Kiew/Isjum – In der von russischen Truppen befreiten ostukrainischen Kleinstadt Isjum sind mehr als 400 Leichen gefunden worden - um ein Massengrab handelt es sich nach ersten ukrainischen Untersuchungen aber nicht. Die Menschen seien ersten Erkenntnissen zufolge ums Leben gekommen, als Russland die Stadt Ende März heftig beschossen habe, sagte der ukrainische Vermisstenbeauftragte Oleh Kotenko dem TV-Sender Nastojaschtschee Wremja.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach nach ersten Exhumierungen allerdings von Folterspuren an Leichen, ohne Details zu nennen.
Der Kreml und die EU streiten sich unterdessen um den Export von russischem Dünger. Der russische Präsident Wladimir Putin warf der EU am Freitag auf dem Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) Einschränkungen des russischen Düngemittelexports in Entwicklungsländer vor. Die EU bezeichnete solche Vorwürfe als „Fake News”. Gegen russische Propaganda will sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz wehren - und dafür seine Rede bei der UN-Vollversammlung in New York kommende Woche nutzen.
Putin kündigt weitere Angriffe auf Ostukraine an und droht Kiew
Trotz der Niederlage in Charkiw will Russland die Ostukraine weiter angreifen. „Unsere Offensivoperationen im Donbass werden nicht ausgesetzt, sie gehen in geringem Tempo voran”, sagte Putin in Usbekistan. „Die russische Armee nimmt immer neue Gebiete ein”, behauptete er. Der Kremlchef warf der Ukraine zudem Anschlagsversuche gegen russische Atomkraftwerke vor und drohte, wenn sich die Lage nicht ändere, werde die Antwort „härter” ausfallen als vorherige Gegenschläge.
Scholz will vor UN russischer Propaganda entgegentreten
Kanzler Scholz (SPD) werde vor der UN-Vollversammlung in New York das Vorgehen des Putins klar als Völkerrechtsbruch benennen, hieß es aus Regierungskreisen in Berlin. Der von Moskau geführte Meinungskrieg dürfe nicht unterschätzt werden. Mit Blick auf die ablehnende Haltung des Kanzlers zur Lieferung von Kampfpanzern hieß es, hier stehe keine Veränderung an.
Auf einer Tagung der Bundeswehr in Berlin sagte Scholz, dass er im Rückblick härter auf die russische Annexion der Krim 2014 reagiert hätte. Damals, unter der Kanzlerschaft Angela Merkels (CDU), hatte die internationale Gemeinschaft nach der Annexion der Schwarzmeer-Insel Sanktionen gegen Russland verhängt.
Putin beklagt EU-Einschränkungen für Dünger - Michel: „Fake News”
Putin sagte, die Europäische Union lasse zwar für sich selbst die Einfuhr russischer Dünger zu, aber nicht in andere Staaten. Er forderte die bei dem Treffen im usbekischen Samarkand vertretenen Vereinten Nationen auf, Druck auf die EU auszuüben, die im Zuge des Ukraine-Kriegs verhängten Einschränkungen aufzuheben. Russland sei bereit, 300.000 Tonnen Dünger „kostenlos” an Entwicklungsländer abzugeben, sagte Putin.
Die EU widersprach dieser Ansicht entschieden. „Das sind Fake News”, sagte EU-Ratschef Charles Michel der Deutschen Presse-Agentur und anderen europäischen Medien. „Russland hat beschlossen, die Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu verbieten.” Moskau versuche, die Schuld auf die EU und die G7-Staaten zu schieben und behaupte, die Sanktionen seien der Grund für Probleme bei der Lebensmittelsicherheit in afrikanischen Ländern. „Das ist nicht korrekt.” Deshalb sei er in engem Kontakt mit afrikanischen Ländern.
Russische Besatzer melden ukrainischen Raketenangriff auf Cherson
Die Ukraine setzt derweil ihre Angriffe auf besetzte Gebiete fort. In der südukrainischen Großstadt Cherson schlugen am Freitag nach russischen Angaben fünf ukrainische Raketen in ein Gebäude der Besatzungsverwaltung ein. Dabei sei mindestens ein Mensch getötet und einer verletzt worden, hieß es. Unabhängig überprüft werden konnte das zunächst nicht.
London: Russland mangelt es in Ukraine an Infanterie und Offizieren
Den russischen Truppen mangelt es nach britischer Einschätzung im Angriffskrieg gegen die Ukraine an Infanterie und Offiziersnachwuchs. Der Krieg habe erhebliche Auswirkungen auf die russische Personalstärke, teilte das Verteidigungsministerium in London am Freitag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Unter anderem würden die russischen Militärakademien die Ausbildungskurse für die Kadetten kürzen und Abschlusstermine vorziehen. „Dies geschieht mit ziemlicher Sicherheit, damit Kadetten eingesetzt werden können, um die Operation in der Ukraine zu unterstützen”, hieß es.
Hochrangiger Separatist und Vize in ostukrainischem Luhansk getötet
Im von Russland besetzten ostukrainischen Gebiet Luhansk sind örtlichen Angaben zufolge hochrangige Mitglieder der von Moskau gelenkten Separatisten bei einem Anschlag getötet worden. Der Chef der Luhansker Separatisten, Leonid Passetschnik, machte die Regierung in Kiew für den Anschlag verantwortlich. Die Ukraine wies hingegen eine Beteiligung zurück.
Ukraine erhält weitere Panzer über Ringtausch mit Griechenland
Die Ukraine erhält bald Schützenpanzer sowjetischer Bauart aus Griechenland. Athen liefert 40 Panzer des Typs BMP-1 an Kiew, dafür erhält Athen von Deutschland 40 Schützenpanzer Marder aus Industriebeständen, wie das Bundesverteidigungsministerium mitteilte. Mit dem sogenannten Ringtausch sollen ukrainische Streitkräfte zügig mit sowjetischen Systemen versorgt werden, für die sie keine zusätzliche Ausbildung benötigen. Die Länder, die die sowjetischen Waffen abgeben, erhalten dafür westliche Fabrikate.
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