Kölner Psychiater Manfred LützWarum Donald Trump gefährlicher ist als ein Narzisst
- Der Kölner Psychiater Manfred Lütz hat sich intensiv mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump beschäftigt.
- Seine Urteil ist niederschmetternd: Trump hat keine narzisstische Persönlichkeitsstörung, sondern etwas, das sich therapeutisch nicht behandeln lässt.
- Lesen Sie hier die Hintergründe.
Köln – Da lässt sich ein an Covid-19 erkrankter Präsident – für die Mitfahrenden hochansteckend – im Auto an jubelnden Anhängern vorbeichauffieren. Auch ansonsten ordnet dieser Präsident das lebensgefährliche Coronavirus seinen eigenen Ambitionen unter – mit tödlichen Folgen für inzwischen mehr als 200.000 US-Amerikaner. Hemmungslos besteht er inzwischen auf weiteren Wahlkampfveranstaltungen einschließlich der TV-Duelle mit seinem Gegenkandidaten. Total verrückt, sollte man meinen. Als Psychiater hatte ich immer schon den Verdacht, dass wir die Falschen behandeln; dass jedenfalls meine Patienten viel netter sind als all die menschlichen Problem-Bären, die uns das Leben schwer machen. In jüngster Zeit verstärkt sich dieser Eindruck.
Das liegt nicht nur an Donald Trump in den USA. Da gibt es Jair Bolsonaro, den „Tropen-Trump“ aus Brasilien oder Kim Jong Un, den Bruder-Mörder aus Nord-Korea, und auch anderswo auf der Welt geraten die Regierungen offenbar mehr und mehr in die Hände von Verrückten.
Woran liegt das? Nehmen sie zu, die Verrückten? Und was kann man dagegen machen? Eine Anti-Verrücktheit-Pille wäre eine feine Sache. Aber: Es gibt sie nicht. Und, schlimmer noch, es wird sie nie geben! Nicht für all diese abgedrehten Typen, die gewählt oder erwählt sind, um ihre Länder zu regieren. Aus psychiatrischer Sicht muss nämlich nüchtern festgestellt werden: Sie sind gar nicht krank. Sie sind normal. Schrecklich normal.
Dennoch wird immer wieder versucht, diese Leute und ihr Verhalten ein bisschen mehr in den Griff zu bekommen, indem man sie in diagnostische Schubladen verpackt. Donald Trump sei geradezu ein klassischer Narzisst, erklärten zu Beginn seiner Amtszeit ein paar Psychotherapeuten öffentlich. Doch das war in Wirklichkeit eine gefährliche Verharmlosung. Unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet ein Mensch, der im Kern seines Ichs verunsichert ist, dauernd Beifall braucht, ohne davon jemals befriedigt zu sein. Irgendwann halten die Freunde es nicht mehr aus und wenden sich ab. Er vereinsamt und geht dann in Therapie.
All das trifft für Donald Trump nicht zu. Donald Trump leidet nicht. Er hat unzählige Freunde, auch wenn man selber nicht gerne dazugehören möchte, er verfügt über Millionen Wähler, sein soziales Leben funktioniert perfekt. Trump hat keine narzisstische Persönlichkeitsstörung, sondern er ist ein zutiefst unmoralischer Mensch und das ist viel gefährlicher. Hätte er eine narzisstische Persönlichkeitsstörung könnte man ihn vielleicht behandeln. So aber gibt es keine Aussicht auf Besserung. Donald Trump ist ein gewissenloser Egozentriker. Er hat von seinem Vater gelernt, das Wichtigste im Leben seien Geld, Erfolg und der Größte Sein, und dafür dürfe man alles, wirklich alles tun. Zwar hat jeder Mensch ein Gewissen, und deswegen kann er schuldig werden. Aber man kann Menschen das Gewissen und die Moral sehr weitgehend abgewöhnen. Man kann sie einschläfern. Mitläufer bei den verbrecherischen Regimes des 20. Jahrhunderts beweisen das.
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Otto Kernberg ist der berühmteste Psychotherapeut der Welt und zugleich „der“ Narzissmus-Experte. Er hat seine Praxis 500 Meter vom Trump-Tower in New York entfernt. Bisher hatte er öffentlich zu Trump geschwiegen. Auch in einem Gespräch mit mir hielt er sich an die so genannte Goldwater-Regel. Sie gebietet es, keine Diagnose bei Menschen des öffentlichen Lebens zu stellen, die man nicht persönlich untersucht hat. Dann könne er sich aber doch als US-amerikanischer Staatsbürger mal ganz undiagnostisch zu seinem Präsidenten äußern, sagte ich zu ihm. Da antwortete er mir, er halte Trump für „eine unmoralische, klein karierte, arrogante Person, einen Mann, der kenntnislos, ungebildet und impulsiv agiert. Er zeigt eine exzessive Aggressivität im Politischen, außerdem lügt er wie gedruckt, und wenn er geht, hat er dieses verachtend Großartige. Ich halte diesen Mann politisch für gefährlich.“
Zwei neue Bücher
Zu den Themen dieses Beitrags hat Manfred Lütz soeben zwei Bücher veröffentlicht: Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg?, Verlag Herder, 192 Seiten, 20 Euro. In dem Interview-Band schildert der 1928 geborene US-Psychiater und Psychoanalytiker seine Erfahrungen als Therapeut. Neue Irre! Wir behandeln die Falschen, Verlag Kösel, 208 Seiten, 20 Euro. Mit seinem als „heitere Seelenkunde“ apostrophierten Buch beansprucht der Autor eine Darstellung der wesentlichen psychischen Krankheiten und seelischen Störungen samt der gängigen Therapieformen. (jf)
Man muss Leute wie Trump also politisch beurteilen und – wenn man will – bekämpfen. Das Hantieren mit diagnostischen Begriffen, um das Unheimliche und Gefährliche solcher Typen irgendwie zu begreifen, ist nicht nur unangemessen, sondern es schwächt das politische Argument. Im Übrigen ist es eine Diskriminierung meiner netten psychisch Kranken, wenn bei extremen menschlichen Untaten stets psychische Krankheit vermutet wird. Die großen Verbrecher der Menschheitsgeschichte waren nicht psychisch gestört, sie waren zutiefst böse. Um einen jahrelangen Krieg zu führen, muss man psychisch stabil sein. Dagegen sind psychisch kranke Menschen statistisch gesehen übrigens weniger häufig straffällig als „Normale“. Also: Hüten Sie sich vor „Normalen“!