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Kölns WeihnachtsstraßeWarum die Lichterketten dieses Jahr fast ausgeschaltet blieben

Lesezeit 6 Minuten

Täglich um 17 Uhr taucht die Hummelsbergstraße in Sülz in weißes Weihnachtslicht ein.

  1. Seit 34 Jahren schmücken die Bewohner die Hummelsbergstraße mit außergewöhnlicher Weihnachtsbeleuchtung.
  2. Mit den Jahren kamen immer mehr Besucher, um Kölns Weihnachtsstraße zu sehen. Nicht alle benahmen sich gut.
  3. Die Verantwortlichen wollen den Andrang nun zurückschrauben.

Köln – Viel hat nicht gefehlt und die Hummelsbergstraße wäre in der Vorweihnachtszeit dunkel geblieben. Zum ersten Mal seit 34 Jahren. Keine Lichterketten hätten die 125 Meter lange Sackgasse im Kölner Stadtteil Sülz in dieses stimmungsvolle weiße Licht getaucht, das eine zauberhafte vorweihnachtliche Stille erzeugt. Kein leises Gemurmel in einem der Hauseingänge an den Adventssonntagen hätte die Nachbarn zum Glühweinstand gelockt, kein Enkelkind hätte seiner Oma voller Erstaunen ins Ohr geflüstert, was Reinhard Priebs niemals vergessen wird, obwohl es schon so viele Jahre her ist. „Oma! Ich glaube, hier wohnt das Christkind.“

Priebs steht mitten auf seiner Straße. Er lächelt. Mit Steppjacke und Schiebermütze betrachtet der 71-Jährige das Gemeinschaftswerk. Ein wenig Stolz ist auch dabei. 34 Jahre ist es jetzt her, als er mit seinen Nachbarn Herbert Nett und Peter Rose loszog, um an sechs Tannen Lichterketten mit 360 Birnchen anzubringen. Heute sind es 25 000. Damals reichten handelsübliche Haushaltsleitern und ein paar Arbeitsstunden, um ein wenig Licht in die dunkle Gasse mit den Häuserzeilen aus rotem Backstein zu bringen.

Geplant als Nachbarschaftstreff

Kein Weihnachtsbaum ist illegal. Vor dem Fest irgendwann in den 1980er Jahren in irgendeiner Schonung entwurzelt nach Köln verschlagen, fanden alle nach Neujahr eine neue Heimat – in den Vorgärten der Hummelsbergstraße. Mit den Jahren wuchsen die Tannen, wurden die Lichterketten immer länger. Längst müssen die Nachbarn an zwei Samstagen im November mit vier Hubwagen arbeiten, um das Lichterwerk zu vollenden. „Die höchste Tanne ist fast 40 Meter hoch“, sagt Priebs. Ein paar hat der Sturm im Laufe der Jahre umgeworfen und eine, der der Sturm Kyrill 2007 die Krone nahm, ähnelt seither mit seinen zwei Spitzen dem Kölner Dom. Sagen zumindest die Nachbarn.

Es könnte alles so schön sein. So schön, wie es Friederike Fühlhaber aus der Klasse 5 a des Hildegard von Bingen-Gymnasiums an Weihnachten 2007 in einem Aufsatz geschrieben hat, den Reinhard Priebs jetzt vorsichtig aus einer Klarsichthülle seines Lichterstraßen-Archivs zieht, als sei es eine literarische Kostbarkeit.

„Die Straße wirkt ein bisschen wie der Stall in Bethlehem. Dort war es in der Dunkelheit auch erhellt worden durch das Jesuskind, das Glück und Helligkeit, Frieden und Freude in die Welt brachte. So ähnlich ist es mit der Lichterstraße. Sie wirkt wie ein Himmel mit ganz vielen Hoffnungssternen.“

Einer der Gründerväter der Lichterstraße: Reinhard Priebs

Das ist genau im Sinne von Reinhard Priebs. Dass die Nachbarn an den Adventssonntagen zum Glühwein zusammenkommen, sich austauschen und in aller Ruhe einfach nur ihre Straße genießen. „Das war so die Idee.“ Deshalb wird der Pavillon mit den Getränken seit vielen Jahren an jedem Adventssonntag von 17 bis 21 Uhr in einem anderen Hauseingang aufgestellt, der Glühwein nicht verkauft, sondern um eine Spende gebeten. Jahrelang habe das prima funktioniert, die Spenden hätten die Unkosten gedeckt, die Stromkosten werden über die Allgemeinheit auf alle umgelegt. „Heinrich Wolf, der inzwischen verstorbene Eigentümer unserer Häuser, hat uns immer unterstützt“, sagt Priebs.

