Es wird Generationen brauchen, bis es zu einer Versöhnung von Israelis und Palästinenser kommen kann – wenn das überhaupt je gelingt.
Kommentar zum Krieg in IsraelFür Frieden bleibt nur die Zweistaatenlösung
Je mehr Tote es gibt, desto größer wird der Hass. Es wird Generationen brauchen, bis es zu einer Versöhnung von Israelis und Palästinenser kommen kann. Wenn es überhaupt je gelingt. Und trotzdem müssen schon jetzt in der gegenwärtig großen Not in Israel und den Palästinensergebieten alle Kräfte, die in diesem Konflikt eine vermittelnden Rolle spielen können, genau darauf einwirken: dass das Sterben bald aufhört.
Flächenbrand in Nahost ist nicht ausgeschlossen
Wenn nicht, ist ein Flächenbrand in Nahost nicht ausgeschlossen. In einer Zeit, in der Russland in Europa Krieg gegen die Ukraine führt, neue Unruhen zwischen Serbien und dem Kosovo aufbrechen, China Taiwan droht, die USA im nächsten Jahr durch eine Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus erschüttert werden könnten, und in afrikanischen Ländern Regierungen vom Militär gestürzt werden, die man mit westlicher Hilfe fälschlicherweise für stabilisiert gehalten hatte.
Der 7. Oktober 2023 wird sich in die Seelen der Jüdinnen und Juden so einbrennen wie der 11. September 2001 ins Gedächtnis der Amerikaner. Es eint sie das Wissen und in vielen Fällen das eigene traumatische Erleben, dass das Heimatland verletzbar ist. Dieses Gefühl wird bleiben.
Ursache und Wirkung haben sich in der lange leidvollen jüdischen und palästinensischen Geschichte oft abgewechselt. Aber nun hat die islamistische Hamas mit ihrem bis dahin kaum vorstellbar grausamen Massaker an israelischen Zivilisten jedes Maß gesprengt. Eine solche Barbarei, Kinder und Frauen abzuschlachten, kannte die Welt bisher am ehesten von den Nazis und der Terrororganisation Islamischer Staat. Dass Israel den Terrorangriffen und dem Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen ein für alle Mal die Grundlage entziehen will, ist legitim. Jedes Land wollte so handeln.
Das israelische Militär muss dafür das Tunnelsystem in Gaza zerstören, wo sich die Terroristen verschanzen und in den Gebäuden oberhalb palästinensische Zivilisten als Schutzschilde missbrauchen.
Ein demokratischer Staat ist nicht mit einer Terrormiliz zu vergleichen
Aber nun kommt es darauf an, wie Israel seinerseits Maß halten wird. Ein demokratischer Staat ist nicht mit einer Terrormiliz zu vergleichen. Er muss höhere Ansprüche erfüllen. Die Regierung von Benjamin Netanjahu muss in ihrem Krieg gegen die Hamas verhältnismäßig vorgehen und Zivilisten schützen. Für den eigenen Frieden.
Auch wenn Ägyptens Präsident Abd al-Fattah al-Sisi Israel nicht zur Friedenskonferenz nach Kairo eingeladen hat, ist sein Bemühen deutlich: Der ehemalige General will keine Ausdehnung des Konflikts mit Israel. Al-Sisi kann ein Bindeglied zu Jordanien sein. Katar wiederum zur Hamas. Israel ist für Frieden letztendlich auch auf die öffentliche Wahrnehmung in den Bevölkerungen arabischer Staaten angewiesen.
Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson. Das hat die Bundesregierung viele Male erklärt. Nun gilt es, sie unter Beweis zu stellen. Und das wird angesichts zu erwartender „schlimmer Bilder“, wie es Israel selbst ankündigt, eine Prüfung. Aber gerade Deutschland mit der historischen Verantwortung für die Shoa muss engster Verbündeter Israels bleiben. Und wenn jemand beistehen kann, sind es Freunde. Die Kundgebung in Berlin am Sonntag ist ein Beweis dafür.
Zur Freundschaft gehört aber auch, Fehler zu benennen. So wie es der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland, Shimon Stein, auch macht. Netanjahus Regierung hat sich nie um das gekümmert, was den Palästinensern versprochen wurde: eine Zweistaatenlösung. Wenn die Hamas besiegt ist, sollte etwa der Siedlungsbau im Westjordanland international zum Thema werden und alle Anstrengungen unternommen werden, den Palästinensern eigenes, sicheres Land zu geben. So schwer das auch sein wird.