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Kommentar

Nato in der Nervenprobe
Ufos über den USA, Cyberattacken in Europa

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Neuerdings lässt US-Präsident Joe Biden unbekannte Flugobjekte abschießen.

Neuerdings lässt US-Präsident Joe Biden unbekannte Flugobjekte abschießen.

Am Dienstag kommen die Verteidigungsminister der 30 Nato-Staaten in Brüssel zusammen. Das Bündnis darf jetzt nicht anfangen zu schwächeln.

Einmal ist Zufall. Zweimal ist Zufall. Dreimal ist eine feindliche Handlung. So lehrte es der britische Schriftsteller und James-Bond-Erfinder Ian Fleming in seinen Spionageromanen schon vor 60 Jahren, mitten im Kalten Krieg, Heute scheint diese Grundregel auch Joe Biden zu leiten Neuerdings lässt der US-Präsident unbekannte Flugobjekte aller Art, mittlerweile sind es vier, frühzeitig durch Norad abschießen, die gemeinsame Flugabwehr der Nato-Staaten USA und Kanada. Detailfragen, etwa nach dem Woher oder nach der genauen Beschaffenheit, werden erst später geklärt.

Den chinesischen Ballon hatte Biden einige Tage über die USA fliegen lassen – prompt nannten Kritiker seine Reaktion zu langsam. Ist Biden inzwischen allzu „trigger-happy“, wie die Amerikaner sagen, zu schnell mit der Hand am Abzug? Eins zumindest steht in diesen etwas rätselhaften Tagen: Der Westen wird gerade auf eine Probe gestellt. Während Amerikanerinnen und Amerikaner bange Blicke himmelwärts werfen und im Netz schon Fantasiegeschichten von eine Alien-Invasion die Runde machen, meldete sich die Internetseite des Nato-Stützpunkts Ramstein ab - eine russische Hackergruppe hatte sie lahmgelegt.

In dieser angespannten Lage kommen heute die Verteidigungsminister der 30 Nato-Staaten in Brüssel zusammen. Einmal mehr wird es um die Ukraine gehen, um Panzer, Kanonen und Munition. Einmal mehr auch wird der ukrainische Verteidigungsminister in der Runde zu Gast sein und die Eilbedürftigkeit der anstehenden Beschlüsse erläutern.

Zugleich stehen aber auch neuartige und so nervositätssteigernde Themen auf der Tagesordnung wie die Abwehr physischer und digitaler Attacken auf Unterwasserkabel, Gaspipelines oder ganze Finanzsysteme. Details aus diesem Teil der Beratungen zu veröffentlichen könnte, um ein geflügeltes Wort des früheren Bundesinnenministers Thomas de Maizière zu benutzen, die Öffentlichkeit verunsichern.

Doch auch hier sind Vorbereitungen nötig und Nachrüstungen. Denn wahrscheinlicher als jede nukleare Eskalation ist ein Griff des langjährigen KGB-Spions Wladimir Putin in die Trickkiste der hybriden Kriegsführung. Liebend gern würde der Kremlherr es sehen, dass die Nato-Staaten im zweiten Jahr des Ukraine-Kriegs aus irgendeinem Grund die Nerven verlieren. Wichtiger als viele andere Fragen ist in den kommenden Monaten die psychologische Widerstandskraft des Westens. Dem hasserfüllten Hecheln in Moskau muss das Bündnis etwas Bremsendes entgegensetzen. Bislang hat die Nato an dieser Stelle vieles richtig gemacht.

Als im November in Polen zwei Menschen durch Raketeneinschläge starben, waren es die Nato und ihr Generalsekretär Jens Stoltenberg, die als erste meldeten, es gebe keinen Angriff Russlands auf das Nato-Land. Einen kühlen Kopf zu bewahren und zugleich stärker zu werden ist genau der richtige Weg. Putin hatte auf einen verwirrten, schwächelnden Westen gesetzt, nicht zuletzt auch auf ein verwirrtes, schwächelndes Deutschland. Doch eben erst zeichnete in Berlin ausgerechnet ein grüner Bundeswirtschaftsminister schon mal die Lieferung von 178 Kampfpanzern des Typ Leo 1 ab.

Finnland und Schweden werden wohl noch in diesem Sommer Nato-Mitglieder. Die jüngste Präsidentschaftswahl in Tschechien gewann der Putin-Feind Petr Pavel. Und die Debatte um die Nachfolge Stoltenbergs als Nato-Generalsekretär dreht sich unter anderem um die russlandkritische Kaja Kallas, Premierministerin von Estland, und den russlandkritischen Ben Wallace, Verteidigungsminister von Großbritannien. Putin kämpft und kämpft, doch er hat Europa schon verloren. Wenn es gut geht, verlagert sich die wahre Nervenprobe dieser Zeit bald nach Moskau.