Nach Attentat in WienÖsterreichs geplante „Imame-Register” klingen gruselig
- Österreichs Kanzler Sebastian Kurz will einen neuen Straftatbestand namens „Politischer Islam” – und ein „Imame-Register” gleich dazu.
- Mit derlei Maßnahmen droht Willkür gegen eine religiöse Minderheit insgesamt, meint unsere Kolumnistin Lamya Kaddor.
Bei allem Verständnis für den Schock, den das brutale Attentat eines 20 Jahre alten Islamisten in Österreichs Hauptstadt Wien mit fünf Toten Anfang des Monats ausgelöst hat, muss man nun genau auf die Reaktionen der Politik schauen. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte auf Twitter an, seine Regierung werde einen Straftatbestand „Politischer Islam“ schaffen, um gegen diejenigen vorgehen zu können, die selbst keine Terroristen seien, aber den Nährboden für solche schüfen. Er will die Schließung von religiösen Kultusstädten noch weiter erleichtern, und er plant ein „Imame-Register“. Schon das klingt gruselig. Es erinnert an Schwarze Listen.
Was unter dem Begriff „Politischer Islam“ genau zu verstehen ist, weiß bis heute niemand. Es gibt Extrempositionen, die schon Mitglieder konservativer Islamverbände darunter subsumieren und sie damit kriminalisieren wollen. Auch ist unklar, welches neue Problemfeld eigentlich mit dem Begriff beschrieben werden soll und wo der Unterschied zum Islamismus ist, wenn dieser die Instrumentalisierung von Religion für politische Ziele bezeichnen soll. Es gibt noch weitere Termini wie legalistischer Islamismus, Salafismus, Dschihadismus. Politiker sprechen von Radikal-Islamismus, islamischem Extremismus und Terrorismus. Wozu noch ein weiterer Ausdruck? Wozu die babylonische Begriffsverwirrung?
Strafgesetze müssen eindeutig sein, und das ist nicht gegeben, solange der zentrale Begriff „Politischer Islam“ im Nebel bleibt. In Österreich droht daher Willkür gegen eine religiöse Minderheit, die eh schon von allen Seiten angefeindet wird. Das weckt bei Gläubigen, ob gerechtfertigt oder nicht, böse Erinnerungen an die europäische Vergangenheit.
Muslime können in diesem Kontext schwerlich übersehen, dass Sebastian Kurz bereits mit den Rechtspopulisten der Strache-FPÖ koaliert hat. Auch in seiner ÖVP gibt es Politikerinnen und Politiker mit massiven Vorbehalten gegen Muslime und nicht-westliche Migranten. Lange vor dem schrecklichen Attentat hatten Muslime fast nur noch Restriktionen und Unterordnungszwänge aus der Alpenrepublik zu gewärtigen – wie das neue Islamgesetz, die Schließung von Moscheen, Kopftuchverbote. Im Sommer schließlich schuf Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) eine umstrittene „Dokumentationsstelle Politischer Islam“.
Tatsächlich haben Österreichs Regierungen bisher wenig dazu beigetragen, unter Musliminnen und Muslimen Vertrauen zu schaffen. Dabei ließen sich die Verdachtsmoment leicht abbauen. Das ginge zum Beispiel, wenn man im Zuge der Bekämpfung eines „Politischen Islam“ zugleich die islamische Gemeinschaft fördern würde – etwa indem man mithelfen würde, das friedliche muslimische Leben im Land sichtbarer zu machen, um so den Unterschied zur gewaltverherrlichenden politischen Ideologie zu verdeutlichen, die sich auf die Religion beruft.
Das Vorgehen Österreichs gegen den Islamismus ist notwendig. Die Art und Weise lässt allerdings befürchten, dass es kontraproduktiv ausfällt. Der wichtige Kampf gegen Islamismus ist eine gewaltige Aufgabe, die sich nur mit den Musliminnen und Muslimen gemeinsam gewinnen lässt, nicht gegen sie. Die Regierung Kurz begibt sich zudem in das Risiko, linke und liberale Kräfte im In- und Ausland weiter gegen sich aufzubringen, und damit eine Polarisierung voranzutreiben, die ihre Schlagkraft gegen Islamisten schwächt. Der grüne Koalitionspartner in Wien ist hier nun ganz besonders gefordert, den österreichischen Kampf gegen den Terror nicht aus dem Ruder laufen zu lassen.
Terrorbekämpfung darf kein Freibrief für Gegenmaßnahmen jeglicher Art sein. Demokratische Rechtsstaaten müssen, selbst wenn es noch so herausfordernd ist, auf den gesetzlichen Rahmen achten. Es wäre fahrlässig, wenn dem Übereifer geschuldete Fehler etwa aus dem deutschen Kampf gegen den Linksextremismus der 1970er Jahre wie der „Radikalenerlass“ wiederholt würden – oder Fehler nach den Attentaten vom 11. September 2001 wie Antiterrorgesetze, die später von Verfassungsgerichten korrigiert werden mussten.
Noch am Morgen nach dem Anschlag auf Wien hatte Sebastian Kurz die richtigen Worte gefunden. Da schrieb er auf Twitter: „Dies ist kein Kampf zwischen Christen und Muslimen oder zwischen Österreichern und Migranten. Dies ist ein Kampf zwischen den vielen Menschen, die an den Frieden glauben, und jenen wenigen, die sich den Krieg wünschen.“ Wenn diese Worte ernst gemeint waren – und so wie ich Kurz einschätze, waren sie es – , dann sollte er in diesem Sinne politisch Kurs halten.