Nach dem Abschuss eines Ballons bestellt die chinesische Regierung den Geschäftsträger der US-Botschaft ein. Die Beziehungen sind belastet.
Nach Ballon-AbschussChina lädt US-Geschäftsträger vor
Aus Protest gegen den Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons durch das US-Militär hat Chinas Außenministerium den Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft in Peking einbestellt. Wie das Außenamt am Montag mitteilte, sagte Vizeaußenminister Xie Feng bei der Begegnung am Sonntag, das Eindringen des Ballons sei nur ein „Unfall“ gewesen, der durch „höhere Gewalt“ passiert sei. „Die Fakten sind klar und können nicht verdreht werden.“
China spricht von „offensichtlicher Überreaktion“
Trotzdem hätten sich die USA „taub gestellt“ und darauf bestanden, „Gewalt gegen ein ziviles Luftschiff zu missbrauchen, das dabei war, den Luftraum der USA zu verlassen“. Es sei eine „offensichtliche Überreaktion“ gewesen und verletze „den Geist des Völkerrechts und internationale Normen“, wurde der Vizeaußenminister zitiert.
Die USA hätten damit die Bemühungen und Fortschritte auf beiden Seiten, die Beziehungen seit dem Treffen von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden im November zu stabilisieren, „ernsthaft beeinträchtigt und beschädigt“, sagte Xie Feng nach diesen Angaben.
USA wirft China Spionage von Militäreinrichtungen vor
Die chinesische Regierung werde die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen und behalte sich das Recht auf notwendige Reaktionen vor. In einem indirekten Hinweis, der wohl auf etwaige zivile Eigentümer des Ballons schließen lassen sollte, hieß es in der Mitteilung ferner, die Regierung wolle „die legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen“ wahren.
Die USA hatten den Ballon, der tagelang über den USA geflogen war, am Sonntag vor der Atlantikküste von South Carolina mit einer Rakete abgeschossen. China wurde vorgeworfen, mit dem Ballon wichtige Militäreinrichtungen ausspionieren zu wollen. Die Regierung in Peking sprach dagegen von einem Forschungsballon, der durch die Westwinddrift und wegen unzureichender Steuerungsmöglichkeiten weit vom Kurs abgekommen sei.
Bergung der Trümmerteile hat begonnen
Derzeit läuft die Bergung der Trümmerteile. Die Bundespolizei FBI beteilige sich an der Auswertung, berichteten US-Medien am Sonntag (Ortszeit) übereinstimmend. Die Trümmer lagen nach Pentagon-Angaben rund 11 Kilometer vor der Küste South Carolinas in relativ flachem Wasser.
Die USA erhoffen sich von der Auswertung Aufschluss über die technischen Fähigkeiten des Ballons. US-Präsident Joe Biden hatte nach eigenen Angaben bereits am Mittwoch angeordnet, den Ballon „so schnell wie möglich“ abzuschießen. Ein Risiko für die Menschen am Boden sollte aber ausgeschlossen werden, daher sei entschieden worden, das Flugobjekt erst über dem Meer vom Himmel zu holen.
Rolf Mützenich: „Das beunruhigt uns sehr“
Auch in Deutschland sorgte der Vorfall für Beunruhigung. „Die Bundesregierung nimmt chinesische Spionage und die aktuellen Berichte sehr ernst und stimmt sich mit ihren wichtigsten Partnern ab“, hieß es auf Anfrage der „Süddeutschen Zeitung“ aus Sicherheitskreisen.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“: „Das beunruhigt uns sehr - auch mich persönlich, weil ich glaube, wir müssen aufpassen, dass nicht hier ein weiterer und großer internationaler Konflikt entsteht.“
Beziehungen zwischen USA und China weiterhin angespannt
Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth wertete den Ballon und die aufgeheizte Debatte darüber in den USA als einen „Vorgeschmack auf den sich zuspitzenden Konflikt zwischen China und den USA in den nächsten Jahren“. Der Abschuss des Ballons sei richtig gewesen, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Biden habe aber unter massivem Druck der Republikaner gestanden, die ihn als außenpolitisch schwach diskreditieren wollten. Zugleich verfolge Chinas Präsident Xi Jinping seit Jahren eine expansive Außenpolitik, führte der SPD-Politiker aus. „Das macht das Management der Beziehungen immer schwieriger.“
Norbert Röttgen geht von chinesischer Panne aus
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen äußerte die Erwartung, dass der Ballon-Streit das Verhältnis zwischen China und den USA nur kurz belastet. „Aus meiner Sicht handelt es sich um eine chinesische Panne, die gleichwohl eine amerikanische Antwort erforderte“, sagte Röttgen dem RND.
„Ich gehe aber davon aus, dass beide Seiten sich dadurch nicht länger als nötig von ihrem geplanten Kurs abbringen lassen werden. Und dieser besteht darin, in dem ausgeprägten Machtkampf beider Seiten nicht völlig sprachlos zu sein.“
Reaktionen in Deutschland besorgt
Die Berichte über den Überflug des Ballons und den Abschuss seien von der Bundesregierung mit Sorge zur Kenntnis genommen worden. Zur Sache und zu möglichen Hintergründen lägen keine eigenen Erkenntnisse vor. Wie das Außenministerium mitteilte, wurde die Bundesregierung von der US-Regierung über diplomatische Kanäle über den aktuellen Fall auf dem Laufenden gehalten.
Angaben dazu, ob mögliche ähnliche Vorfälle mit Ballons im deutschen Luftraum bekannt sind, wurden zunächst nicht gemacht. Das Innenministerium verwies darauf, dass die zuständigen Sicherheitsbehörden jegliche ausländische Spionage im Blick hätten.
Mehrere Behörden zuständig für die Sicherheit des deutschen Luftraums
Grundsätzlich sind mehrere Behörden für die Sicherheit des Luftraums über Deutschland zuständig, wie die Regierung erläuterte: Bis zur Flughöhe von 11 000 Metern ist es das Verkehrsministerium mit der Deutschen Flugsicherung, die auch den Betrieb von Wetterballons oder Wettersonden genehmigen muss. Bei über 11 000 Metern sei dann das Innenministerium zuständig und „im Zweifel“ das Verteidigungsressort.
Eine Ministeriumssprecherin erläuterte, es gebe den „Dauerauftrag“ der Luftwaffe für die Sicherheit im Luftraum - zum Beispiel auch mit „Alarmrotten“, die aufsteigen könnten, falls der Funkkontakt zu einem zivilen Flugzeug verloren geht. Überwacht werde die Sicherheit im Luftraum durch ein nationales Lage- und Führungszentrum. (dpa)