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Kölner verteidigt Lübcke-Schützen„Chancen auf Abmilderung des Urteils waren gering”

Lesezeit 3 Minuten

Mustafa Kaplan

Karlsruhe – Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag die Revisionen gegen das Urteil im Fall des Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) verworfen hat, zeigt sich der Kölner Verteidiger des Todesschützen, Mustafa Kaplan, überraschenderweise recht zufrieden mit dem Richterspruch. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich die Chancen auf eine Abmilderung des Urteils gegen meinen Mandanten auf Totschlag für äußerst gering gehalten“, sagte der Strafverteidiger dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Der rechtsextreme Attentäter Stephan Ernst hatte im Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main den Mordanschlag eingeräumt. Zugleich hatte er seinen damaligen Freund Markus H. aus der hessischen Neonazi-Szene als Anstifter für die Tat bezeichnet. Doch das OLG hatte den mutmaßlichen Komplizen vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen, weil man den unterschiedlichen Geständnissen des Hauptangeklagten keinen Glauben schenkte.

In seinem Schuldspruch ging der OLG-Senat davon aus, dass Ernst allein den CDU-Politiker am 1. Juni 2019 auf seiner Terrasse überrascht und erschossen hatte. Das Motiv lautete Fremdenfeindlichkeit. Das Opfer hatte seit 2015 für eine liberale Flüchtlingspolitik geworben.

Glühender Hass auf Walter Lübcke

Bei Ernst hatte sich im Laufe der Jahre ein glühender Hass auf Walter Lübcke aufgestaut, dem er an jenem Juniabend freien Lauf ließ. Er tötete den Politiker mit einem Kopfschuss.

Der Anwalt des Todesschützen hatte zwar die nötigen Merkmale für eine Verurteilung wegen Mordes zurückgewiesen, war aber auch beim BGH in Karlsruhe letztlich mit seiner Argumentationskette gescheitert. Der Vorsitzende Richter des dritten Strafsenats, Jürgen Schäfer, sprach von einer „fehlerfreien Beweiswürdigung“ des Oberlandesgerichts in Frankfurt - sowohl mit Blick auf die Schuld- als auch auf die Freisprüche.

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Insofern steht auch weiterhin der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung im Raum, würde sich der mehrfach wegen rechtsextremer Gewalttaten vorbestrafte Attentäter nochmals im Gefängnis etwas zu Schulden kommen lassen. „Sollte sich mein Mandant einwandfrei führen, habe ich die große Hoffnung, dass er nach 18 Jahren wieder herauskommt“, erläuterte Verteidiger Kaplan.

Entscheidend für die positive Prognose ist der Umstand, dass der BGH das Frankfurter Urteil in einem weiteren Punkt bestätigte: Aus Mangel an Beweisen war Ernst vom Vorwurf des versuchten Mordes mit einem Messer an einem irakischen Flüchtling freigesprochen worden.

Die Bundesanwaltschaft hatte zwar im Revisionsverfahren darauf gedrungen, diesen Fall nochmals aufzurollen, scheiterte jedoch mit ihrem Antrag. „Ich bin froh, dass der BGH auch hier der Linie der Frankfurter Richter gefolgt ist, wir haben im Prozess einwandfrei nachweisen können, dass mein Mandant die Messerattacke nicht begangen hat.“

Ernst ist im Aussteigerprogramm des LKA

Zugleich betonte Kaplan, dass sich Ernst seit geraumer Zeit im Aussteigerprogramm des hessischen Landeskriminalamts namens IKARus befinde. „Mein Mandant arbeitet dort ernsthaft mit, beinahe jede Woche besuchen ihn besonders geschulte Staatsschützer, sollten die Beamten zu irgendeinem Zeitpunkt daran zweifeln, dass mein Mandant das rechtsextreme Gedankengut hinter sich lassen will, wäre es schnell vorbei mit dem Programm.“ Und auch mit der Aussicht, jemals wieder auf freien Fuß zu kommen.

Für die Familie des ermordeten Regierungspräsidenten bleibt ein bitterer Beigeschmack an dem Karlsruher Richterspruch. „Dies ist eine schmerzliche Entscheidung“, bekannte ein Sprecher der Angehörigen. Der Mitangeklagte Markus H. war nur wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer anderthalbjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Aus Sicht der Familie des CDU-Politikers und der Bundesanwaltschaft spielte der Neonazi eine wesentlich zentralere Rolle. Er habe mit Ernst schießen geübt und ihn in seinem Willen zur Tat bestärkt. Die Familie Lübcke hält ihn sogar für einen direkten Mittäter.