Über die erfolgreiche Initiative von Natascha Sagorski, die eine Fehlgeburt erlitt – und die jetzt sehr vielen anderen Frauen geholfen hat.
MutterschutzgesetzDiese Frau hat einen wichtigen Sieg für alle Frauen erkämpft


Natascha Sagorski kämpfte jahrelang für eine Änderung des Mutterschutz-Rechts - und errang am Ende einen Sieg für alle Frauen in Deutschland.
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Die Heldinnen-Geschichte von Natascha Sagorski beginnt mit einer Tragödie. Kein Herzschlag mehr, sagt die Frauenärztin der glücklich Schwangeren beim zweiten Ultraschall-Termin im Jahr 2019. In der zehnten Schwangerschaftswoche muss Sagorski in die Klinik, um eine Ausschabung der Gebärmutter unter Vollnarkose vornehmen lassen. Sie hat Schmerzen, weint, es geht ihr psychisch schlecht, was auch sonst? Doch die behandelnde Ärztin verweigert ihr die Krankschreibung mit dem Hinweis, sie könne morgens durchaus wieder ins Büro gehen.
Sagorski kann das nicht. Sie will es auch nicht. Sie lässt sich auf Umwegen krankschreiben und beginnt zu recherchieren. Sie findet raus, dass es vielen Frauen ähnlich geht, die ihr Kind vor der 24. Schwangerschaftswoche durch eine Fehlgeburt verlieren. Denn ihnen steht kein Mutterschutz zu.
Sagorski zieht vors Bundesverfassungsgericht
Drei Jahre später, im Jahr 2022, startet Sagorski eine Petition – und beginnt auch auf anderen Wegen zu kämpfen. Sie fährt mehrfach von ihrem Wohnort München nach Berlin, um mit möglichst vielen Politikerinnen und Politikern zu sprechen, sie geht in Gesprächsrunden mit allen Fraktionen. Sie zieht vors Bundesverfassungsgericht, parallel dazu in die Landesparlamente.
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Sie stellt eine zweieinhalb Meter große leere Wiege vor den Bundestag. Ihre Forderung: Das Mutterschutzgesetz muss geändert werden, damit es früher greift als bislang. Sie stößt damit auf fast einhellige Zustimmung, aber auch auf etliche Hürden. Bis zuletzt, erzählt sie im Radio-Interview bei WDR 5, sei die von ihr angestoßene Gesetzesänderung ein Krimi gewesen.
Wie soll es auch anders sein in einer Welt, in der für die Erforschung von Endometriose, einer Krankheit, unter der in Deutschland geschätzt zwei Millionen Frauen leiden, keine nennenswerten Forschungsgelder zur Verfügung gestellt werden? In der massive monatliche Regelschmerzen Privatsache sind? In der die Pille für den Mann daran scheiterte, dass die (bei Frauen sehr ähnlichen) Nebenwirkungen als nicht zumutbar erachtet wurden? Diese Liste könnte gefühlt endlos fortgesetzt werden.
Doch am Ende stimmen die demokratischen Parteien einstimmig (!) in der letzten Sitzung des 20. Bundestags im Januar 2025 für das neue Mutterschutzgesetz – trotz des Zoffs untereinander, den es damals reichlich gibt. Während Sagorski auf der Besuchertribüne in Freudentränen ausbricht, wird sie von unten adressiert: „Im Namen des gesamten Hauses darf ich Ihnen für ihre Initiative danken. Es werden viele Frauen profitieren davon, dass Sie den Mut hatten, diese Initiative anzustoßen.“
Eine Sternstunde für die Demokratie – und für die Frauen
Seit Sonntag, 1. Juni, sind die Änderungen in Kraft. Der Mutterschutz greift nun bereits ab der 13. Schwangerschaftswoche – mit gestaffelter Dauer. Zunächst sind es bis zu zwei Wochen, ab der 17. Woche bis zu sechs Wochen und ab der 20. Schwangerschaftswoche bis zu acht Wochen. Immer vorausgesetzt, dass Betroffene den Mutterschutz wollen.
Whatsapp an meine Cousine, die Hebamme ist: „Ganz richtig und wichtig“ sei die Änderung, kommt es wie aus der Pistole geschossen zurück. „So gut, dass das in der Gesellschaft ankommt." Zumal betroffene Frauen neben dem schwer zu verkraftenden Verlust ihres Kindes oft auch richtig körperliche „Wochenbett“-Symptome hätten. „Eine Sternstunde für die Demokratie“ nennt Sagorski den Erfolg ihrer Initiative. Ich nenne es auch: eine Sternstunde für die Frauen.
Zur Autorin und zur Kolumne
Sarah Brasack ist stellvertretende Chefredakteurin. In der Kolumne „Die Optimistin“ schreibt sie im Wechsel mit anderen Autorinnen über Dinge, die Anlass zur Freude geben und das, was in der Welt gut läuft.