Kommentar zum KohleausstiegDeutschland hätte Grund, stolz zu sein
- Weder die Klimaaktivisten noch die Energiekonzerne sind zu 100 Prozent einverstanden mit der Einigung über den Kohleausstieg.
- Das gilt auch für die Menschen in den Braunkohleabbaugebieten wie dem Rheinischen Revier, wo Tausende Jobs verloren gehen werden.
- Aber in relativ kurzer Zeit haben alle relevanten Gruppen einen Kompromissweg gefunden. Und das ist ein Meisterstück. Ein Kommentar.
Natürlich ist keiner hundertprozentig zufrieden mit dem vereinbarten Fahrplan zum Kohleausstieg in Deutschland. Die Klimaaktivisten nicht, weil ihnen alles nicht schnell genug geht und es natürlich absurd erscheint, dass der Ausstieg mit dem Hochfahren eines neuen Steinkohlekraftwerks im Ruhrgebiet beginnt.
Die Energiekonzerne nicht, weil sie die Milliarden-Entschädigungen für unzureichend halten. Die Politiker der Kohleländer nicht, weil sie sich bessere Garantien für die 40 Milliarden Euro an Strukturhilfen bis 2038 gewünscht hätten. Am liebsten in Form eines Staatsvertrags.
Die Arbeitnehmer in den Braunkohlerevieren auch nicht, weil allein in NRW rund 6000 von ihnen bis 2030 ihre Jobs verlieren werden, auch wenn das sozial gut abgefedert sein wird.
Und die Menschen in den Dörfern rund um den Tagebau Garzweiler nicht, weil ihnen die letzte Hoffnung genommen wird, in ihrer Heimat bleiben zu können. So sie sich nicht längst verabschiedet haben.
Deutschland übernimmt eine weltweit eine Vorreiterrolle
Das klingt leider nicht besonders euphorisch, dabei hätte Deutschland allen Grund, auf den Kohleausstieg ein wenig stolz zu sein. Weil das Land weltweit eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einnimmt, insofern es dem Abschied von der Atomkraft jetzt bis spätestens 2038 auch den aus der Kohleverstromung folgen lassen wird. Eine Entscheidung, die gerade das Industrieland Nordrhein-Westfalen vor enorme Herausforderungen stellt.
Das alles ist ein Meisterstück, weil es in relativ kurzer Zeit gelang, einen Konsens aller gesellschaftlichen Gruppen herzustellen: Politik, Energiewirtschaft, Gewerkschaften und Umweltverbände haben sich vom Grundsatz her darauf verständigt, dass fossile Brennstoffe in Deutschland in weniger als 20 Jahren der Vergangenheit angehören müssen – wenn wir Klimaziele überhaupt noch erreichen wollen.
In ein erneuerbares Deutschland werden viel Energie und viele Milliarden investiert. Das ist ein kleiner Schritt hin zu einem politischen Klimawandel und der Beweis dafür, dass die Gesellschaft in der Lage ist, in wichtigen Fragen Einigkeit herzustellen. Und eben doch nicht in ihre Einzelteile zerfällt.