten Blick scheint das beinahe verrückt: Statt mit Boris Pistorius den beliebtesten Politiker des Landes zu nominieren, setzen die Genossen auf den letzten im Top-20-Ranking.
Vor allem in der Bundestagsfraktion und im mitgliederstärksten Landesverband Nordrhein-Westfalen wird die Enttäuschung groß sein. Die Chance auf einen Neuanfang hat die SPD vertan. Und doch könnte sich die Entscheidung noch als klüger erweisen als es derzeit scheint - für Olaf Scholz, Boris Pistorius und die SPD.
So geht man nicht miteinander um
Allen Beteiligten hilft es, dass das unwürdige Schauspiel der vergangenen Tage nun vorbei ist. In aller Öffentlichkeit haben die Genossen ihren Kanzler demontiert. Selbst als dieser im Ausland war, nahmen die Attacken kein Ende. So geht man nicht miteinander um, und eigentlich hatten sich die Sozialdemokraten das nach dem erzwungenen Rücktritt von Andrea Nahles in die Hand geschworen. In der Angst um Ämter und Mandate haben viele ihre guten Vorsätze offenbar vergessen.
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Pistorius muss sich vorwerfen lassen, die Debatte durch wohl-temperierte Äußerungen am Köcheln gehalten zu haben. Gerade noch rechtzeitig, um nicht als illoyal dazustehen, hat der Mann aus Niedersachen die Kurve gekriegt.
Durch seinen Rückzug verliert er die kleine Chance aufs Kanzleramt und gewinnt die große, der kommende starke Mann der SPD zu werden. Sollte es zu einer Neuauflage von Schwarz-Rot unter Friedrich Merz kommen, wird an einem Vizekanzler Pistorius kein Weg vorbeiführen.
Und Olaf Scholz, auf den die Abgesänge schon geschrieben waren, hat sich einmal mehr als zäh erwiesen. Er bekommt nun die Chance zu beweisen, dass seine Kanzlerschaft kein historisches Missverständnis war. Es wird seine letzte sein.