Union und SPD haben ihre Koalitionsverhandlungen abgeschlossen. Was im 140-Seiten starken Koalitionsvertrag steht. Alle Entwicklungen.
KoalitionsvertragSteuern, Migration, Verteidigung - Die wichtigsten Vorhaben von Union und SPD

Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD sind offenbar zu einem Abschluss gekommen.
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Gut sechs Wochen nach der Bundestagswahl haben CDU, CSU und SPD ihre Verhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung abgeschlossen und sich auf einen Koalitionsvertrag verständigt.
Die Parteien müssen dem Vertrag nun noch zustimmen, bevor er dann unterzeichnet und CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag zum Kanzler gewählt werden kann. Bei der SPD stimmen die Mitglieder darüber ab, bei der CDU soll ein kleiner Parteitag darüber entscheiden, bei der CSU der Vorstand.
Rentenniveau von 48 Prozent soll gesetzlich festgeschrieben werden
Union und SPD wollen das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent gesetzlich festschreiben. Diese Haltelinie beim Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente im Verhältnis zum durchschnittlichen Lohn in Deutschland soll bis 2031 gelten, wie aus dem Entwurf des schwarz-roten Koalitionsvertrags hervorgeht.
SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken spricht in der Pressekonferenz von der Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro, dem Festhalten an der Mietpreisbremse und der gesetzlichen Verankerung des Rentenniveaus von 48 Prozent. Frauen und Männer sollen zudem für gleiche Arbeit gleichen Lohn erhalten. Außerdem soll das Bafög überarbeitet werden und eine „WG-Garantie“ kommen.
Bubatz bleibt legal – vorerst
Die von der Ampel-Koalition eingeführte Teillegalisierung von Cannabis bleibt vorerst bestehen. Union und SPD einigten sich nach ihrem am Mittwoch veröffentlichten Koalitionsvertrag lediglich darauf, dass im Herbst „eine ergebnisoffene Evaluierung“ des Gesetzes erfolgt. CDU und CSU hatten in ihrem Wahlprogramm angekündigt, sie wollten die Legalisierung der Droge zurücknehmen.
Das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis war am 1. April 2024 in Kraft getreten. Besitz und kontrollierter Anbau zum privaten Gebrauch sind seither erlaubt, allerdings mit Einschränkungen. Der Konsum im öffentlichen Raum ist beschränkt erlaubt - in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen und in der Nähe von Schulen, Kitas und Sportstätten etwa ist er verboten.
Corona-Politik soll aufgearbeitet werden
Im Kampf gegen das Coronavirus wurden harte Alltagsbeschränkungen verhängt - Streit darum schwelt bis heute. Jetzt sollen sie analysiert werden.
Das staatliche Vorgehen in der Corona-Krise soll nach Plänen von Union und SPD vom Bundestag aufgearbeitet werden. „Wir werden die Corona-Pandemie umfassend im Rahmen einer Enquete-Kommission aufarbeiten, insbesondere um daraus Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse abzuleiten“, vereinbarten CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag.
In der vergangenen Wahlperiode war eine umfassende Analyse und Auswertung der Schutzmaßnahmen mit Masken, Tests und Alltagsvorgaben nicht zustande gekommen. Enquete-Kommissionen des Bundestags gehören Abgeordnete und Experten aus Wissenschaft und Praxis an. Sie legen dem Parlament in der Regel einen Abschlussbericht vor.
Merz will Asylwende – Turboeinbürgerung wird abgeschafft
Union und SPD haben sich im Migrationsbereich außerdem auf eine „Rückführungsoffensive“ geeinigt. Der am Mittwoch bekannt gewordene Koalitionsvertrag sieht zudem vor, freiwillige Aufnahmeprogramme des Bundes „soweit wie möglich“ zu beenden.
Die von der Ampel-Regierung beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren für besonders gut integrierte Zuwanderer soll wieder abgeschafft werden. Darauf haben sich CDU, CSU und SPD bei ihren Koalitionsverhandlungen geeinigt. An der Reduzierung der Wartefrist für normale Einbürgerungen von acht auf fünf Jahre und an der Erlaubnis für den Doppelpass will man demnach aber festhalten.
Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus sollen zwei Jahre lang keine Familienangehörigen mehr nach Deutschland holen dürfen. CDU, CSU und SPD haben sich in ihren Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, dass der Familiennachzug für diesen Personenkreis nur noch in Härtefällen erlaubt sein soll. Aktuell gilt für die Angehörigen von Menschen mit subsidiärem Schutzstatus ein Kontingent von 1.000 Einreiseerlaubnissen pro Monat.
Für alle anderen Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlinge gab und gibt es keine Beschränkungen, was den Familiennachzug betrifft. Grundsätzlich beschränkt sich dieser immer auf die sogenannte Kernfamilie. Dazu zählen minderjährige Kinder und Ehepartner. Wer als Minderjähriger unbegleitet nach Deutschland kommt, kann außerdem seine Eltern nachholen.
