Kommentar zur geringen WahlbeteiligungWie die Parteien die Wähler vergrault haben
Nein. Jetzt bitte nicht gleich wieder mit den üblichen Reflexen kommen, bloß weil die Beteiligung an der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mit rund 55,5 Prozent einen historischen Tiefstand erreicht hat. Das ist ein Rückgang von rund zehn Prozent gegenüber 2017, aber noch längst keine Krise der Demokratie.
Die reflexhaften Äußerungen, die nach dem jeden dieser Ausrutscher nach unten von Politikern getätigt werden, dass diese Entwicklung allen demokratischen Parteien Sorgen machen müsse, es aber keine einfachen Antworten und Lösungen gebe, befördern nur eins: dass die Wahlmüdigkeit weiter zunimmt.
Parteien sollten lieber Wählerwanderungen analysieren
Die Parteien sollten lieber jede für sich die Wählerwanderungen analysieren. Das gilt vor allem für die SPD, deren historisch schlechtestes Ergebnis in NRW vor allem darauf zurückzuführen, dass 310.000 Wählerinnen und Wähler einfach zuhause geblieben sind.
Und deshalb sollten sich die Partei und ihr Spitzenkandidat Thomas Kutschaty eher fragen, was die Ursachen dafür sind. Eine davon dürfte sein, dass die NRW-SPD schon lange keine eigenständige Marke mehr ist und die Partei eigentlich noch dankbar sein muss, dass nicht noch mehr Menschen gleich zur CDU oder zu den Grünen abgewandert sind.
Auch der Wahlsieger hat an Nichtwähler verloren
Der strahlende Wahlsieger CDU hat mit seinen Verlusten an die Nichtwähler übrigens auch ein Problem. Das sind immerhin auch 190.000, die aber mehr als ausgeglichen werden, weil die Christdemokraten ihren kleinen Koalitionspartner FDP mit einem Klau von 260.000 Stimmen derart ausgeplündert haben, dass es die Liberalen um ein Haar den Wiedereinzug in den Landtag gekostet hätte.
Vor allem aber muss sich die SPD ehrlich machen. Am Wahlabend hat sie nach dieser desaströsen Niederlage sofort alles dafür getan, um noch mehr Wählerfrust zu erzeugen. Bei einem Rückstand von neun Prozent auf den Wahlsieger CDU formuliert Thomas Kutschaty allen Ernstes den Anspruch, in Düsseldorf eine Ampelkoalition mit Grünen und der fast untergegangenen FDP zu bilden, um damit eine vermeintliche Wechselstimmung im Land zu bedienen. Was werden die Wähler da wohl denken? Der Spitzenkandidat der SPD kann nicht verlieren und biedert sich deshalb bei einer FDP an, die im letzten Moment gerade noch die Kurve gekriegt hat.
Das könnte Sie auch interessieren:
Von klarer Kante reden, aber sie selbst nicht zeigen. Das ist es, was die Menschen frustriert und auch davon abhält, ihre Stimme abzugeben. Nicht zu wählen, mag nicht besonders klug, kann im Einzelfall aber durchaus eine politische Meinungsäußerung sein. Deshalb ist die Demokratie noch lange nicht in Gefahr.