Missbrauch im Bistum Münster„Die Opfer müssen zu ihrem Recht kommen"
Münster – Zur Person: Der Hamburger Jurist Hans Jürgen Hilling ist ein Missbrauchsopfer der Vorgänge im Bistum Münster.
Herr Hilling, im Bistum Münster wurde ein großes Gutachten zum Missbrauch von 1945 bis 2020 vorgestellt. Was bedeutet diese Studie für Sie?
Die Veröffentlichung ist ein wichtiger Tag für mich. Ich wurde vor 40 Jahren im Alter von 15 als Aushilfsorganist in meiner Nachbargemeinde vom dortigen Pfarrer auf der Orgelbühne überfallartig bedrängt und sexuell missbraucht. Durch die Arbeit der Historiker habe ich wichtige Einblicke in das Vorgehen meines Täters bekommen und in eine Geschichte der Vertuschung, an der sämtliche Bischöfe von Münster in den vergangenen 70 Jahren beteiligt waren. Schon beim ersten Durchblättern habe ich festgestellt, dass ich noch 2018 vom Bistum und dem zuständigen Dechant über die damaligen Ereignisse belogen worden bin.
Die Wahrheit, die jetzt ans Licht kommt, macht mich ein bisschen freier und auch froh.
Warum?
Die Frage, wie Vertuschung gelaufen sein könnte, hat mich immer wieder beschäftigt. Ich hatte davon eine gewisse Ahnung, aber keine genaue Vorstellung. Das hat mich über die Jahre belastet. Die Studie nimmt ein Stück dieser Last von mir.
Was erwarten Sie denn jetzt von Kirche?
Ich habe nicht die Absicht, einen Kirchenverbesserungsverein zu gründen. Ich glaube auch nicht an Reformen in der Kirche. Für mich ist das Wichtigste, dass die Opfer zu ihrem Recht kommen. Und da hoffe ich, dass das Münsteraner Gutachten eine verwendbare Grundlage für Schadenersatzansprüche und angemessene Entschädigungen bietet. Der Bischof von Münster darf sich nicht länger hinter den Absprachen der Bischofskonferenz zum Entschädigungsverfahren verstecken.
Was die Kirche bisher anbietet – bis zu 50.000 Euro im Einzelfall –, das ist Ihnen nicht genug?
Dieser Rahmen sollte noch einmal geprüft und deutlich erweitert werden. Wir wissen von schwerst missbrauchten Kindern, die heute mit 30.000 Euro abgespeist werden; von Opfern, die seit der Tat ein ganzes Leben lang unter den Folgen leiden und kein vernünftiges Verhältnis zu ihrer Sexualität entwickeln konnten, was der Kirche 20.000 Euro wert war. Das reicht alles nicht.
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Muss der Staat zur „Verbesserung“ der Kirchen antreten?
Er sollte vor allem seiner Aufgabe gerecht werden, die Opfer zu schützen, und das Missbrauchsgeschehen im Raum der Kirche aufzuklären. Hier hat der Staat sich bislang auf – wie ich finde – skandalöse Weise herausgehalten.