CDU, CSU und SPD hatten sich bereits in den Sondierungsgesprächen darauf geeinigt, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet auszusetzen. Wie lange dies gelten soll, stand damals jedoch noch nicht fest. Zu den Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus zählen viele Syrerinnen und Syrer.
Bürgergeld soll verschärft werden
Das heutige Bürgergeld soll verschärft werden. Mit einer „neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende“ sollen nach dem schwarz-roten Koalitionsvertrag schärfere Sanktionen bis zum vollständigen Entzug der Leistungen greifen können, wie die neuen Koalitionspartner mitteilten.
Neuer Wehrdienst „zunächst auf Freiwilligkeit“
Union und SPD wollen in einer gemeinsamen Regierungskoalition einen neuen Wehrdienst einführen, der „zunächst auf Freiwilligkeit“ basiert. „Für die neue Ausgestaltung dieses Dienstes sind die Kriterien Attraktivität, Sinnhaftigkeit und Beitrag zur Aufwuchsfähigkeit leitend“, heißt es im am Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag. Vorbild sei das schwedische Modell, noch in diesem Jahr sollen die „Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung“ geschaffen werden.
Pendlerpauschale, Nationaler Sicherheitsrat, Vorratsdatenspeicherung – das kommt
Union und SPD wollen Pendler steuerlich entlasten. Wie aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht, soll die Pendlerpauschale ab 2026 bereits vom ersten Kilometer an bei 38 Cent liegen.
Außerdem wollen CDU und SPD die Telekommunikationsanbieter künftig dazu verpflichten, IP-Adressen für mögliche Ermittlungen drei Monate lang zu speichern. Das geht aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hervor, auf den sich die Verhandler verständigt haben. Wegen rechtlicher Unsicherheiten war die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung seit 2017 nicht mehr genutzt worden.
Ebenfalls soll ein Nationaler Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt eingerichtet werden. Dieser solle wesentliche Fragen einer integrierten Sicherheitspolitik koordinieren, eine gemeinsame Lagebewertung vornehmen und somit das Gremium der gemeinsamen politischen Willensbildung sein, heißt es in dem von den Spitzenvertretern vereinbarten Koalitionsvertrag.
Neue Bundesregierung: Diese Ressorts sind bereits verteilt
Auch erste Personalien sind bereits bekannt geworden. Demnach soll SPD-Chef Lars Klingbeil das Finanzministerium leiten, Alexander Dobrindt (CSU) neuer Innenminister werden, das Gesundheitsministerium hingegen soll der eher unbekannte CDU-Bundestagsabgeordnete Tino Sorge aus Magdeburg führen. Erstmals seit 60 Jahren übernimmt die Union zudem offenbar das Außenministerium.
Nach Informationen des „Kölner-Stadt-Anzeiger“ kursieren zu den restlichen Ressorts bereits Namen in Insiderkreisen. Offiziell bestätigt sind diese Informationen allerdings noch nicht.
Die Übersicht:
- Carsten Linnemann (CDU, Wirtschaft)
- Lars Klingbeil (SPD,Finanzen)
- Alexander Dobrindt (CSU, Inneres)
- Bärbel Bas (SPD, Arbeit)
- Boris Pistorius (SPD, Verteidigung)
- Ina Scharrenbach (CDU, Infrastruktur)
- Tino Sorge (CDU, Gesundheit)
- Andreas Jung (CDU, Umwelt)
- Johann Wadephul (CDU, Außen)
- Silvia Breher (CDU, Familie)
- Kristina Sinemus (CDU, Digitales)
- Sonja Eichwede (SPD, Justiz)
- Dorothee Bär (CSU, Bildung)
- Michaela Kaniber (CSU, Landwirtschaft)
- Svenja Schulze (SPD, Entwicklung)
- Thorsten Frei (CDU, Chef des Bundeskanzleramts)
Neues Ministerium für Staatsmodernisierung soll geschaffen werden
Union und SPD haben sich auf die Einrichtung eines neuen Ministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung verständigt. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen.
Kanzlerwahl am 7. Mai ?
Bis eine schwarz-rote Regierung loslegen kann, wird es trotzdem noch eine Weile dauern. Das Mitgliedervotum der SPD wird etwa zwei Wochen dauern. Das Ergebnis wird also erst nach Ostern verkündet. Der kleine Parteitag der CDU dürfte Ende April stattfinden. Es wird davon ausgegangen, dass die CSU als erste der drei Parteien dem Koalitionsvertrag zustimmen wird.
Geht alles glatt, kann die Wahl des Kanzlers im Bundestag und die Vereidigung des Kabinetts Anfang Mai stattfinden. Im Gespräch ist der 7. Mai. Dann hätte Deutschland fast auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Bruch der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP am 6. November 2024 eine neue Regierung.
CDU, CSU und SPD haben für 15 Uhr am Mittwoch (9. April) zu einer gemeinsamen Pressekonferenz mit CDU-Chef Friedrich Merz, SPD-Chef Lars Klingbeil und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder eingeladen, bei der der Koalitionsvertrag vorgestellt werden soll. Die Vereinbarung soll die Grundlage für die gemeinsame Regierungsarbeit bilden. (red/dpa /afp)