Neue FührungRishi Sunak folgt auf Liz Truss – das ist der britische Premierminister
London – Ex-Finanzminister Rishi Sunak wird neuer britischer Premierminister. Seine einzige Rivalin Penny Mordaunt zog im parteiinternen Rennen um das Amt ihre Kandidatur zurück, wie sie am Montag auf Twitter mitteilte. Nach nur 44 Tagen im Amt hatte zuvor Liz Truss ihren Rücktritt als britische Premierministerin angekündigt.
Die Tory-Partei sucht zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate nach einer neuen Führung, nachdem die scheidende Premierministerin Truss nach sechs beispiellos chaotischen Wochen auf Druck ihrer Partei aus dem Amt ausgeschieden war. Danach hatte sich schnell Ex-Premier Boris Johnson für ein Comeback ins Gespräch gebracht, sich jedoch am Sonntagabend überraschend zurückgezogen.
Sunak inszenierte sich als Kandidat, der die Partei einen kann. Zuletzt hatten sich mit Handelsministerin Kemi Badenoch und Ex-Innenministerin Suella Braverman zwei führende Politikerinnen vom rechten Rand der Partei hinter ihn gestellt. Zugute kommt dem 42-Jährigen, dass er im parteiinternen Wahlkampf um die Parteiführung gegen Truss im Sommer vor exakt jenem Finanzchaos gewarnt hatte, das die amtierende Premierministerin in ihrer kurzen Amtszeit mit ihrer Wirtschaftspolitik anrichtete.
Neuer Premierminister Rishi Sunak hat nicht alle Tories hinter sich
Allerdings weisen Experten darauf hin, dass auch Sunak bei weitem nicht die gesamte Partei und Fraktion hinter sich hat. Viele Mitglieder werfen ihm vor, mit seinem Rücktritt als Finanzminister den Sturz des an der Basis beliebten Johnson ausgelöst zu haben. Zudem weisen Kritiker auf das große Vermögen des wohl reichsten britischen Abgeordneten hin. Der frühere Investmentbanker ist mit der Tochter des Infosys-Gründers verheiratet, die einen Hunderte Millionen Pfund schweren Anteil an dem indischen IT-Giganten hält.
Er wolle das Land mit „Integrität und Professionalität“ durch die Krise führen, schrieb Sunak auf Twitter, als er am Sonntag seine Kandidatur offiziell machte.
Als ältestes von drei Geschwistern präsentiert sich der 42-jährige Sunak als Aufsteiger aus einer Einwandererfamilie. In den 1960er-Jahren immigrierten seine im Punjab geborenen Großeltern von Ostafrika nach Southampton in Großbritannien. Sein Vater Yashvir war Hausarzt, seine Mutter Usha Apothekerin. Sunak studierte am Lincoln College (Oxford) und an der Stanford Graduate School of Business, wo er seine spätere Frau kennenlernte: Akshata Murthy, Tochter eines milliardenschweren IT-Unternehmers. Das Paar heiratete im August 2009 und hat mittlerweile zwei gemeinsame Töchter.
Rishi Sunak wird neuer Premierminister: Die Geschichte eines Aufsteigers
Nach dem Studium arbeitete Sunak unter anderem als Analyst für das Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen „Goldman Sachs“. Politiker ist er geworden, weil jeder in Großbritannien die Chance haben sollte, seinen Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen, erzählt der 42-Jährige in einem Video, in dem er seine Kandidatur bekannt gab.
Binnen fünf Jahren schaffte es Rishi Sunak auf den zweithöchsten Regierungsposten im Vereinigten Königreich – und wurde zu einem der beliebtesten Politiker des Landes. Denn Sunak setzte sich für die Briten ein: Mitte März 2020 führte der konservative Politiker beispielsweise ein Krisenprogramm zur Lohnfortzahlung von bis zu 80 Prozent ein. Die Maßnahme, die dem deutschen Kurzarbeitergeld ähnelt, bewahrte Millionen Menschen während der Corona-Pandemie vor dem Jobverlust.
