Aufgrund einer EU-Richtlinie soll es Neuregelungen bei der Umsatzsteuer geben. Davon wären auch Schulen und Kitas betroffen.
Lage in NRW unklarMüssen Schulen wegen der EU künftig „Kuchensteuer“ zahlen?
Kuchen, Muffins und andere Backwaren dürfen auf keinem Schulfest und bei keiner Kita-Veranstaltung fehlen. In der Regel backen Eltern und Kinder die süßen Leckereien in Eigenregie, sie werden dann beim Fest an einem Stand gegen geringes Geld verkauft. Besonders beliebt neben Muffins sind Trockenkuchen und Teilchen, da sie auf Pappteller oder Serviette gut bedient werden können. Rund um diese oft eher improvisiert wirkende Form des Verkaufs gibt es nun in einigen Bundesländern Verwirrung. Wird beim Kuchenverkauf künftig Umsatzsteuer von 19 Prozent fällig?
Hintergrund ist eine EU-Richtlinie (2006/112/EG), die das Mehrwegsteuersystem in Europa vereinfachen soll. Nationale Rechtsvorschriften sollen harmonisiert werden. Allerdings ist Deutschland auf die Umsetzung offenbar noch nicht ausreichend vorbereitet. Im Fall des „Schul-Kuchens“ betrifft es die Umsatzsteuer, konkret § 2b des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Bislang sind öffentliche Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit, dies soll sich jedoch ändern.
Schulen werden grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig
Für bestimmte Leistungen soll nun demnächst Umsatzsteuer abgeführt werden, um eine mögliche Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten von privatwirtschaftlichen Unternehmen abzuschaffen. Das kann den Verkauf von Souvenirs in einem Fremdenverkehrsamt betreffen oder auch den Verkauf von Familienstammbüchern im Standesamt. Auch Schulen als öffentliche Einrichtungen müssten dann Umsatzsteuer zahlen, sobald sie etwas verkaufen.
Juristisch ist dies der Sachsachverhalt: Die Neuregelungen des Umsatzsteuergesetzes (UStG) kommen zunächst unmittelbar gegenüber den kommunalen Schulträgern als steuerpflichtige juristische Personen zum Tragen und in der Folge mittelbar gegenüber den Schulen.
Zwar wurde die Frist, ab der die Neuregelungen zur Umsatzbesteuerung angewendet werden müssen, noch einmal bis zum 1. Januar 2025 verlängert. Das heißt, bis Ende 2024 bleibt zunächst einmal alles beim alten. Dennoch macht man sich in einigen Bundesländern bereits jetzt öffentlichkeitswirksam Gedanken, wie dies dann geregelt werden soll.
„Kuchensteuer“: Landesregierung in Stuttgart verschickt elfseitige Schreiben an Schulen
Laut SWR verschickte die Landesregierung in Baden-Württemberg kürzlich ein Schreiben von elf Seiten an die 4.500 öffentlichen Schulen im Land. Darin wird haarklein aufgeführt, in welchen Fällen sie steuerpflichtig werden. Das sorgte erwartungsgemäß nicht für Beruhigung, sondern verwirrte Kitas, Schulen und Elternschaft und führte darüber hinaus zu medialer Empörung. Schließlich dient der Verkauf von Kuchen ja oft einem guten Zweck oder zum Aufbessern der Klassenkasse.
In sozialen Medien und inzwischen auch in der Politik ist von einem „Bürokratiemonster“ die Rede.
Die „Kuchensteuer“ ist auch Wasser auf die Mühlen der AfD, die sich damit derzeit auf die EU einzuschießen scheint.
GEW nicht begeistert zum Gutachten zur „Kuchensteuer“
„Ein elfseitiges Gutachten zum Kuchenverkauf an die Schulen zu schicken, ist wenig hilfreich“, sagte auch GEW-Sprecher Matthias Schneider dem SWR. Schulen bräuchten praktische Tipps, und das Engagement von Schülerschaft und Eltern dürfte keinesfalls ausgebremst werden. Schule bedeute nicht nur Lernen, auch Feste, Konzerte und andere Aktionen gehörten zu einem guten Schulalltag dazu. Abseits vom Kuchen werden an Schulen auch beispielsweise Tickets für interne Aufführungen und Konzerte verkauft.
Der Teufel scheint im Detail zu stecken, wenn man den detailreichen Leitlinien aus Baden-Württemberg für die Schulen Glauben schenkt. Steuerfrei wird nach wie vor der Verkauf durch die Schülerschaft in Eigenregie sein, um damit bestimmte Projekte der Klasse zu finanzieren. Auch Schul-Fördervereine sind nicht steuerpflichtig, wenn sie etwas verkaufen. Der Verkauf darf nur nicht im Namen der Schule laufen. Dies betont auch das nordrhein-westfälische Schulministerium auf Anfrage.
„Kuchensteuer“: Einnahmen von Theater-AG sind Schule zuzurechnen
Anders liegt der Fall laut Richtlinien aus Baden-Württemberg, wenn in der Schule Konzerte und Theateraufführungen durch AGs organisiert werden: „Erfolgt die Organisation und Durchführung der Veranstaltung durch eine Klasse, einen Kurs oder eine Arbeitsgemeinschaft im Rahmen des Unterrichts, sind entsprechende Einnahmen der Schule zuzurechnen. Hierzu zählt beispielsweise auch der Schulchor oder die Theater-AG“, heißt es laut SWR.
Selbst die Kaffeekasse im Lehrerzimmer ist geregelt: Werden das Sammeln und der Kaffee-Kauf von den Lehrkräften selber getätigt, fällt keine Umsatzsteuer an.
„Kuchensteuer“ in NRW: Schulministerium hat offenbar schon Empfehlungen ausgearbeitet
Auf Anfrage heißt es beim Schul- und Bildungsministerium in Nordrhein-Westfalen, man stehe bezüglich der Neuregelung des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in engem Kontakt zu den Kommunalen Spitzenverbänden (KSV) und dem Finanzministerium. Bei den Kommunalen Spitzenverbänden handelt es sich um den Städtetag NRW, den Städte- und Gemeindebund NRW und den Landkreistag NRW.
Weiter heißt es, es seien auch in NRW bereits Empfehlungen für die kommunalen Schulträger erarbeitet worden, „die eine praktikable Umsetzung ermöglichen“. Diese seien den Kommunen bereits zur Verfügung gestellt worden. Konkreter wird es aus dem Schulministerium jedoch nicht – außerdem dem oben erwähnten Hinweis, dass Verkaufsaktionen von Fördervereinen nicht betroffen sind.
Eine Anfrage an die Stadt Köln als kommunalem Schulträger läuft.