Johannesburg – Das Auto der Südafrikanerin Melani de Beer sieht in einem Facebook-Post aus, als käme es aus einem Kriegsgebiet. Zerfetzte Reifen, Einschusslöcher in der Frontscheibe, der Wagentür, in Sitzen und der Kühlerhaube.
„Die Polizei spricht von zwölf Schüssen”, berichtete sie in dem Facebook-Beitrag. Am Ende eines erholsamen Jahresausklangs im Krüger-Nationalpark war sie mit ihren beiden Kindern auf dem Weg nach Hause, als sie überfallen wurden. Nach dem Verlassen des Numbi-Einganges war sie nach eigenen Worten mit ihrem Camping-Anhänger im Schlepptau auf der Landstraße unterwegs, als 20 Kilometer vom Ort White River entfernt zwei bewaffnete Männer neben ihrem Wagen auftauchten, schreibt sie.
Kugel trifft Tochter am Bein
Der Ort bei dem Dorf Mganduzweni war offenbar gut gewählt, da dort wegen eines nahen Taxenstands eine quer über die Straße montierte Schwelle Autos zum Abbremsen zwingt. Die 39-Jährige gab Gas, konnte aber ein regelrechtes Durchlöchern ihres Wagens nicht verhindern. „Sie begannen zu schießen”, berichtete sie später. Eine der Kugeln traf ihre Tochter am Bein. Die Fahndung nach den Tätern blieb zunächst erfolglos. Die zweifache Mutter und ihre Kinder - die schwer geschockt mit dem Leben davon kamen - sind kein Einzelfall.
Jüngster Fall war ein elfjähriges Mädchen, das im November vor ihrer Schule in Johannesburgs Stadtteil Mayfair verschleppt worden war. Sie sei am Mittwoch lebend in einem Park gefunden worden, teilte die Polizei ohne weitere Angaben zu einer möglichen Lösegeldzahlung mit.
Kidnapping-Fälle um 60 Prozent gestiegen
Von einer regelrechten „Kidnapping-Krise” sprach die auflagenstarke Zeitung „City Press” im vergangenen Monat und schrieb mit Blick auf das zu Ende gehende Jahr 2021: „Eine Kriminalitätsstudie hat enthüllt, dass die Fälle von Kidnapping in Südafrika dieses Jahr um 60 Prozent gestiegen sind.” Es zitierte Vorwürfe, wonach Mitarbeiter der Polizei sowie privater Wachdienste verwickelt sein sollen in diese Kriminalität, die vor allem auf Kinder und Jugendliche zielt.
Der Großraum um die Millionenmetropole Johannesburg und die Hauptstadt Pretoria (Gauteng-Provinz) gilt mit mehr als 2500 Fällen als Schwerpunktregion. Doch auch andere Regionen wie die Mpumalanga-Provinz sind betroffen, in denen der Überfall am Krüger-Nationalpark stattfand. Die Polizei reagierte an einigen besonders riskanten Plätzen bereits mit dem Aufstellen von Warnhinweisen auf sogenannte „Hijacking hotspots”, in denen von einem Stopp am Wegesrand dringend abgeraten wird.
Gerade in Corona-Zeiten mit ihren vielen Job-Verlusten mehren sich dennoch Berichte über oft blutige Kidnapping-Überfälle. „Wir haben Syndikate und auch einige kleinere Gruppen, die jetzt sowohl die Reicheren wie auch die Durchschnittsbürger ins Visier nehmen”, bestätigte Polizeisprecher Vish Naidoo vor Journalisten.
Listen gefährdeter Straßen werden veröffentlicht
Die Sicherheitsfirma Tracker - die sich über die Installation von satellitengestützten Überwachungsgeräten in den Fahrzeugen finanziert - veröffentlicht sogar Listen gefährdeter Straßen, in denen Autofahrer demnach regelmäßig mit Überfällen rechnen müssen. Auch die Polizeistatistik spricht eine deutliche Sprache. Demnach stieg die Zahl derartiger Überfälle landesweit trotz Corona-Restriktionen im öffentlichen Bereich auf knapp 5000 an - nur im Zeitraum zwischen Juli und September vergangenen Jahres.
Die Behörden reagieren mit Aufrufen zu erhöhter Vorsicht - wie auch die für den Krüger-Nationalpark zuständige Verwaltung. Der Tochter von Melani de Beer wünsche man eine schnelle Genesung, hieß es in einer Mitteilung. Die Verwaltung rief zudem die Sicherheitsbehörden zu verstärkten Kontrollen in der Region auf und verwies auf die Bedeutung des Tourismus für den Arbeitsmarkt.
Denn nach rund zweijährigen Corona-Restriktionen liegt der einst blühende Tourismussektor am Boden. Hoffnungsträger sind die nun wieder anziehenden Urlauberzahlen, nachdem der Kap-Staat den Höhepunkt seiner von Omikron getriebenen vierten Infektionswelle gerade hinter sich gelassen und die meisten Beschränkungen wieder aufgehoben hat. Zu diesen Hoffnungsträgern zählt auch eine deutsche TV-Realityshow: Das RTL-Dschungelcamp, das Mitte Januar seine Zelte in der Nähe des knapp 20.000 Quadratkilometer großen Krüger-Nationalparks aufschlagen will.
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