Rishi Sunak wird neuer Premierminister: Einsatz für die Briten
Im Gespräch mit der „Welt“ fasst Unternehmer Michael Ashcroft 2020 das Erfolgsrezept des Nachwuchspolitikers zusammen: „Sunak kommt so gut bei den Briten an, weil er einerseits als kompetent gilt und sie ihm gleichzeitig glauben, dass er wirklich helfen will.“ Der britische Geschäftsmann hat damals das gesamte Leben Sunaks durchleuchtet. „Wir wollten nicht unbedingt Dreck finden, aber zumindest irgendetwas“, schildert Ashcroft. Doch das sei erfolglos gewesen. Ein wenig später fing die Aufstiegsgeschichte des Politikers jedoch allmählich an zu bröckeln.
Nach der Veröffentlichung des Kandidaturvideos kursieren Ausschnitte einer Dokumentation des britischen Senders BBC, die den ambitionierten Politiker mit Anfang 20 zeigen. Dort erzählt Sunak, er habe Freunde aus der Oberschicht oder mit Adelstiteln, aber keine aus der Arbeiterklasse. Gerne ermutige er auch Kinder aus staatlichen Schulen dazu, sich später in Oxford zu bewerben. Er selbst besuchte als Schüler ein Eliteinternat. Und plötzlich wirkte der einst sympathische Aufsteiger mit indischen Wurzeln auf viele Briten wie ein abgehobener Karrierist.
Rishi Sunak: Sympathischer Aufsteiger oder abgehobener Karrierist?
Sein Image sollte aber noch weitere Risse bekommen: Im April dieses Jahres wurde öffentlich, dass seine Frau Akshata Murthy jahrelang Steuern in Millionenhöhe vermieden hat, da sie nicht offiziell in Großbritannien gemeldet war. Eine legale Praxis, doch die Labour-Partei warf dem Politiker und ehemaligen Goldman-Sachs-Banker Heuchelei vor.
Und als wäre das noch nicht genug, flatterte bei Sunak im Zuge der „Partygate“-Affäre ein Bußgeldbescheid ins Haus: Gemeinsam mit Boris Johnson und weiteren Regierungsmitgliedern hatte der 42-Jährige im Juni 2020 gegen die Corona-Regeln verstoßen, als sie den Geburtstag des Premiers feierten.
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Dass seine Umfragewerte sanken, dürfte aber auch daran liegen, dass der Ex-Finanzminister mit indischen Wurzeln den Briten in Zeiten der Inflation zahlreiche Steuererhöhungen zumutete. Laut der britischen Tageszeitung „The Guardian“ hatte Sunak die Steuerlast zuletzt auf den höchsten Stand seit den 1940er-Jahren getrieben. Zudem wird ihm vorgeworfen, beim dramatischen Anstieg der Lebenshaltungskosten in Großbritannien nicht schnell genug reagiert zu haben. Und es stehen noch weitere Anschuldigungen, die seine persönlichen finanziellen Interessen betreffen, im Raum.
Rishi Sunak wurde unter Liz Truss Zielscheibe verbaler Angriffe
Im Rennen um die Nachfolge von Skandalminister Boris Johnson gegen Liz Truss wurde der Ton immer schärfer. Rishi Sunak wurde zur Zielscheibe verbaler Angriffe – beispielsweise bezichtigt Kulturministerin Nadine Dorries sein Team „schmutziger Tricks“. Ihr Vorwurf: Sunak-Unterstützer haben dem ehemaligen britischen Außenminister Jeremy Hunt Stimmen geliehen, um einen leicht zu schlagenden Kandidaten in die Endrunde zu bringen.
Auch Brexit-Staatssekretär Jacob Rees-Mogg griff den ehemaligen Finanzminister bereits öffentlich an. Sunak habe „wirtschaftlich schädliche“ Steuererhöhungen durchgesetzt, betonte Rees-Mogg im Interview mit dem Sender Sky News. Die Steuerpolitik des Ex-Finanzministers hatte er zuvor sogar mit Sozialismus – einem Schimpfwort unter britischen Konservativen – verglichen. (rnd/ap/dpa)