Ehrenamtspreis für Organisatoren

Doch mit dem Aufkommen der sozialen Medien, mit Facebook, Twitter und Whatsapp hat sich herumgesprochen, dass es in Köln eine Weihnachtsstraße gibt. Im Jahr 2000 dreht das Lokalfernsehen den ersten Film, drei Jahre später zeichnet die Stadt das Organisationsteam mit dem Ehrenamtspreis aus, Bilder aus der Hummelsbergstraße sind bei Google Earth zu sehen. Die Straße wird Jahr für Jahr bekannter. Das ZDF berichtet bundesweit im Morgenmagazin, der WDR dreht eine Aufbau-Doku. Im Jahr 2007, als die Sackgasse 50 Jahre alt wird, benennen sie die Nachbarn mit einem Schild symbolisch um. Weihnachtsstraße heißt sie jetzt.

Keine Kirmesveranstaltung

Priebs und seine Mitstreiter geben den Staffelstab der Organisatoren an die nächste Generation weiter. „Wir haben den Fehler gemacht und geglaubt, wir müssten das alles größer machen“, sagt sein Sohn Markus (42) selbstkritisch. Im Jahr 2012 werden die Häuser verkauft, die Nachbarschaft verändert sich. Die ersten Studenten-WGs ziehen ein.

„Auf einmal hatten wir an den Adventssonntagen 300 oder 400 Leute in der Straße. Die haben überall ihre Tassen stehenlassen, sich in den Vorgärten erleichtert. Das wurde immer lauter, ging teilweise bis 23 Uhr. Es war eine große Party, aber am Ende kein Nachbar mehr dabei. Es war ganz schwierig, das wieder kleiner zu fahren.“

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Genau das – und darin sind sich alle einig – müsse wieder geschehen, „wenn die Lichter nicht ausgehen sollen“, sagt Reinhard Priebs. In diesem Jahr sei das um ei n Haar der Fall gewesen. Priebs kramt aus seinem Archiv die Grundsätze hervor, die die Gründer sich damals gegeben haben und mit denen sie verhindern wollten, dass das Ganze keine Kirmesveranstaltung wird. „Um weihnachtliche und festliche Atmosphäre zu schaffen, die nicht kitschig wird, werden folgende Regeln aufgestellt“ heißt in einer Art Lichterordnung.

Und die besteht aus drei Paragrafen. 1. Es wird grundsätzlich nur mit Lichterketten und Lichternetzen behängt, was natürlich gewachsen ist. 2. Es wird nur weißes Licht verwendet. Dezent farbiges Licht in den Fenstern bleibt den Anwohner vorbehalten. 3. Es werden keine blinkenden Licher installiert.

„Es gab immer mal Ausreißer“, erinnert sich Priebs. „Da haben ein paar Nachbarn mal Spots in den Fenstern verwendet. Die Blinkerei war fürchterlich.“ Das habe man nicht dulden können. „Mein Nachbar gegenüber hat mal so einen bunten Schlauch um sein Fenster gehangen, der hat ständig seine Farbe gewechselt. Ich hatte anfangs schon ein bisschen Ärger, aber letztlich alle überzeugt. Es ist doch die Stille, die unsere Straße ausmacht.“

Früher habe er am 1. Advent, wenn um 17 Uhr die Lichter eingeschaltet werden, immer eine kleine Rede gehalten und erzählt, „was alles in der Straße passiert ist. Das sollte für die Nachbarschaft sein“, sagt Priebs. Zuletzt habe kaum noch einer zugehört. „Wir müssen einen neuen Anfang machen.“

Die Wende einleiten

Offenbar hat das auch die nachfolgende Generation erkannt. Er sei kein Mensch, der den alten Zeiten hinterher trauert. sagt Reinhard Priebs und will im neuen Jahr die Wende einleiten. „Ich bin froh, dass die jungen Leute hier sagen, dass sie die Lichterstraße behalten wollen. Im Nachbarhaus wohnt ein Christian, der ist 25 und möchte gern länger hier wohnen bleiben. Er hat großes Interesse, sich zu engagieren und wird sicher ein paar Freunde mitziehen.“ In die Bäume werde er mit seinen 71 Jahren nicht mehr klettern, aber weiter ein Auge auf die Finanzen haben, falls das erwünscht sei, und gern die Zukunft mitplanen, sagt Priebs. „Wir wollen das alles hier auf LED-Ketten umrüsten.“ Das sei nicht ganz billig. Und wenn das alles erledigt sei, könne er ja noch ein Buch über die Straße schreiben.

Man werde, sagt Priebs, auch darüber nachdenken müssen, wie es weitergeht, wenn die großen Tannen, die vor mehr als 30 Jahre als Christbäume in den Wohnzimmern angefangen haben, nicht mehr sind. „Ein paar haben wir durch die Stürme schon verloren.“