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Kommentar

Arbeitsrecht
Katholische Kirche streckt im „Hebammenfall“ die Waffen

Lesezeit 3 Minuten
Das Foto zeigt ein Schild mit der Aufschrift "Cour de Justice de l'Union Européene" vor einem Gebäude des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg.

Der Fall einer Hebamme, der die Caritas wegen Austritts aus der Kirche gekündigt hatte, ging bis vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

Die Caritas hat die Kündigung einer aus der Kirche ausgetretenen Hebamme zurückgenommen. Christoph Schmitz-Scholemann erklärt die Hintergründe.

Vor Kurzem endete still und leise, man könnte fast meinen klammheimlich ein spektakulärer Rechtsstreit, der sogenannte Hebammenfall. Ein katholisches Krankenhaus der Caritas, das auch nicht-katholische und ungläubige Mitarbeitende beschäftigt, hatte einer Hebamme gekündigt, weil sie - nach wie vor gläubig - aus Enttäuschung über die diversen Missbrauchsskandale aus der Kirche ausgetreten war. Die Frau fühlte sich diskriminiert und zog vor Gericht. Ihr Fall ging bis hinauf an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Christoph Schmitz-Scholemann

Christoph Schmitz-Scholemann

Zunächst hatte das Landesarbeitsgericht Hamm die Klage abgewiesen, die Hebamme legte Revision ein. Das Bundesarbeitsgericht – eingeklemmt zwischen dem Bundesverfassungsgericht, das die Sonderrechte der Kirche wie Kronjuwelen hütet, und dem eher laizistischen europäischen Antidiskriminierungsrecht – legte die Sache dem EuGH vor (Az C-630/22). Aus dem Verlauf der mündlichen Verhandlung im September 2022 erschloss sich, dass die Europa-Richter massive Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung hegten.

Zum Durchhalten ermuntert Obwohl sich die Caritas vom kirchenfreundlichen Lager der arbeitsrechtlichen Community zum Durchhalten ermuntert fühlen durfte, kam sie jetzt kurz vor Weihnachten der sich abzeichnenden Niederlage in Luxemburg zuvor, streckte die juristischen Waffen und erkannte die Unwirksamkeit der Kündigung an. Damit war der EuGH aus dem Spiel. Mit Anerkenntnis-Urteil vom 14. Dezember 2023 (Az 2 AZR 130/21) stellte dann das Bundesarbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung fest. Die Hebamme darf bleiben.

Keine katholische Geburtshilfe

Das ist schön. Aber: Hat die Kirche etwas gelernt? Und wenn ja, was? Die Caritas war mit dem Argument in den Streit gezogen, sie könne als katholische Einrichtung selbst entscheiden, wann sie wen gleichbehandele und wann nicht. Das gehe die Gerichte nichts an. Das Gegenargument des Europarechts ist denkbar einfach und seit Langem bekannt: Wenn die Kirchenmitgliedschaft für die Arbeit nicht nötig ist, kann sie auch keine Kündigung rechtfertigen.

Kirchensteuerzahlende sind als solche offenkundig keine besseren Hebammen als Nichtkirchensteuerzahlende. Es gibt keine katholische Geburtshilfe. Wie es ja auch keine evangelischen Parkverbote oder muslimische Tempolimits gibt.

Anerkenntnis nur für den konkreten Fall

Hat die Caritas diese Logik akzeptiert? Ist mit dem Anerkenntnis insoweit alles in Ordnung? Leider nein. Es kann jederzeit ein neuer Hebammenfall auftauchen. Die Kirche hat sich durch das Anerkenntnis nur für den konkreten Fall gebunden. Sie könnte ihre bisherigen Ansichten bei einem neuen Fall erneut auftischen und, wenn es ihr gefällt, bis zum ihr bisher zugeneigten Bundesverfassungsgericht gehen und die Sache dort durchfechten. Der Rückzieher im Hebammenfall wäre dann nichts weiter als ein Ausdruck opportunistischer Prozess-Schläue.

Möglich ist allerdings auch, dass die Caritas sich entschlossen hat, ausgetretene Kirchenmitglieder künftig nicht mehr schlechter zu behandeln als andere. Das wäre ein anerkennenswerter Sinneswandel. Besinnung auf das Fundament

Es gibt noch eine dritte Option, die für alle Katholiken eigentlich die beste wäre: dann nämlich, wenn der Rückzieher im Hebammenfall – jenseits aller rechtlichen Erwägungen – der Anfang einer Besinnung der kirchlichen Arbeitgeber auf das religiöse Fundament wäre, dem allein sie ihre Sonderrolle verdanken. Und dieses religiöse Fundament bezieht seine Kraft und Stärke nicht aus teuer erkaufter Rechtsmacht und juristischer Schläue, sondern aus dem Bekenntnis zu den christlichen Kardinaltugenden, deren wichtigste auf Latein „caritas“ heißt: Liebe.

Ob sich die Caritas daran erinnert hat? Jedenfalls ist nicht überliefert, dass Jesus Christus versucht hätte, zweifelnde Apostel wie Petrus oder Thomas durch Gerichtsprozesse oder Strafandrohungen zur Räson zu bringen.